Wieder hielt er inne. Irgendwie frstelte michs: war das erster Schauer des Morgenwinds, der jetzt leise sausend ber das Schiff lief? Aber das gequlte Gesicht - nun schon halb erhellt vom Widerschein der Frhe -spannte sich wieder zusammen:
Wie lang ich so auf der Matte gelegen hatte, wei ich nicht. Da rhrte michs an. Ich fuhr auf. Es war der Boy, der zaghaft mit seiner devoten Geste vor mir stand und mir unruhig in den Blick sah.Es will jemand herein will sie sehen Niemand darf herein. Ja aber
Seine Augen waren erschreckt. Er wollte etwas sagen und wagte es doch nicht. Das treue Tier litt irgendwie eine Qual.Wer ist es?
Er sah mich zitternd an wie in Furcht vor einem Schlag. Und dann sagte er - er nannte keinen Namen woher ist in solch einem niedern Wesen mit einmal so viel Wissen, wie kommt es, da in manchen Sekunden ein unbeschreibliches Zartgefhl derlei ganz dumpfe Menschen beseelt? dann sagte er ganz, ganz ngstlichEr ist es.
Ich fuhr auf, verstand sofort und war sofort ganz Gier, ganz Ungeduld nach diesem Unbekannten. Denn sehen Sie, wie sonderbar inmitten all dieser Qual, in diesem Fieber von Verlangen, von Angst und Hast hatte ich ganz anihnvergessen vergessen, da da noch ein Mann im Spiele war der Mann, den diese Frau geliebt, dem sie leidenschaftlich das gegeben, was sie mir verweigert Vor zwlf, vor vierund-zwanzig Stunden htte ich diesen Mann noch gehat, ihn noch zerfleischen knnen Jetzt ich kann, ich kann Ihnen nicht schildern, wie es mich jagte, ihn zu sehen ihn zu lieben, weil sie ihn geliebt. Mit einem Ruck war ich bei der Tr. Ein junger, ganz junger blonder Offizier stand dort, sehr linkisch, sehr schmal, sehr bla. Wie ein Kind sah er aus, so so rhrend jung und unsglich erschtterte michs gleich, wie er sich mhte, Mann zu sein, Haltung zu zeigen seine Erregung zu verbergen Ich sah sofort, da seine Hnde zitterten, als er zur Mtze fuhr Am liebsten htte ich ihn umarmt weil er ganz so war, wie ich mirs wnschte, da der Mann sein sollte, der diese Frau besessen kein Verfhrer, kein Hochmtiger nein, ein halbes Kind, ein reines, zrtliches Wesen, dem sie sich geschenkt. Ganz befangen stand der junge Mensch vor mir. Mein gieriger Blick, mein leidenschaftlicher Aufsprung machten ihn noch mehr verwirrt. Das kleine Schnurr-brtchen ber der Lippe zuckte verrterisch dieser junge Offizier, dies Kind mute sich bezwingen, um nicht herauszuschluchzen.
Verzeihen Sie, sagte er dann endlich.Ich htte gerne Frau gerne noch gesehen. Unbewut, ganz ohne es zu wollen, legte ich ihm, dem Fremden, meinen Arm um die Schulter, fhrte ihn, wie man einen Kranken fhrt. Er sah mich erstaunt an mit einem unendlich warmen und dankbaren Blick irgendein Verstehen unserer Gemeinschaft war schon in dieser Sekunde zwischen uns beiden Wir gingen zu der Toten Sie lag da, wei, in den weien Linnen - ich sprte, da meine Nhe ihn noch bedrckte so trat ich zurck, um ihn allein zu lassen mit ihr. Er ging langsam nher mit mit so zuckenden, ziehenden Schritten an seinen Schultern sah ichs, wie es in ihm whlte und ri߅ er ging so wie wie einer, der gegen einen ungeheuren Sturm geht Und pltzlich brach er vor dem Bett in die Knie genau so, wie ich hingebrochen war. Ich sprang sofort vor, hob ihn empor und fhrte ihn zu einem Sessel. Er schmte sich nicht mehr, sondern schluchzte seine Qual heraus. Ich vermochte nichts zu sagen - nur mit der Hand strich ich ihm unbewut ber sein blondes, kindlich weiches Haar. Er griff nach meiner Hand ganz lind und doch ngstlich und mit einemmal fhlte ich seinen Blick an mir hngenSagen Sie mir die Wahrheit, Doktor, stammelte er,hat sie selbst Hand an sich gelegt?Nein, sagte ich.
Und ist ich meine ist irgend irgend jemand schuld an ihrem Tode?
Nein, sagte ich wieder, obwohl mirs aufquoll in der Kehle, ihm entgegenzuschreien:Ich! Ich! Ich! Und du! Wir beide! Und ihr Trotz, ihr unseliger Trotz!Aber ich hielt mich zurck. Ich wiederholte noch einmaclass="underline" Nein niemand hat schuld daran es war ein Verhngnis!
Ich kann es nicht glauben, sthnte er,ich kann es nicht glauben. Sie war noch vorgestern auf dem Balle, sie lchelte, sie winkte mir zu. Wie ist das mglich, wie konnte das geschehen?
Ich erzhlte eine lange Lge. Auch ihm verriet ich ihr Geheimnis nicht. Wie zwei Brder sprachen wir zusammen alle diese Tage, gleichsam berstrahlt von dem Gefhl, das uns verband und das wir einander nicht anvertrauten, aber wir sprten einer vom ndern, da unser ganzes Leben an dieser Frau hing Manchmal drngte sichs mir wrgend an die Lippen, aber dann bi ich die Zhne zusammen - nie hat er erfahren, da sie ein Kind von ihm trug da ich das Kind, sein Kind, htte tten sollen, und da sie es mit sich selbst in den Abgrund gerissen. Und doch sprachen wir nur von ihr in diesen Tagen, whrend derer ich mich bei ihm verbarg denn - das hatte ich vergessen, Ihnen zu sagen - man suchte nach mir Ihr Mann war gekommen, als der Sarg schon geschlossen war er wollte den Befund nicht glauben die Leute munkelten allerlei und er suchte mich Aber ich konnte es nicht ertragen, ihn zu sehen, ihn, von dem ich wute, da sie unter ihm gelitten ich verbarg mich vier Tage ging ich nicht aus dem Hause, gingen wir beide nicht aus der Wohnung ihr Geliebter hatte mir unter einem falschen Namen einen Schiffsplatz genommen, damit ich flchten knne wie ein Dieb bin ich nachts auf das Deck geschlichen, da niemand mich erkennt Alles habe ich zurckgelassen, was ich besitze mein Haus mit der ganzen Arbeit dieser sieben Jahre, mein Hab und Gut, alles steht offen fr jeden, der es haben will und die Herren von der Regierung haben mich wohl schon gestrichen, weil ich ohne Urlaub meinen Posten verlie߅ Aber ich konnte nicht leben mehr in diesem Haus, in dieser Stadt in dieser Welt, wo alles mich an sie erinnert wie ein Dieb bin ich geflohen in der Nacht nur ihr zu entrinnen nur zu vergessen Aber wie ich an Bord kam nachts mitternachts mein Freund war mit mir da da zogen sie gerade am Kran etwas herauf rechteckig, schwarz ihren Sarg hren Sie: ihren Sarg sie hat mich hierher verfolgt, wie ich sie verfolgte und ich mute dabeistehen, mich fremd stellen, denn er, ihr Mann, war mit er begleitet ihn nach England vielleicht will er dort eine Autopsie machen lassen er hat sie an sich gerissen jetzt gehrt sie wieder ihm nicht uns mehr, uns uns beiden Aber ich bin noch da ich gehe mit bis zur letzten Stunde er wird, er darf es nie erfahren ich werde ihr Geheimnis zu verteidigen wissen gegen jeden Versuch gegen diesen Schurken, vor dem sie in den Tod gegangen ist Nichts, nichts wird er erfahren ihr Geheimnis gehrt mir, nur mir allein Verstehen Sie jetzt verstehen Sie jetzt warum ich die Menschen nicht sehen kann ihr Gelchter nicht hren wenn sie flirten und sich paaren denn da drunten drunten im Lagerraum zwischen Teeballen und Paranssen steht der Sarg verstaut Ich kann nicht hin, der Raum ist versperrt aber ich wei es mit allen meinen Sinnen, wei es in jeder Sekunde auch wenn sie hier Walzer spielen und Tango es ist ja dumm, das Meer da schwemmt ber Millionen Tote, auf jedem Fubreit Erde, den man tritt, fault eine Leiche aber doch, ich kann es nicht ertragen, ich kann es nicht ertragen, wenn sie Maskenblle geben und so geil lachen diese Tote, ich spre sie, und ich wei, was sie von mir will ich wei es, ich habe noch eine Pflicht ich bin noch nicht zu Ende noch ist ihr Geheimnis nicht gerettet sie gibt mich noch nicht frei
Vom Mittelschiff kamen schlurfende Schritte, klatschende Laute: Matrosen begannen das Deck zu scheuern. Er fuhr auf wie ertappt: sein zerspanntes Gesicht bekam einen ngstlichen Zug. Er stand auf und murmelte:Ich gehe schon ich gehe schon. Es war eine Qual, ihn anzuschauen: seinen verwsteten Blick, die gedunsenen Augen, rot von Trinken oder Trnen. Er wich meiner Anteilnahme aus: ich sprte aus seinem geduckten Wesen Scham, unendliche Schani, sich verraten zu haben an mich, an diese Nacht. Unwillkrlich sagte ich: