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Vorsichtig tastete sich Fidelma weiter. In dem düsteren Gewölbe war es seltsam zugig. Ein kalter Hauch brachte ihre Kerze immer wieder zum Flakkern. Irgendwo mußte es Gänge ins Freie geben, durch die der Wind in die Katakomben fuhr.

Schließlich verriet ihr der mit unangenehmen Küchendünsten vermischte Weingeruch, daß sie sich dem Weinkeller näherte. Sie blieb stehen und sah sich um. Allerdings war ihr Gesichtsfeld im Schein der Kerze begrenzt.

«Seaxwulf!» rief sie leise. «Seid Ihr hier?»

Wie ein Donnergrollen kam das Echo zu ihr zurück.

Sie hob die Kerze. An den Wänden tanzten unheimliche Schatten.

«Seaxwulf!»

Suchend lief Fidelma zwischen den Fässern hin und her.

Plötzlich merkte sie auf.

Ein dumpfes Geräusch war zu hören. Fidelma lauschte angestrengt, um es näher zu bestimmen. Es klang, als poche jemand auf Holz.

«Seid Ihr das, Seaxwulf?» fragte sie.

Sie bekam keine Antwort, nur das Pochen ging weiter.

Vorsichtig schlich Fidelma zwischen den großen Holzfässern voran. Von Wilfrids mädchenhaftem Sekretär war nichts zu sehen.

Plötzlich wurde ihr klar, woher das Geräusch kam: aus dem Innern eines der Fässer. Fidelma blieb verblüfft stehen.

«Seaxwulf? Seid Ihr dort drin?»

Sollte sich der Mönch in einem Faß versteckt haben?

Das Klopfen war jetzt ganz deutlich zu vernehmen. Fidelma legte eine Hand auf das Holz und spürte, wie es bei jedem Schlag leicht erbebte. Poch. Poch. Poch. Ansonsten herrschte in dem Keller völlige Stille. Fidelma entdeckte einen Holzschemel und schob ihn neben das sechs Fuß hohe Faß. Dank des Möbels konnte sie über den Rand des Fasses spähen.

Fidelma hob die Kerze und sah hinein.

Das Gesicht nach unten, trieb Seaxwulf im roten Wein, der hin- und herschwappte, so daß der Kopf des Toten immer wieder mit einem dumpfen Schlag gegen das Holz gestoßen wurde. Poch. Poch. Poch.

Fidelma erschrak, machte einen Schritt zurück, verlor das Gleichgewicht und rutschte aus. Die Kerze fiel ihr aus der Hand. Verzweifelt versuchte sie, irgendwo Halt zu finden, um den unweigerlichen Sturz zu vermeiden. Dann fiel sie rückwärts. Kurz sprühten Lichtpunkte vor ihren Augen, dann wurde es dunkel um sie.

Am Ende eines langen, düsteren Tunnels hörte Fidelma jemanden leise stöhnen. Sie blinzelte und versuchte, in die Dunkelheit zu spähen. Der Tunnel wurde heller, und langsam dämmerte ihr, daß das ihr eigenes Stöhnen war.

Kurz darauf tauchte verschwommen Bruder Eadulfs besorgtes Gesicht vor ihr auf.

«Fidelma? Hört Ihr mich?»

Sie blinzelte wieder, und das Bild wurde allmählich schärfer. Sie lag in ihrem cubiculum auf dem Bett. Hinter Eadulf konnte sie nun auch die ängstliche Miene der domina erkennen.

«Ja, ich höre Euch», murmelte sie. Ihre Zunge fühlte sich pelzig an. «Ich würde gern etwas Wasser trinken.»

Schwester Athelswith eilte sofort herbei und drückte ihr einen Tonbecher in die Hand.

Das Wasser war kalt und erfrischend.

«Ich bin gestürzt», sagte Fidelma und gab den Becher zurück. Erst dann fiel ihr ein, daß das wahrscheinlich eine ziemlich überflüssige Erklärung war.

Eadulf grinste erleichtert. «Allerdings. Ihr scheint in der apotheca mit einem Schemel umgekippt zu sein. Was um alles in der Welt hattet Ihr dort unten zu suchen?»

Schlagartig kehrte Fidelmas Erinnerung zurück. Sie versuchte, sich aufzusetzen. Ihr Hinterkopf schmerzte.

«Seaxwulf!»

«Was hat Seaxwulf damit zu tun?» fragte Eadulf erstaunt. «Hat er Euch angegriffen?»

Fidelma starrte Eadulf verständnislos an.

«Habt Ihr ihn nicht gesehen?»

Eadulf schüttelte den Kopf.

«Vielleicht ist die gute Schwester verwirrt», warf Schwester Athelswith ein.

Fidelma ergriff die Hand des jungen Mönches.

«Seaxwulf ist ermordet worden. Habt Ihr nicht in das Faß geschaut?» fragte sie aufgeregt.

Wieder schüttelte Eadulf entgeistert den Kopf. Schwester Athelswith schrie erschrocken auf und schlug die Hand vor den Mund.

Fidelma wollte aufstehen, aber Eadulf hielt sie zurück.

«Vorsicht. Möglicherweise seid Ihr verletzt.»

«Es geht mir gut», gab Fidelma zurück. «Wie habt Ihr mich gefunden?»

Es war Schwester Athelswith, die ihre Frage beantwortete.

«Eine von den Schwestern in der Küche hörte einen Schrei aus dem Gewölbe unter der Küche. Sie ging hinunter und fand Euch neben einem der Weinfässer. Sie hat nach mir geschickt, und ich habe Bruder Eadulf gerufen, der Euch in Euer Zimmer gebracht hat.»

Fidelma wandte sich an Eadulf.

«Und Ihr habt nicht in das Faß gesehen? In das Faß, neben dem Ihr mich gefunden habt?»

«Nein. Ich verstehe nicht, was Ihr meint.»

«Dann geht noch einmal hin und schaut es Euch an. Jemand hat Seaxwulf getötet. Er wurde in das Faß gestoßen.»

Ohne ein weiteres Wort erhob sich Eadulf und verließ den Raum. Mit einer gereizten Handbewegung scheuchte Fidelma auch die überbesorgte Schwester Athelswith hinaus. Dann stand sie vom Bett auf und ging zum Tisch, auf dem sich eine Schüssel und ein Krug mit Wasser befanden. Sie spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Noch immer quälte sie ein pochender Kopfschmerz.

«Ihr braucht nicht zu warten, Schwester», sagte sie, als sie sah, daß Schwester Athelswith stumm an der Tür verharrte. «Und kein Wort an irgend jemanden, bis wir es Euch gestatten. Ich werde später nach Euch rufen.»

Sichtlich in ihrem Stolz verletzt, eilte Schwester Athelswith von dannen.

Fidelma stand am Tisch und spürte, wie ihr alles vor Augen verschwamm. Sie sank aufs Bett zurück und rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen.

Wenig später kam Eadulf zurück. Er keuchte. Offenbar war er gelaufen.

«Und?» fragte Fidelma, ehe er Gelegenheit hatte zu sprechen. «Habt Ihr die Leiche gefunden?»

«Nein.» Eadulf schüttelte den Kopf. «In dem Faß war keine Leiche.»

Fidelma sah den Mönch entgeistert an.

«Was?»

«Ich habe in alle Fässer geblickt und nichts gefunden.»

Entschlossen stand Fidelma auf. Ihr Schwindel war vergangen.

«Aber ich habe Seaxwulf mit eigenen Augen gesehen!»

Beruhigend lächelnd sah Eadulf sie an.

«Ich glaube Euch, Schwester. Jemand muß die Leiche fortgeschafft haben, während wir Euch in Euer Zimmer brachten.»

Fidelma seufzte. «Ja. Das ist die einzige Erklärung.»

«Am besten erzählt Ihr mir ganz genau, was geschehen ist.»

Fidelma setzte sich wieder aufs Bett und rieb ihre pochende Stirn, da der Schmerz mit voller Wucht zurückkehrte.

«Ich habe Euch gesagt, Ihr müßt vorsichtig sein», sagte Eadulf vorwurfsvoll. «Tut Euch der Kopfweh?»

«Ja», stöhnte sie gereizt. «Was kann man nach so einem Schlag auch erwarten?»

Er lächelte mitfühlend. «Macht Euch keine Sorgen. Ich gehe in die Küche und lasse Euch einen Trank zubereiten, der Euch helfen wird.»

«Einen Trank? Wollt Ihr mir etwa noch eins von den bitteren Giften verpassen, von denen Ihr behauptet, Ihr hättet sie in Tuaim Brecain kennengelernt?» stöhnte sie.

«Ein Kräuterheilmittel», erwiderte Eadulf grinsend. «Eine Mischung aus Salbei und rotem Klee. Trinkt es, und es wird Eure Kopfschmerzen lindern. Obwohl ich bezweifle, daß Euer Zustand sehr ernst ist, wenn Ihr noch soviel Widerstand leisten könnt.» Er verschwand, kehrte jedoch nach kurzer Zeit schon wieder zurück.

«Das Heilmittel wird gleich kommen. Und jetzt berichtet mir alles der Reihe nach.»

Sie erklärte es ihm in kurzen Worten.

«Ihr hättet mir von Eurem Stelldichein erzählen sollen, ehe Ihr in diese dunklen Katakomben hinuntergestiegen seid», meinte Eadulf tadelnd.