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Alhfrith errötete. Offenbar wußte er nicht, was er darauf erwidern sollte.

In diesem Augenblick ergriff Bruder Eadulf zum erstenmal das Wort.

«Schwester Fidelma hat recht. Niemand hat Euer Wort in Frage gestellt, weil Ihr kein Zeuge seid und daher auch nicht bestätigen könnt, was dieser Mann gesagt hat.»

Fidelma verbarg ihr freudiges Erstaunen darüber, daß der sächsische Mönch für sie in die Bresche sprang. Sie wandte sich zu Äbtissin Hilda um.

«An unserem Auftrag, in dieser Angelegenheit zu ermitteln, hat sich nichts geändert, Mutter Oberin, außer daß wir jetzt einen Verdächtigen haben. Seht Ihr das nicht auch so?»

Äbtissin Hilda stimmte zu, auch wenn es ihr sichtlich unangenehm war, sich gegen ihren jungen Verwandten stellen zu müssen.

Alhfrith stöhnte verärgert auf. «Das ist die reinste Zeitverschwendung. Die Irin wurde von einem ihrer Landsleute getötet. Je eher diese Nachricht verkündet wird, desto besser. Zumindest wird es den Gerüchten und ungerechtfertigten Anschuldigungen ein Ende setzen, daß sie von einem Anhänger Roms getötet wurde, damit sie bei der Eröffnung der Synode nicht das Wort ergreifen kann.»

«Wenn diese Nachricht der Wahrheit entspricht, wird sie auch verkündet werden», versicherte ihm Fidelma. «Erst einmal müssen wir jedoch klären, ob es sich überhaupt um die Wahrheit handelt.»

«Vielleicht», beeilte sich Bruder Eadulf hinzuzufügen, als der sächsische Prinz drohend die Stirn runzelte, «könnt Ihr uns sagen, wer die Zeugen sind und unter welchen Umständen der Verdächtige verhaftet wurde?»

Alhfrith zögerte.

«Wulfric, einer meiner Thane, hörte, wie der Mann auf dem Markt damit prahlte, er habe Etains Tod vorausgesagt. Er fand drei Leute, die bereit sind, unter Eid auszusagen, sie hätten den Bettler

Etains Tod prophezeien hören, noch ehe ihre Leiche entdeckt worden war. Der Bettler wurde festgenommen und muß mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen rechnen, weil er es wagte, Gottes Gesetz zu verhöhnen und sich als allwissender Prophet auszugeben.»

Fidelma sah Alhfrith von Deira offen ins Gesicht.

«Ihr habt den Mann bereits verurteilt, ehe er überhaupt gehört worden ist?»

«Ich habe ihn gehört, und ich habe ihn zum Tod durch das Feuer verurteilt!» versetzte Alhfrith.

Schwester Fidelma öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Eadulf schnitt ihr das Wort ab.

«Das steht in Übereinstimmung mit unseren Sitten und Gesetzen, Fidelma.»

Fidelmas Augen waren kalt.

«Ausgerechnet Wulfric», sagte sie mit gepreßter Stimme. «Ich habe diesen Wulfric von Frihop bereits auf dem Weg nach Streoneshalh kennengelernt. Er hat einen Bruder Columbans einzig und allein zu seinem Vergnügen an einem Straßenbaum aufgeknüpft. Gegen einen Einwohner unseres Landes und einen Anhänger unseres Glaubens würde er wahrlich einen guten Zeugen abgeben.»

Alhfrith riß die Augen auf, und sein Mund öffnete sich, aber es kam kein Laut heraus. Fidelmas Unverfrorenheit hatte ihm die Sprache verschlagen.

Äbtissin Hilda hatte sich unruhig von ihrem Stuhl erhoben. Selbst Bruder Eadulf wirkte verstört.

«Schwester Fidelma!» Hilda war die erste, die ihre Sprache wiederfand. «Ich weiß, daß es Euch mitgenommen hat, Bruder Aelfric von Lindisfarne tot an einem Baum hängen zu sehen, doch wie ich Euch schon sagte, die Sache wird untersucht.»

«Schön», erwiderte Fidelma. «Allerdings wird sich diese Untersuchung unweigerlich auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen namens Wulfric stützen, obwohl der Than von Frihop in dieser Sache kaum als zuverlässig gelten kann. Ihr habt noch drei andere Zeugen genannt. Sind sie unabhängig, oder hat der Than sie sich durch Drohung oder Bestechung gefügig gemacht?»

Als Alhfrith die Bedeutung ihrer Frage begriff, verfinsterte sich sein Gesicht, und seine Augen funkelten vor Zorn.

«Ich habe nicht die Absicht, hierzubleiben und mich von einer . Frau beleidigen zu lassen, ganz egal, welchen Rang sie bekleidet», fauchte er. «Stünde sie nicht unter dem besonderen Schutz meines Vaters, würde ich sie für ihre Frechheit auspeitschen lassen. Und was den irischen Bettler betrifft, wird er morgen bei Tagesanbruch auf dem Scheiterhaufen brennen.»

«Ob er schuldig ist oder nicht?» gab Fidelma hitzig zurück.

«Er ist schuldig.»

«Hoheit», Bruder Eadulfs ruhige Stimme ließ den Vizekönig von Deira auf dem Weg zur Tür innehalten. «Hoheit, es mag ja sein, wie Ihr sagt, nämlich daß der Bettler schuldig ist. Aber wir sollten auf jeden Fall mit unserer Untersuchung fortfahren dürfen. Es handelt sich um eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit. Unser Auftrag kommt direkt vom König, Eurem Vater. Die Augen der Christenheit richten sich auf Witebia, und es steht viel auf dem Spiel. Die Schuld des Mörders muß ohne jeden Zweifel bewiesen sein, sonst kann es leicht geschehen, daß ein Krieg das Königreich verheert und Northumbrien Raub und Plünderung zum Opfer fällt. Nicht nur aus diesem Grund haben wir die Pflicht, Eurem Vater, dem König, zu gehorchen.»

Den letzten Satz hatte er besonders nachdrücklich gesprochen.

Alhfrith blieb stehen und blickte, Schwester Fidelma geflissentlich übersehend, erst Bruder Eadulf und dann Äbtissin Hilda an. «Ihr habt bis zur Morgendämmerung Zeit zu beweisen, daß der Bettler unschuldig ist ... Wenn Euch das nicht gelingt, wird er sterben. Und haltet die Frau im Zaum.» Er deutete auf Fidelma, ohne sie anzusehen. «Meine Geduld hat ihre Grenzen.»

Mit diesen Worten ging er hinaus und ließ die Tür laut hinter sich ins Schloß fallen.

Äbtissin Hilda sah Fidelma vorwurfsvoll an.

«Schwester, Ihr scheint zu vergessen, daß Ihr nicht in Eurem Land seid und wir andere Sitten und Gesetze haben.»

Schwester Fidelma senkte den Kopf.

«Ich werde mein Bestes tun, mich daran zu erinnern, und hoffe, daß Bruder Eadulf mir mit seinem Rat zur Seite stehen wird, wenn ich im Unrecht bin. Mein oberstes Ziel ist es jedoch, die Wahrheit zu ergründen. Der Wahrheit gebührt mehr Respekt als den Prinzen.»

Die Äbtissin seufzte tief. «Ich werde König Oswiu über die neuesten Entwicklungen unterrichten. In der Zwischenzeit mögt Ihr mit Eurer Untersuchung fortfahren. Aber denkt daran, Alhfrith ist König von Deira, der Provinz, zu der nun einmal auch diese Abtei gehört, und das Wort eines Königs ist und bleibt Gesetz.»

Im Gang vor dem Gemach der Äbtissin blieb Bruder Eadulf stehen und sah Fidelma an. In seinem Lächeln lag auch ein gewisses Maß an Bewunderung.

«Äbtissin Hilda hat recht, Schwester. Bei unseren sächsischen Prinzen kommt Ihr nicht weit, wenn Ihr ihre überlegene Stellung nicht anerkennt. Ich weiß, in Irland ist es anders, aber Ihr seid jetzt in Northumbrien. Jedenfalls habt Ihr dem jungen Alhfrith reichlich Stoff zum Nachdenken gegeben. Er scheint jedoch ein äußerst nachtragender junger Mann zu sein. Ihr tätet gut daran, Euch vorzusehen.»

Fidelma erwiderte sein Lächeln.

«Ihr müßt mir sagen, wenn ich etwas falsch mache, Bruder Eadulf. Aber es ist schwer, jemanden wie Alhfrith zu mögen.»

«Könige und Prinzen kommen nicht auf den

Thron, um gemocht zu werden», erwiderte Eadulf. «Welchen Schritt wollt Ihr als nächstes unternehmen?»

«Ich würde gern mit dem Bettler sprechen», erwiderte sie prompt. «Wollt Ihr zu dem Medikus gehen, um seinen Bericht über die Autopsie entgegenzunehmen, oder möchtet Ihr mich begleiten?»

«Ich habe das Gefühl, daß Ihr mich brauchen könntet», antwortete Eadulf ernst. «Ich traue diesem Alhfrith nicht.»

Kurz darauf trafen sie Schwester Athelswith, die ihnen berichtete, Bruder Edgar habe die Untersuchung vorgenommen, aber nichts weiter gefunden. Die Leiche sei in die Katakomben der Abtei gebracht worden, um später dort bestattet werden zu können.