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Ein leises, trockenes Husten hart neben mir lie mich auffahren. Ich schrak aus meiner fast schon trunkenen Trumerei. Meine Augen, geblendet vom weien Ge leucht ber den bislang geschlossenen Lidern, tasteten auf: mir knapp gegenber im Schatten der Bordwand glnzte etwas wie der Reflex einer Brille, und jetzt glhte ein dicker, runder Funke auf, die Glut einer Pfeife. Ich hatte, als ich mich hinsetzte, einzig niederblickend in die schaumige Bugschneide und empor zum Sdkreuz, offenbar diesen Nachbarn nicht bemerkt, der regungslos hier die ganze Zeit gesessen haben mute. Unwillkrlich, noch dumpf in den Sinnen, sagte ich auf deutsch:Verzeihung!Oh, bitte antwortete die Stimme deutsch aus dem Dunkel.

Ich kann nicht sagen, wie seltsam und schaurig das war, dies stumme Nebeneinandersitzen im Dunkeln, knapp neben einem, den man nicht sah. Unwillkrlich hatte ich das Gefhl, als starre dieser Mensch auf mich, genau wie ich auf ihn starrte: aber so stark war das Licht ber uns, das weiflimmernd flutende, da keiner von keinem mehr sehen konnte als den Umri im Schatten. Nur den Atem meinte ich zu hren und das fauchende Saugen an der Pfeife. Das Schweigen war unertrglich. Ich wre am liebsten weggegangen, aber das schien doch zu brsk, zu pltzlich. Aus Verlegenheit nahm ich mir eine Zigarette heraus. Das Zndholz zischte auf, eine Sekunde lang zuckte Licht ber den engen Raum. Ich sah hinter Brillenglsern ein fremdes Gesicht, das ich nie an Bord gesehen, bei keiner Mahlzeit, bei keinem Gang, und sei es, da die pltzliche Flamme den Augen wehtat, oder war es eine Halluzination: es schien grauenhaft verzerrt, finster und koboldhaft. Aber ehe ich Einzelheiten deutlich wahrnahm, schluckte das Dunkel wieder die flchtig erhellten Linien fort, nur den Umri sah ich einer Gestalt, dunkel ins Dunkel gedrckt, und manchmal den kreisrunden roten Feuerring der Pfeife im Leeren. Keiner sprach, und dies Schweigen war schwl und drckend wie die tropische Luft.

Endlich ertrug ichs nicht mehr. Ich stand auf und sagte hflichGute Nacht.

Gute Nacht, antwortete es aus dem Dunkel, eine heisere harte, eingerostete Stimme. Ich stolperte mich mhsam vorwrts durch das Takelwerk an den Pfosten vorbei. Da klang ein Schritt hinter mir her, hastig und unsicher. Es war der Nachbar von vordem. Unwillkrlich blieb ich stehen. Er kam nicht ganz nah heran, durch das Dunkel fhlte ich ein Irgendetwas von Angst und Bedrcktheit in der Art seines Schrittes.

Verzeihen Sie, sagte er dann hastig,wenn ich eine Bitte an Sie richte. Ich ich - er stotterte und konnte nicht gleich weitersprechen vor Verlegenheit -ich ich habe private ganz private Grnde, mich hier zurckzuziehen ein Trauerfall ich meide die Gesellschaft an Bord Ich meine nicht Sie nein, nein Ich mchte nur bitten Sie wrden mich sehr verpflichten, wenn Sie zu niemandem an Bord davon sprechen wrden, da Sie mich hier gesehen haben Es sind sozusagen private Grnde, die mich jetzt hindern, unter die Leute zu gehen ja nun es wre mir peinlich, wenn Sie davon Erwhnung tten, da jemand hier nachts da ich Das Wort blieb ihm wieder stecken, ich beseitigte rasch seine Verwirrung, indem ich ihm eiligst zusicherte, seinen Wunsch zu erfllen. Wir reichten einander die Hnde. Dann ging ich in meine Kabine zurck und schlief einen dumpfen, merkwrdig verwhlten und von Bildern verwirrten Schlaf.

Ich hielt mein Versprechen und erzhlte niemandem an Bord von der seltsamen Begegnung, obzwar die Versuchung keine geringe war. Denn auf einer Seereise wird das Kleinste zum Geschehnis, ein Segel am Horizont, ein Delphin, der aufspringt, ein neuentdeckter Flirt, ein flchtiger Scherz. Dabei qulte mich die Neugier, mehr von diesem ungewhnlichen Passagier zu wissen: ich durchforschte die Schiffsliste nach einem Namen, der ihm zugehren konnte, ich musterte die Leute, ob sie zu ihm in Beziehung stehen knnten: den ganzen Tag bemchtigte sich meiner eine nervse Ungeduld, und ich wartete eigentlich nur auf den Abend, ob ich ihm wieder begegnen wrde. Rtselhafte psychologische Dinge haben ber mich eine geradezu beunruhigende Macht, es reizt mich bis ins Blut, Zusammenhnge aufzuspren, und sonderbare Menschen knnen mich durch ihre bloe Gegenwart zu einer Leidenschaft des Erkennenwol-lens entznden, die nicht viel geringer ist als jene des Besitzenwollens bei einer Frau. Der Tag wurde mir lang und zerbrckelte leer zwischen den Fingern. Ich legte mich frh ins Bett: ich wute, ich wrde um Mitternacht aufwachen, es wrde mich erwecken. Und wirklich: ich erwachte um die gleiche Stunde wie gestern. Auf dem Radiumzifferblatt der Uhr deckten sich die beiden Zeiger in einem leuchtenden Strich. Hastig stieg ich aus der schwlen Kabine in die noch schwlere Nacht.

Die Sterne strahlten wie gestern und schtteten ein diffuses Licht ber das zitternde Schiff, hoch oben flammte das Kreuz des Sdens. Alles war wie gestern - in den Tropen sind die Tage, die Nchte zwillings-hafter als in unseren Sphren - nur in mir war nicht dies weiche, flutende, trumerische Gewiegtsein wie gestern. Irgend etwas zog mich, verwirrte mich, und ich wute, wohin es mich zog: hin zu dem schwarzen Gewind am Kiel, ob er wieder dort starr sitze, der Geheimnisvolle. Von oben her schlug die Schiffsglocke. Dies ri mich fort. Schritt fr Schritt, widerwillig und doch gezogen, gab ich mir nach. Noch war ich nicht am Steven, da zuckte pltzlich dort etwas auf wie ein rotes Auge: die Pfeife. Er sa also dort. Unwillkrlich schreckte ich zurck und blieb stehen. Im nchsten Augenblick wre ich gegangen. Da regte es sich drben im Dunkel, etwas stand auf, tat zwei Schritte, und pltzlich hrte ich knapp vor mir seine Stimme, hflich und gedrckt.

Verzeihen Sie, sagte er,Sie wollen offenbar wieder an Ihren Platz, und ich habe das Gefhl, Sie flchteten zurck, als Sie mich sahen. Bitte, setzen Sie sich nur hin, ich gehe schon wieder.

Ich eilte, ihm meinerseits zu sagen, da er nur bleiben solle, ich sei blo zurckgetreten, um ihn nicht zu stren.Mich stren Sie nicht, sagte er mit einer gewissen Bitterkeit,im Gegenteil, ich bin froh, einmal nicht allein zu sein. Seit zehn Tagen habe ich kein Wort gesprochen eigentlich seit Jahren nicht und da geht es so schwer, eben vielleicht weil man schon erstickt daran, alles in sich hineinzuwrgen Ich kann nicht mehr in der Kabine sitzen, in diesem diesem Sarg ich kann nicht mehr und die Menschen ertrage ich wieder nicht, weil sie den ganzen Tag lachen Das kann ich nicht ertragen jetzt ich hre es hinein bis in die Kabine und stopfe mir die Ohren zu freilich, sie wissen ja nicht, da߅ nun sie wissens eben nicht, und dann, was geht das die Fremden an

Er stockte wieder. Und sagte dann ganz pltzlich und hastig:Aber ich will Sie nicht belstigen verzeihen Sie meine Geschwtzigkeit. Er verbeugte sich und wollte fort. Aber ich widersprach ihm dringlich.Sie belstigen mich durchaus nicht. Auch ich bin froh, hier ein paar stille Worte zu haben Nehmen Sie eine Zigarette?Er nahm eine. Ich zndete an. Wieder ri sich das Gesicht flackernd vom schwarzen Bordrand los, aber jetzt voll mir zugewandt: die Augen hinter der Brille forschten in mein Gesicht, gierig und mit einer irren Gewalt. Ein Grauen berlief mich. Ich sprte, da dieser Mensch sprechen wollte, sprechen mute. Und ich wute, da ich schweigen msse, um ihm zu helfen. Wir setzten uns wieder. Er hatte einen zweiten Deck-chair dort, den er mir anbot. Unsere Zigaretten funkelten, und an der Art, wie der Lichtring der seinen unruhig im Dunkel zitterte, sah ich, da seine Hand bebte. Aber ich schwieg, und er schwieg. Dann fragte pltzlich seine Stimme leise:Sind Sie sehr mde?