Ich gehe auf sie zu. Sie weicht leicht zur Seite.Nein, nein, ich habe kein Fieber gewi, ganz gewi nicht ich habe mich selbst gemessen, jeden Tag, seit seit diese Ohnmchten kamen. Nie Fieber, immer tadellos 36, 4 auf den Strich. Auch mein Magen ist gesund.
Ich zgere einen Augenblick. Die ganze Zeit schon prickelt in mir ein Argwohn: ich spre, diese Frau will etwas von mir, man kommt nicht in eine Wildnis, um ber Flaubert zu sprechen. Eine, zwei Minuten lasse ich sie warten.Verzeihen Sie, sage ich dann geradewegs,darf ich einige Fragen ganz frei stellen?Gewi, Doktor! Sie sind doch Arzt, antwortete sie, aber schon wendet sie mir wieder den Rcken und spielt mit den Bchern.Haben Sie Kinder gehabt?Ja, einen Sohn.
Und haben Sie haben Sie vorher ich meine damals haben Sie da hnliche Zustnde gehabt?Ja.
Ihre Stimme ist jetzt ganz anders. Ganz klar, ganz bestimmt, gar nicht mehr plapprig, gar nicht mehr nervs.Und wre es mglich, da Sie verzeihen Sie die Frage da Sie jetzt in einem hnlichen Zustande sind?Ja.
Wie ein Messer scharf und schneidend lt sie das Wort fallen. In ihrem abgewandten Kopf zuckt nicht eine Linie.
Vielleicht wre es da am besten, gndige Frau, ich nehme eine allgemeine Untersuchung vor darf ich Sie vielleicht bitten, sich sich in das andere Zimmer hinber zu bemhen?
Da wendet sie sich pltzlich um. Durch den Schleier fhle ich einen kalten, entschlossenenen Blick mir gerade entgegen.Nein das ist nicht ntig ich habe volle Gewiheit ber meinen Zustand.
Die Stimme zgerte einen Augenblick. Wieder blin-kert im Dunkel das gefllte Glas.Also hren Sie aber versuchen Sie zuerst einen Augenblick sich das zu berdenken. Da drngt sich zu einem, der in seiner Einsamkeit vergeht, eine Frau herein, die erste weie Frau betritt seit Jahren das Zimmer und pltzlich spre ichs, es ist etwas Bses im Zimmer, eine Gefahr. Irgendwie berliefs mich: mir graute vor der sthlernen Entschlossenheit dieses Weibes, die da mit plapprigen Reden hereingekommen war und dann mit einemmal ihre Forderung zckt, wie ein Messer. Denn was sie von mir wollte, wute ich ja, wute ich sofort - es war nicht das erstemal, da Frauen so etwas von mir verlangten, aber sie kamen anders, kamen verschmt oder flehend, kamen mit Trnen und Beschwrungen. Hier aber war eine ja, eine sthlerne, eine mnnliche Entschlossenheit von der ersten Sekunde sprte ichs, da diese Frau strker war als ich da sie mich in ihren Willen zwingen konnte, wie sie wollte Aber aber es war auch etwas Bses in mir der Mann, der sich wehrte, irgendeine Erbitterung, denn ich sagte es ja schon von der ersten Sekunde, ja, noch ehe ich sie gesehen, empfand ich diese Frau als Feind.
Ich schwieg zunchst. Schwieg hartnckig und erbittert. Ich sprte, da sie mich unter dem Schleier ansah - gerade und fordernd ansah, da sie mich zwingen wollte zu sprechen. Aber ich gab nicht so leicht nach. Ich begann zu sprechen, aber ausweichend ja unbewut ahmte ich ihre plapprige, gleichgltige Art nach. Ich tat, als ob ich sie nicht verstnde, denn - ich wei nicht, ob Sie das nachfhlen knnen - ich wollte sie zwingen, deutlich zu werden, ich wollte nicht anbieten, sondern gebeten sein gerade von ihr, weil sie so herrisch kam und weil ich wute, da ich bei Frauen nichts so unterliege als dieser hochmtigen kalten Art.
Ich redete also herum, dies sei ganz unbedenklich, solche Ohnmchten gehrten zum regulren Lauf der Dinge, im Gegenteil, sie verbrgten beinahe eine gute Entwicklung. Ich zitierte Flle aus den klinischen Zeitungen ich sprach, ich sprach, lssig und leicht, immer die Angelegenheit ganz wie eine Banalitt betrachtend und wartete immer, da sie mich unterbrechen wrde. Denn ich wute, sie wrde es nicht ertragen.
Da fuhr sie schon scharf dazwischen, mit einer Handbewegung gleichsam das ganze beruhigende Gerede wegstreifend.
Das ist es nicht, Doktor, was mich unsicher macht. Damals, als ich meinen Buben bekam, war ich in bester Verfassung aber jetzt bin ich nicht mehr allright ich habe Herzzustnde Ach, Herzzustnde, wiederholte ich, scheinbar beunruhigt,da will ich doch gleich nachsehen. Und ich machte eine Bewegung, als ob ich aufstehen und das Hrrohr holen wollte.
Aber schon fuhr sie dazwischen. Die Stimme war jetzt ganz scharf und bestimmt - wie am Kommandoplatz.
Ich habe Herzzustnde, Doktor, und ich mu Sie bitten, zu glauben, was ich Ihnen sage. Ich mchte nicht viel Zeit mit Untersuchungen verlieren - Sie knnten mir, meine ich, etwas mehr Vertrauen entgegenbringen. Ich wenigstens habe mein Vertrauen zu Ihnen genug bezeugt.
Jetzt war es schon Kampf, offene Herausforderung. Und ich nahm sie an.
Zum Vertrauen gehrt Offenheit, rckhaltlose Offenheit. Reden Sie klar, ich bin Arzt. Und vor allem, nehmen Sie den Schleier ab, setzen Sie sich her, lassen Sie die Bcher und die Umwege. Man kommt nicht zum Arzt im Schleier.
Sie sah mich an, aufrecht und stolz. Einen Augenblick zgerte sie. Dann setzte sie sich nieder, zog den Schleier hoch. Ich sah ein Gesicht, ganz so wie ich es -gefrchtet hatte, ein undurchdringliches Gesicht, hart, beherrscht, von einer alterslosen Schnheit, ein Gesicht mit grauen englischen Augen, in denen alles Ruhe schien und hinter die man doch alles Leidenschaftliche trumen konnte. Dieser schmale, verprete Mund gab kein Geheimnis her, wenn er nicht wollte. Eine Minute lang sahen wir einander an - sie befehlend und fragend zugleich, mit einer so kalten, sthlernen Grausamkeit, da ich es nicht ertrug und unwillkrlich zur Seite blickte.
Sie klopfte leicht mit dem Knchel auf den Tisch. Also auch in ihr war Nervositt. Dann sagte sie pltzlich rasch:Wissen Sie, Doktor, was ich von Ihnen will, oder wissen Sie es nicht?
Ich glaube es zu wissen. Aber seien wir lieber ganz deutlich. Sie wollen Ihrem Zustand ein Ende bereiten Sie wollen, da ich Sie von Ihrer Ohnmacht, Ihren belkeiten befreie, indem ich indem ich die Ursache beseitige. Ist es das?Ja.
Wie ein Fallbeil zuckte das Wort.Wissen Sie auch, da solche Versuche gefhrlich sind fr beide Teile?Ja.
Da es gesetzlich mir untersagt ist?Es gibt Mglichkeiten, wo es nicht untersagt, sondern sogar geboten ist.
Aber diese erfordern eine rztliche Indikation. So werden Sie diese Indikation finden. Sie sind Arzt.
Klar, starr, ohne zu zucken, blickten mich ihre Augen dabei an. Es war ein Befehl, und ich Schwchling bebte in Bewunderung vor der dmonischen Herrischkeit ihres Willens. Aber ich krmmte mich noch, ich wollte nicht zeigen, da ich schon zertreten war. -Nur nicht zu rasch! Umstnde machen! Sie zur Bitte zwingen, funkelte in mir irgendein Gelst.Das liegt nicht immer im Willen des Arztes. Aber ich bin bereit, mit einem Kollegen im Krankenhaus Ich will Ihren Kollegen nicht ich bin zu Ihnen gekommene
Darf ich fragen, warum gerade zu mir?Sie sah mich kalt an.
Ich habe keine Bedenken, es Ihnen zu sagen. Weil Sie abseits wohnen, weil Sie mich nicht kennen - weil Sie ein guter Arzt sind, und weil Sie -jetzt zgerte sie zum ersten Male -wohl nicht mehr lange in dieser Gegend bleiben werden, besonders wenn Sie wenn Sie eine grere Summe nach Hause bringen knnen Mich berliefs kalt. Diese eherne, diese Merchant-, diese Kaufmannsklarheit der Berechnung betubte mich. Bisher hatte sie ihre Lippen noch nicht zur Bitte aufgetan - aber alles lngst auskalkuliert, mich erst umlauert und dann aufgesprt. Ich sprte, wie das Dmonische ihres Willens in mich eindrang, aber ich wehrte mich mit all meiner Erbitterung. Noch einmal zwang ich mich, sachlich - ja fast ironisch zu sein.Und diese groe Summe wrden Sie wrden Sie mir zur Verfgung stellen?Fr Ihre Hilfe und sofortige Abreise. Wissen Sie, da ich dadurch meine Pension ver-liere?