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«Wie wirkte sie auf Euch, als Ihr sie verlassen habt?» fragte Eadulf und rieb mit dem Zeigefinger seine Nasenspitze.

Gwid runzelte die Stirn.

«Was meint Ihr damit.»

«War sie ängstlich oder aufgeregt? Wie war sie gestimmt?»

«Sie wirkte ruhig. Natürlich war sie in Gedanken sehr mit der bevorstehenden Debatte beschäftigt, aber im großen und ganzen war es nicht anders als damals in Emly, wenn sie sich auf ein Tutorium vorbereitete.»

«Sie drückte keine Besorgnis aus? Machte keine Andeutungen, daß sie seit ihrer Ankunft bedroht worden sei?»

«Ah, Ihr wollt auf Drohungen der Anhänger Roms hinaus? Etain erzählte mir, sie sei ein paarmal von einem römischen Bruder beleidigt worden. Von Athelnoth. Aber er ...»

Gwid biß sich auf die Lippen.

Fidelmas Augen flackerten wachsam auf.

«Ihr wolltet etwas sagen, Schwester?» Ihre Stimme klang ruhig, aber eindringlich.

Gwid schaute verlegen zu Boden.

«Nein, nichts. Etwas ganz Persönliches und Unbedeutendes.»

Eadulf blickte streng.

«Das Urteil darüber, was bedeutend oder unbedeutend ist, könnt Ihr getrost uns überlassen. Was wolltet Ihr sagen?»

«Athelnoth hegte einen Groll gegen Etain.»

«Und warum?» drängte Fidelma, die deutlich spürte, wie unangenehm es dem jungen Mädchen war, über diese Sache zu sprechen.

«Es ist nicht schicklich, daß ich auf diese Weise von der toten Äbtissin spreche.»

Eadulf stöhnte.

«Aber Ihr habt doch noch gar nichts gesagt.»

«Wir wissen, daß Athelnoth sich nicht nur der Sache Roms verschrieben hat, sondern auch denkt, daß die Northumbrier allen anderen Völkern überlegen sind», fügte Fidelma hinzu, die sich daran erinnerte, was Etain ihr an ihrem ersten Abend in Streoneshalh berichtet hatte.

Gwid errötete leicht.

«Bei diesem Groll ging es eher um persönliche als um theologische Unstimmigkeiten.»

Fidelma war überrascht.

«Das werdet Ihr uns erklären müssen. Was meint Ihr mit persönlichen Unstimmigkeiten»?»

«Ich glaube, daß Athelnoth der Äbtissin den Hof gemacht hat.»

Es trat eine kurze Stille ein.

Schwester Fidelmas Lippen spitzten sich zu einem stummen Pfiff. Etain war unbestritten eine äußerst gutaussehende Frau gewesen, und sie hatte sich nicht dem Zölibat verschrieben. Im Gegenteil, Etain war männlicher Verehrung nicht abhold. Fidelma dachte an Etains Zukunftspläne und ihren Wunsch, wieder zu heiraten und das Amt in Kildare aufzugeben.

Eadulf schüttelte überrascht den Kopf.

«Seid Ihr Euch da ganz sicher, Schwester Gwid?»

Die junge Piktin zuckte mit den breiten Schultern - eine Geste, die zugleich Unsicherheit als auch Schicksalsergebenheit auszudrücken schien.

«Ich kann nicht behaupten, daß ich mir ganz sicher wäre. Ich weiß nur, daß Etain eine große Abneigung gegen ihn empfand und mir sagte, unter gewissen Umständen wäre sie einigen der neuen Lehren Roms durchaus nicht abgeneigt.»

«Und was hat sie Eurer Meinung nach damit gemeint?»

«Ich glaube, sie meinte damit die Lehre vom Zölibat, Bruder», antwortete Gwid beschämt.

«Wußtet Ihr, daß Äbtissin Etain vorhatte, nach der Synode von ihrem Amt als Äbtissin von Kildare zurückzutreten?» platzte Fidelma plötzlich heraus. «Wußtet Ihr, daß sie darüber nachdachte, einen Ehemann zu nehmen .?»

«Wann hat Etain diese Bemerkung über den Zölibat gemacht?» unterbrach sie Eadulf.

Fidelma strafte ihn mit einem wütenden Seitenblick. Er hatte die Möglichkeit einer unüberlegten Antwort zunichte gemacht. Die junge Piktin rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum.

«Wir sprachen darüber, was sie entgegnen sollte, falls die römische Seite ihre üblichen Argumente für den Zölibat vorbrachte. Viele von ihnen sind der Ansicht, daß es keine Doppelhäuser geben sollte und daß alle Geistlichen, Nonnen und Mönche, ja sogar Bischöfe ein Keuschheitsgelübde ablegen müßten. In diesem Zusammenhang kam es zu der genannten Bemerkung. Ich hatte keine Ahnung, daß Etain selbst an eine Eheschließung dachte und Kildare aufgeben wollte.» Gwid runzelte die Stirn. «Und das wäre auch ein großes Unrecht gewesen.»

«Unrecht?»

«Wäre es denn keine Sünde, wenn eine Frau mit Etains Fähigkeiten ihr Amt aufgeben würde, um mit einem Mann zusammenzuleben? Vielleicht war ihr Tod eine Art Absolution von der Sünde, die mit dieser verwerflichen Absicht verbunden war.»

Fidelma sah sie eindringlich an.

«Woher wußtet Ihr, daß sie Athelnoth meinte, als sie ihre Bemerkung machte? Und wie kamt Ihr darauf, daß der Sachse ein Auge auf sie geworfen hatte?»

«Weil Athelnoth uns bei der Vorbereitung der Debatte störte und darum bat, allein mit Etain sprechen zu dürfen. Etain sagte ihm, sie sei beschäftigt, also ging er wieder fort. Zufällig hatten wir gerade über den Zölibat gesprochen. Soweit ich mich erinnern kann, sagte sie: <Solange ein Mann wie dieser Athelnoth eine Frau einfach nicht in Ruhe läßt, bin ich einigen der neuen Lehren Roms gar nicht so abgeneigt» - oder etwas Ähnliches.»

«Und Ihr seid Euch sicher, daß sie das nicht bloß ganz allgemein sagte, sondern damit andeuten wollte, daß Athelnoth tatsächlich Annäherungsversuche unternommen hatte?» fragte Eadulf.

Schwester Gwid zuckte die Achseln.

«Bei mir ist jedenfalls der deutliche Eindruck entstanden, daß Athelnoth der Äbtissin nachgestellt hat.»

Es trat Stille ein, während Fidelma und Eadulf über die Bedeutung von Schwester Gwids Worten nachdachten.

Nach einer Weile brach Fidelma schließlich das Schweigen.

«Und hat Etain im Zusammenhang mit einer Bedrohung durch die römische Seite noch eine andere Person oder einen Vorfall erwähnt?»

«Nein, sie hat nur über Athelnoth gesprochen.»

«Also, gut. Vielen Dank, Schwester. Es tut uns leid, wenn wir Euren Kummer noch vergrößern mußten.»

Schwester Gwid erhob sich und ging zur Tür.

«Übrigens ...»

Fidelmas Stimme ließ sie innehalten ...

«. Ihr scheint andeuten zu wollen, daß eine Eheschließung zwischen Glaubensbrüdern und -schwestern etwas Verwerfliches oder gar Sündiges sei. Wie steht Ihr zur Debatte über den Zölibat in der Kirche?»

«Ich halte es mit den Worten des heiligen Paulus von Tarsus und den Lehren Maighanns, des Abts von Kilmainham. Laßt die Geschlechter im

Dienst des Allmächtigen einander nicht durch niedere Fleischeslust entweihen!»

Eadulf wartete, bis Gwid gegangen war, ehe er Schwester Fidelma verärgert anfuhr:

«Wenn Ihr mit mir zusammenarbeiten wollt, Schwester, dürft Ihr mir so etwas Wichtiges nicht vorenthalten.»

Fidelma wollte schon im gleichen Tonfall antworten, hielt sich jedoch vor Augen, daß Eadulf mit Recht wütend auf sie war. Sie hatte Etains Entscheidung, ihr Amt aufzugeben und zu heiraten, nicht erwähnt. Sie hatte es einfach nicht für wichtig erachtet und war auch jetzt noch nicht davon überzeugt, daß es von Bedeutung war. Sie seufzte tief.

«Es tut mir leid. Ich war mir nicht sicher, ob Etains persönliche Überlegungen überhaupt Einfluß auf unsere Untersuchung haben. Etain hat mir am Vorabend ihres Todes davon erzählt.»

«Und wen wollte sie heiraten?»

«Jemanden, den sie in Irland kennengelernt hat, nehme ich an. Sie hatte vor, nach Kildare zurückzukehren und ihr Amt niederzulegen. Anschließend wollte sie wohl in einem Doppelhaus leben und wie zuvor in Emly als Lehrerin tätig sein.»

«Und Ihr wißt wirklich nicht, wer ihr Bräutigam war?»

«Sie wollte es mir nicht sagen. Aber was sollte das hier, in Northumbrien, auch schon für eine Rolle spielen?»