Выбрать главу

Eadulf biß sich auf die Lippe und schwieg eine Weile.

«Es fällt mir schwer, das zu glauben», sagte er plötzlich.

Fidelma hob die Augenbrauen.

«Was meint Ihr?»

«Die Sache mit Athelnoth. Er steht in dem Ruf, ein besonders hochmütiger Mann zu sein, hält alle anderen Völker für unterlegen und ist ein glühender Anhänger Roms. Warum sollte ausgerechnet er ein Auge auf Äbtissin Etain werfen?»

«Ist er nicht dennoch ein Mann?» entgegnete Fidelma spöttisch.

Eadulf spürte, wie seine Wangen zu glühen begannen.

«Gewiß . Aber trotzdem .»

«Etain war eine sehr gutaussehende Frau», erklärte Fidelma. «Trotzdem kann ich Euren Einwand verstehen. Aber manchmal ziehen sich Gegensätze eben an.»

«Das stimmt», nickte Eadulf. «Ihr habt Schwester Gwid auf Eurer Reise kennengelernt. Können wir Ihrer Beobachtungsgabe trauen? Oder kann es sein, daß sie Etains Äußerung über Athelnoth falsch gedeutet hat?»

«Gwid ist ein ziemlich geschicktes Mädchen. Und sie ist eifrig darum bemüht, es allen recht zu machen. Aber in ihrem unbeholfenen Körper steckt ein scharfer Geist. Und sie legt einen großen Wert auf Einzelheiten, der manchmal schon an Pedanterie grenzt. Was sie sagt, müssen wir unbedingt ernst nehmen.»

«Dann sollten wir uns wohl als nächstes mit diesem Athelnoth befassen», schlug Bruder Eadulf vor.

X

SCHWESTER ATHELSWITH KEHRTE MIT

der Nachricht zurück, daß Athelnoth im sacrarium der Debatte beiwohne und sie ihn unmöglich holen könne, ohne die gesamte Synode zu stören. Fidelma und Eadulf beschlossen, die Zeit damit zu überbrücken, daß sie ebenfalls ins sacrarium gingen und eine Weile dem Disput lauschten. Offenbar hatte Bischof Colman anstelle von Äbtissin Etain mit einer kurzen, schnörkellosen Zusammenfassung der Lehren Ionas die Synode eröffnet. Wilfrid hatte auf die nüchterne Rede des Bischofs mit scharfem Spott geantwortet und sich die schlichte Geradlinigkeit seines Gegners zunutze gemacht.

Fidelma und Eadulf blieben an einer Seitentür stehen, wo ihnen die beißenden Weihrauchschwaden am wenigsten in den Augen brannten.

Als sie eintraten, hatte sich gerade ein hochgewachsener, kantiger Mann von seinem Sitz erhoben. Eine auskunftswillige Schwester zu Fidelmas Linken erklärte ihnen, daß dies der ehrwürdige Bischof Cedd sei, der zu den ersten Jüngern Aidans zählte. Cedd sei gerade von einer Mission im Land der Ostsachsen zurückgekehrt, flüsterte ihnen die Schwester zu, und sei dazu bestimmt worden, während der Synode im Bedarfsfall vom Sächsischen ins Irische zu dolmetschen. Cedd sei der älteste von vier Brüdern, die allesamt von Aidan bekehrt worden seien und in der keltischen Kirche Northumbriens eine wichtige Rolle spielten. Chad habe seine Ausbildung in Irland erhalten und sei jetzt Bischof von Lastingham. Caelin und Cynebill, die anderen beiden Brüder, nähmen ebenfalls an der Versammlung teil.

«Was das Datum unserer Osterfeier betrifft», sagte Cedd, «herrscht große Verunsicherung. Eanflaed, unsere gute Königin, begeht sie nach den Regeln Roms, und Oswiu, unser guter König, feiert nach den Lehren Columbans. Wer hat recht, wer hat unrecht? So, wie die Dinge liegen, kann es leicht geschehen, daß der König seine Fastenzeit beendet hat und schon den Ostersabbat begeht, während die Königin und ihr Gefolge noch fasten. Mit dieser Unklarheit können sich vernünftige Menschen nicht zufrieden geben.»

«Wie wahr, wie wahr!» rief der kampfeslustige Wilfrid, ohne sich die Mühe zu machen, von seinem Platz aufzustehen. «Und sie ließe sich sofort beheben, wenn Ihr Euren Irrtum bei der Berechnung des Osterfests endlich eingesteht.»

«Eine Berechnung, die Anatolius, einer der gelehrtesten Männer unserer Kirche, ausdrücklich gebilligt hat», entgegnete Cedd. Auf seinem wettergegerbten, hageren Gesicht traten in Höhe seiner Wangenknochen zwei leuchtende, hellrosa Flecken hervor.

«Anatolius von Laodikeia? Unsinn!» Wilfrid sprang auf und breitete die Arme aus. «Ich habe keinen Zweifel daran, daß Ihr Euch Eure sogenannten kalendarischen Berechnungen erst vor zwei Jahrhunderten auf Euren einsamen Inseln ausgedacht habt. Roms Berechnungen dagegen wurden sorgfältig ausgearbeitet und gehen auf Vik-torius von Aquitanien zurück.»

«Viktorius!» Ein sonnengebräunter, kaum mehr als dreißig Jahre alter Mann aus den Reihen der Anhänger Columbans schnellte von seinem Sitz. Er hatte blondes Haar, und seine Miene war äußerst angespannt. «Jedes Kind weiß, daß diese Berechnungen auf einem Irrtum beruhen.»

Die auskunftsfreudige Schwester beugte sich zu Fidelma.

«Das ist Cuthbert von Melrose. Er ist dort Prior, seitdem unser seliger Bruder Boisil gestorben ist. Cuthbert gehört zu unseren besten Rednern.»

«Auf einem Irrtum?» schnaubte Wilfrid ärgerlich. «Diesen Irrtum müßt Ihr uns erklären.»

«Wir stehen zu den Berechnungen, auf die sich die Synode von Arles geeinigt hat, und halten es mit unserem Osterfest wie die frühesten Christen», erwiderte Cuthbert. «Rom ist im Irrtum. Rom hat sich von der ursprünglichen Datierung des Oster-fests entfernt, indem es die von Viktorius aufgestellten Behauptungen übernahm. Dieser Viktorius von Aquitanien hat aber nichts anderes getan, als in der Amtszeit von Papst Hilarius ein paar Veränderungen durchzusetzen. Er hat nicht einmal gründliche Berechnungen angestellt.»

«Jawohl», pflichtete ihm Äbtissin Abbe von Col-dingham, Oswius Schwester, bei. «Und hat Dionysius Exiguus während des Pontifikats Felix’ III.

nicht noch weitere Veränderungen eingeführt? Die ursprünglichen Regeln für die Bestimmung des Osterfests, über die in Arles völlige Übereinstimmung herrschte, sind in den letzten dreihundert Jahren von Rom mehrfach abgewandelt worden. Wir dagegen halten an der Berechnung fest, auf die man sich in Arles geeinigt hat.»

«Ihr wagt es, im Angesicht Gottes Unwahrheiten zu verbreiten!» versetzte Agilbert, der fränkische Bischof, aufgebracht.

Es herrschte allgemeiner Aufruhr, bis der ehrwürdige Cedd durch eine Handbewegung zu verstehen gab, daß er noch einmal das Wort zu ergreifen wünschte.

«Brüder und Schwestern, wir sollten uns doch an diesem heiligen Ort in Barmherzigkeit üben. Diejenigen, die gegen die Kirche Columbans zu Felde ziehen, tun dies nicht aus Bosheit, sondern aus reiner Unwissenheit. Auch nach dem Konzil von Arles ist sich die christliche Welt immer in einem einig gewesen, nämlich daß unsere Ostergedenktage auf dem Kalender des Landes beruhen müssen, in dem Christus geboren worden und zum Mann herangereift ist. Unsere Berechnungen müssen sich also zwangsläufig auf den jüdischen Mondkalender stützen, und danach fällt das Passahfest - der Zeitpunkt, an dem unser Heiland gekreuzigt wurde - in den Monat Nisan. Im jüdischen Kalender war dies der siebte Frühlingsmonat, die Zeit, die nach unserer Jahresaufteilung in die

Monate März und April fällt. Deshalb nennen wir unseren Feiertag auch <Pasca>, einen Namen, den wir vom hebräischen Pesach oder Passah abgeleitet haben. Hat nicht Paulus in seinen Briefen an die Korinther von Christus als ihrem Passahlamm gesprochen, weil allgemein bekannt war, daß er an diesem Festtag gekreuzigt worden ist? Seit jeher fällt das Passahfest an den vierzehnten Tag des Nisan. Aufgrund dieser Berechnung feiern wir das Fest an dem Sonntag, der zwischen dem vierzehnten und zwanzigsten Tag dem ersten Vollmond nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche folgt.»

«Aber Rom hat es für gesetzeswidrig erklärt, ein christliches Fest am gleichen Tag zu feiern, auf den auch ein jüdisches fällt», unterbrach ihn Wilfrid.

«Genau», entgegnete Cedd ruhig. «Und das war völliger Unsinn, hat doch das Konzil von Ni-caea, das auf das Konzil von Arles folgte, es ausdrücklich für gesetzlich erklärt. Christus war im Fleisch ein Jude ...»

Die Versammlung hielt erschrocken den Atem an.