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Wieder ertappte sie sich bei dem Gedanken an den sächsischen Mönch, den sie am Vorabend getroffen hatte. Er hatte reinlich gerochen, ja, Fidelma glaubte sogar, den schwachen Duft von Kräutern wahrgenommen zu haben. Wenigstens einer der Sachsen wußte also, wie man sich sauberhält. Fidelma rümpfte mißbilligend die Nase, während sie sich umsah und insgeheim fragte, ob sie den Mönch in den Reihen der Römer entdek-ken würde.

Plötzlich tauchte Schwester Gwid auf und schlüpfte auf der anderen Seite neben Fidelma in die Bank. Wie immer war ihr Gesicht gerötet, und sie keuchte atemlos, als wäre sie schnell gelaufen.

«Fast hättet Ihr die Eröffnung der Synode verpaßt», sagte Fidelma lächelnd, während das schlaksige Mädchen verlegen nach Atem rang. «Aber solltet Ihr nicht bei Äbtissin Etain sitzen und ihr als Sekretärin zur Seite stehen?»

Schwester Gwid schüttelte den Kopf.

«Sie sagte, sie würde mich rufen lassen, wenn sie mich braucht», entgegnete sie.

Fidelma sah nach vorn zur Stirnseite des sacra-rium. In der Mitte stand ein Podest mit einem reichverzierten, leeren Stuhl, der auf König Oswiu zu warten schien. Die dicht dahinter stehenden, kleineren Stühle waren bereits von Männern und Frauen besetzt, deren prächtige Kleidung von Reichtum und Einfluß kündete.

Fidelma fiel ein, daß Bruder Taran sich trotz seiner Schwächen als nützlich erweisen könnte, denn vermutlich wußte er bestens über all diese Leute Bescheid. Schließlich war dies schon seine zweite Mission nach Northumbrien, und er hatte sich stets als Kenner des Landes gerühmt.

«Nichts einfacher als das», antwortete er erwartungsgemäß, als sie auf die Menschen rund um den königlichen Thron deutete und ihn um eine Erklärung bat. «Sie alle gehören zu Oswius engster Familie. Die Dame, die jetzt gerade Platz nimmt, ist die Königin.»

Fidelma betrachtete die Frau, die mit strenger Miene auf dem Stuhl neben dem Thron Haltung einnahm. Ihr Name war Eanflaed, wie Taran ihr bereitwillig mitteilte. Eanflaeds Vater war ein früherer König von Northumbrien gewesen, aber ihre Mutter war eine Prinzessin von Kent. Eanflaed war als kleines Mädchen nach Kent gebracht und dort nach der römischen Lehre erzogen worden. Gleich hinter ihr saß ihr persönlicher Kaplan, Romanus aus Kent, der den Anordnungen Roms strikt Folge leistete und kaum einmal von ihrer Seite wich. Er war ein kleiner, dunkler Mann mit schwarzem, lok-kigem Haar und einem seltsam verschlagenen Gesicht. Außerdem hatte er eng zusammenstehende Augen und schmale Lippen. Gerüchten zufolge, sagte Taran, habe Eanflaed mit Romanus’ Unterstützung König Oswiu so lange zugesetzt, bis dieser sich schließlich gezwungen sah, eine Versammlung einzuberufen und eine Entscheidung zu treffen.

Eanflaed war Oswius dritte Frau, und er hatte sie kurz nach seiner Thronbesteigung vor etwa zwanzig Jahren geheiratet. Seine erste Frau war Rhiainfellt gewesen, eine Prinzessin aus Rheged, wo man den

Lehren und Regeln der Kirche von Iona folgte. Nach Rhiainfellts Tod wurde Fin, Tochter von Colman Rimid, dem Hochkönig von Irland, Oswius zweite Frau.

Fidelma war erstaunt. Von Oswius Verbindung zum Hochkönig hatte sie nichts gewußt.

«Ist Oswius zweite Frau ebenfalls gestorben?» fragte sie.

Diesmal war es Schwester Gwid, die ihr antwortete.

«Oswiu und Fin wurden geschieden», sagte sie, nicht ohne Genugtuung. «Fin erkannte immer deutlicher, wie sehr sie Northumbrien und Oswiu haßte. Oswiu und sie hatten einen Sohn namens Aldfrith, den sie mit zurück nach Irland nahm. Er wurde in dem von Comgall, dem Freund Columcilles, gegründeten Kloster in Bangor erzogen. Heute ist er ein berühmter Dichter, der unter dem Namen Flann Fina Verse in irischer Sprache verfaßt. Was den Thron von Northumbrien betrifft, hat Aldfrith auf alle Ansprüche verzichtet.»

Schwester Fidelma schüttelte den Kopf.

«Wie ich gehört habe, gibt es bei den Sachsen die unsinnige Regel, daß der erstgeborene Sohn immer auch der Erbe ist. Ist dieser Aldfrith denn der Erstgeborene?»

Schwester Gwid zuckte mit den Schultern, doch Taran zeigte auf das Podium. «Seht Ihr den jungen Mann, der gleich hinter Eanflaed sitzt, der mit den blonden Haaren und der Narbe im Gesicht?»

Fidelma sah ihn und fragte sich, warum sie sogleich eine tiefe Abneigung gegen den jungen Mann verspürte.

«Das ist Alhfrith, Oswius Sohn von Rhiainfellt, seiner ersten Frau, der jetzt als Unterkönig in der südlichen Provinz Deira regiert. Vielleicht erinnert Ihr Euch, wir haben gestern erst von ihm gesprochen. Es heißt, daß er ein Anhänger Roms ist und gegen die Verbindung seines Vaters zu Iona aufbegehrt. Er hat die Mönche, die sich zu den Lehren Columcilles bekannten, aus Ripon vertrieben und das Kloster seinem Freund Wilfrid übergeben.»

«Und Wulfric von Frihop ist seine rechte Hand», murmelte Fidelma. Alhfrith wirkte mißmutig und ungebärdig. Allein die anmaßende Art, wie er sich auf seinem Stuhl flegelte, erregte Fidelmas Widerwillen.

Die finster dreinblickende Frau neben Alhfrith war offenbar seine Frau Cyneburh, die noch immer verbitterte Tochter des Königs Penda von Mercia, der in der Schlacht von Oswiu getötet worden war. Neben ihr saß mit ebenso verdrießlichem Gesicht Alhflaed, die Schwester Alhfriths, die Peada, den Sohn Pendas von Mercia, geehelicht hatte. Er habe gehört, erklärte ihr Taran aufgeregt, daß Alhfrith für Peadas Ermordung verantwortlich sei. Kurz vor seinem Tod habe Peada zugestimmt, Oswiu den Treueeid zu schwören und Unterkönig von Mercia zu werden, aber Alhfrith habe ebenfalls ein begehrliches Auge auf das Königtum Mercia geworfen.

Neben Oswius jetziger Frau Eanflaed saß deren erstgeborener Sohn, Ecgfrith. Mit seinen achtzehn Jahren war er ein mürrischer, grüblerischer junger Mann. Seine dunklen Augen schweiften rastlos durch den Raum, und er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Taran sagte, Ecgfrith habe es sich zum Ziel gesetzt, Oswius Thron zu besteigen, und sei von Neid gegen seinen älteren Halbbruder Alhfrith erfüllt, der nach dem Gesetz Thronerbe war. Außer Alhfrith und Ecgfrith war von Oswius Kindern nur noch Aelflaed zugegen. Sie war in dem Jahr zur Welt gekommen, als Os-wiu seinen großen Sieg über Penda errungen hatte. Ihre Eltern brachten sie Gott als Dankopfer dar und übergaben sie Äbtissin Hilda, die sie in Streo-neshalh als eine dem Herrn geweihte Jungfrau aufziehen sollte.

Bruder Taran erzählte Fidelma, daß Oswiu zwei weitere Kinder hatte - Osthryth, eine fünf Jahre alte Tochter, und Aelfwine, einen drei Jahre alten Sohn. Diese Kinder waren aber noch zu klein, um bei der Versammlung anwesend zu sein.

Schwester Fidelma unterbrach Tarans unermüdlichen Redefluß.

«Sehr viel mehr werde ich mir wohl auf einmal nicht merken können. Während der Debatte werde ich bestimmt noch mehr über die Anwesenden erfahren. Ich bin nur erstaunt, wie viele Menschen hier sind.»

Bruder Taran nickte selbstgefällig.

«Es ist eine wichtige Versammlung, Schwester. Nicht nur das Königshaus von Northumbrien ist anwesend. Domangart von Dal Riada und Drust, der König der Pikten, sind ebenfalls gekommen. Zahlreiche andere Könige haben Prinzen und Abgesandte geschickt: Cenwealh von Wessex, Eorcen-breht von Kent, Wolfhere von Mercia und ...»

«Genug!» wehrte Fidelma ab. «All diese fremden sächsischen Namen werde ich sowieso nie behalten. Ich werde Euch fragen, wenn ich noch etwas wissen will.»

Einen Augenblick saß Fidelma schweigend da und ließ ihre Blicke über das Meer von Gesichtern schweifen. Dann öffnete sich die große Tür, und ein Mann mit einer großen Fahne trat herein. Wie Taran ihr sogleich zuflüsterte, war dies thuff, die Standarte des Königs, die ihm stets vorausgetragen wurde. Und dann kam auch schon ein hochgewachsener und muskulöser, gutaussehender Mann mit flachsblondem Haar und langem Schnurrbart herein. Er trug prächtig geschmückte Kleider und einen goldenen Reif auf dem Kopf.