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«Trotzdem sollten wir mit ihr sprechen. Schwester Athelswith sagte, Etain und Gwid hätten sich heftig gestritten. Worum mag es dabei gegangen sein?»

Die von Schwester Athelswith erwähnte Auseinandersetzung hatte Fidelma vergessen.

Inzwischen waren sie beim officium des Gästehauses angekommen. Schwester Athelswith saß am Tisch und beugte sich über ihre Wirtschaftsbücher.

«Wir würden uns gerne ungestört mit einigen Leuten unterhalten, Schwester», erklärte ihr Fidelma freundlich. «Mit Eurer Erlaubnis werden wir Euer officium dafür benutzen. Ich bin sicher, Ihr werdet dagegen keine Einwände haben?»

Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte Schwester Athelswith jede Menge Einwände, aber sie wußte, daß Fidelma und Eadulf unter dem besonderen Schutz von Äbtissin Hilda standen. Also seufzte sie nur und schlug ihre Bücher zu.

«Dürfen wir Euch außerdem bitten, uns dabei zu helfen, diese Leute herzurufen?» fragte Eadulf und schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln.

Die ältere Schwester schnaufte in dem vergeblichen Versuch, ihr Mißfallen über die Unterbrechung ihrer täglichen Aufgaben zu verbergen.

«Wie Ihr wünscht, Bruder. Wenn ich Euch damit behilflich sein kann, werde ich es gerne tun.»

«Sehr gut», lächelte Fidelma freundlich. «Dann bringt uns doch als erstes Schwester Gwid. Ich nehme an, daß sie in ihrem dormitorium ist.»

Kurze Zeit später trat das schlaksige Mädchen herein. Offenbar hatte Schwester Gwid ihre Gefühle inzwischen besser im Griff, ihre Augen waren jedoch noch immer vom Weinen gerötet. Mit dem hilflosen Blick eines verirrten Kindes sah sie Fidelma und Eadulf an.

«Wie fühlt Ihr Euch heute morgen, Schwester?» fragte Fidelma und deutete auf einen freien Stuhl.

Gwid senkte den Kopf und setzte sich.

«Ich möchte mich für meinen Gefühlsausbruch entschuldigen», erwiderte sie. «Etain war meine Freundin. Die Nachricht ihres Todes hat mich schwer erschüttert.»

«Und doch werdet Ihr Euer Bestes tun, um uns behilflich zu sein?» Fidelmas Tonfall klang fast schmeichlerisch. Schwester Gwid zuckte die Achseln, und Eadulf hatte das Gefühl, ihr erklären zu müssen, mit welchen Aufgaben und Befugnissen sie betraut waren.

«Leider kann ich Euch nur wenig sagen», meinte Schwester Gwid schon ein wenig zugänglicher. «Ihr werdet Euch daran erinnern, Schwester Fidelma, daß ich mit Euch im sacrarium war und auf die Eröffnung der Debatte wartete, als die Nachricht vom Tod der Äbtissin eintraf.»

«Gewiß», stimmte Fidelma zu. «Aber Ihr wart ihre Sekretärin und habt sie gestern morgen noch in ihrem cubiculum gesehen.»

«Ja, das stimmt», bestätigte Gwid und fügte mit plötzlich sehr heftiger Stimme hinzu: «Ich hoffe inständig, Ihr werdet den Unhold finden, der sie getötet hat!»

«Deshalb sind wir hier», schaltete sich Bruder Eadulf ein, «und müssen Euch einige Fragen stellen.»

Mit einer linkischen Geste, welche ihre derben Hände noch betonte, forderte sie ihn auf, mit der Vernehmung zu beginnen.

«Fragt nur.»

Fidelma wechselte einen Blick mit Eadulf. Offenbar wollte sie ihm den ersten Schritt überlassen. Der Sachse lehnte sich über den Tisch und sah Schwester Gwid eindringlich an.

«Es heißt, Ihr hättet Euch gestern mit Etain vor deren cubiculum gestritten.»

«Etain war meine Freundin», erwiderte Gwid verlegen.

«Habt Ihr Euch gestritten?» hakte Eadulf nach.

«Nein!» antwortete Gwid, ohne zu zögern. «Etain war ... war bloß verärgert über mich, weil ich bei der Vorbereitung ihrer Rede für die Debatte etwas vergessen hatte. Das ist alles.»

Es leuchtete ein, daß Etain vor der Begegnung mit Wilfrid reizbar und aufbrausend gewesen war.

«Ihr stammt aus dem Land der Pikten?»

Fidelma war erstaunt über Eadulfs plötzlichen Themawechsel.

Auch Schwester Gwid schien überrascht.

«Aus dem Land der Cruthin, die ihr Pikten nennt. Diese Bezeichnung geht auf einen lateinischen Spitznamen zurück und bedeutet <die Angemalten»», erwiderte sie schließlich in schulmeisterlichem Ton. «In früheren Zeiten hatten unsere Krieger nämlich die Angewohnheit, sich zu bemalen, ehe sie in die Schlacht zogen - eine Sitte, die es inzwischen schon lange nicht mehr gibt. Ich kam zur Welt, als Garnait, der Sohn Foths, in Cruthin regierte und Herrschaft über die Könige von Strath-Clotha gewann.» Fidelma konnte sich ein Lächeln über den Heimatstolz des Mädchens nicht verkneifen.

«Aber nicht alle Pikten sind Christen», bemerkte Eadulf.

«Ebensowenig wie alle Sachsen», gab Gwid zurück.

«Gewiß, gewiß. Ihr wurdet in Irland ausgebildet?»

«Ja. Ich war zuerst im Kloster Iona, dann ging ich nach Irland, um in Emly zu studieren, und kehrte anschließend nach Iona zurück. In Emly war Etain meine Lehrerin.»

«Und?» mischte sich Fidelma ein. «Wie lange hat Etain Euch unterrichtet?»

«Nur drei Monate. Sie lehrte Philosophie unter Rodan dem Weisen. Dann kam von ihrem Mutterhaus in Kildare die Nachricht, daß Äbtissin Ita gestorben und sie zu deren Nachfolgerin gewählt worden sei. Nachdem Etain nach Kildare zurückgekehrt war, habe ich sie nur noch einmal wiedergesehen.»

«Und wann war das?» fragte Eadulf.

«Als ich meine Studien bei Rodan beendet hatte und nach Bangor zurückreiste, um mit dem Schiff nach Iona überzusetzen. Damals bat ich in Kildare um Herberge.»

«Und wie kam es zu der Entscheidung, daß Ihr während der Synode Äbtissin Etain als Sekretärin zur Seite stehen sollt?» bohrte Eadulf weiter.

«Äbtissin Etain wußte von meinen Fähigkeiten als Dolmetscherin. Schließlich war ich fünf Jahre lang als Gefangene in Northumbrien, ehe Finan von Lindisfarne mich befreien und in mein Heimatland zurückschicken konnte. Außerdem kann ich Griechisch und deshalb die Evangelien ohne Schwierigkeiten in dieser Sprache zitieren. Aus diesen Gründen hat Etain mich zu ihrer Sekretärin bestimmt.»

«Ich habe nicht gefragt, warum Ihr bestimmt wurdet, sondern wie.»

«Das weiß ich selbst nicht. Ich wartete in Bangor auf mein Schiff, als die Botschaft mich erreichte. Es hieß, ich sollte zur Synode von Witebia kommen, um Etain als Sekretärin zu dienen. Dazu war ich natürlich nur allzugern bereit. Tags darauf segelte ich nach Iona, wo ich Euch traf, Schwester Fidelma. Bruder Taran sammelte gerade einige Brüder und Schwestern für die Reise nach Northumbrien, und wir beide haben uns angeschlossen.»

Schwester Fidelma nickte. «Und wann habt Ihr Äbtissin Etain zum letztenmal lebend gesehen?» fragte sie.

Schwester Gwid legte die Stirn in nachdenkliche Falten, während sie die Antwort auf Fidelmas Frage erwog.

«Nach dem Mittagsmahl, dem prandium, eine Stunde nach dem mittäglichen Angelus. Die Äbtissin, die mit Äbtissin Hilda und Bischof Colman gespeist hatte, bat mich, sie zu ihrem cubiculum zu begleiten.»

«Das war also nach Eurem Streit?» hakte Fidelma nach.

«Ich sagte doch schon, es hat keinen Streit gegeben», versetzte Gwid ärgerlich. «Außerdem war Etain alles andere als nachtragend. Sie war eine äußerst gütige Frau.»

«Aus welchem Grund bat sie Euch, nach dem Mittagsmahl zu ihr zu kommen?» fragte Eadulf.

«Um die bevorstehende Debatte zu erörtern», antwortete Gwid. «Wie Ihr wißt, sollte Etain für die Kirche Columbans die Eröffnungsrede halten. Sie wollte mit mir ihre Rede durchgehen und vor allem über die Äußerungen der Apostel sprechen, die sie zitieren wollte, um die Sachsen von unserer Sache zu überzeugen. Ihr Griechisch wies so manche Lücke auf.»

«Und wie lange wart Ihr bei ihr?» fragte Fidelma.

«Eine Stunde. Nicht länger als eine Stunde. Wir sprachen über die Zitate, mit denen sie ihre Begründung untermauern wollte. Und für den Fall, daß es in diesem Zusammenhang irgendwelche Zweifel geben sollte, stand ich als Übersetzerin bereit.»