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Schweigen setzte ein, als der Applaus verebbte. Eadulf stieß Fidelma an und deutete auf das Podium. Äbtissin Abbe war aufgestanden und verließ das sacrarium.

In diesem Augenblick erhob sich auch Äbtissin Hilda. «Brüder und Schwestern im Glauben, damit sind die abschließenden Begründungen vorgebracht worden. Nun obliegt es unserem Herrscher, König Oswiu, von Gottes Gnaden Bretwalda all unserer Königreiche, sein Urteil abzugeben und zu entscheiden, welche Kirche, die Kirche Ionas oder die Kirche Roms, in unserem Königreich die Vorherrschaft bekommen soll.»

Sie wandte sich zu Oswiu um. Die gespannten Blicke aller Anwesenden im Saal folgten ihr.

Zu ihrem Erstaunen sah Fidelma, daß der blonde, hochgewachsene König Northumbriens sitzenblieb. Er wirkte unruhig und geistesabwesend. Zögernd ließ er den Blick über die ihm erwartungsvoll zugewandten Gesichter schweifen. Dann erhob er sich endlich von seinem Thron. Sein unnatürlich scharfer Tonfall sollte wohl seine Besorgnis verbergen.

«Ich werde meine Entscheidung morgen mittag verkünden», sagte er knapp.

Mit diesen Worten wandte sich der König ab und verließ das sacrarium. Empörtes Gemurmel erhob sich im Saal. Alhfrith, der Sohn des Königs, sprang auf und folgte seinem Vater. In seinem Gesicht spiegelte sich kaum verhohlener Zorn. Ean-flaed, die Königin, schien besser in der Lage zu sein, ihre Gefühle zu verbergen, aber ihr Lächeln wirkte bitter. Auch Ecgfrith, Oswius zweiter Sohn, hatte

ein gequältes Lächeln auf den Lippen, als er sein Gefolge um sich scharte und das sacrarium verließ.

Kaum hatte sich die Tür hinter der königlichen Familie geschlossen, erhob sich allgemeines Geschrei.

Fidelma warf Eadulf einen kurzen Blick zu und ging zur Tür.

Draußen sagte Eadulf: «Unsere Brüder und Schwestern scheinen wohl eine sofortige Entscheidung erwartet zu haben. Habt Ihr bemerkt, daß Äbtissin Abbe schon vor König Oswius Schlußwort gegangen ist und daß Bruder Taran an der Versammlung überhaupt nicht teilgenommen hat?»

Doch Fidelma war schweigsam und in Gedanken vertieft. Auf dem Weg zu Äbtissin Hildas Gemächern sagte sie kaum ein Wort.

Oswiu erwartete sie bereits. Sein Gesicht war blaß, und seine Gesichtszüge wirkten angespannt.

«Da seid Ihr ja endlich!» sagte er. «Ich habe den halben Vormittag damit verbracht, auf Euch zu warten. Wo wart ihr? Ich wollte vor Abschluß der Synode unbedingt noch einmal mit Euch sprechen.»

Fidelma ließ sich von seinem gereizten Tonfall nicht beeindrucken.

«Hat man Euch berichtet, daß es noch einen weiteren Mord gegeben hat?»

Oswiu runzelte die Stirn.

«Einen weiteren Mord? Ihr meint Athelnoth?»

«Nein - Seaxwulf, Wilfrids Sekretär, ist ebenfalls ermordet worden.»

Oswiu schüttelte den Kopf.

«Ich verstehe das nicht. Gestern abend wurde Athelnoth umgebracht. Jetzt sagt Ihr mir, das Seaxwulf gestorben ist. Wieso das alles? Hilda meinte, zuerst hättet Ihr Athelnoth für den Mörder gehalten und geglaubt, er habe seinem Leben aus Reue selbst ein Ende gesetzt.»

Eadulfs Wangen röteten sich.

«Ich habe leider ein paar vorschnelle Schlußfolgerungen gezogen, mußte jedoch schon bald darauf erkennen, daß ich einem Irrtum erlegen war.»

Oswiu schnaubte empört.

«Ich hätte Euch sagen können, daß Ihr Euch irrt. Athelnoth war über jeden Zweifel erhaben.»

«Wieso das?» wollte Fidelma wissen.

«Weil er mein Vertrauter war. Ich habe Euch gesagt, daß wir in schwierigen Zeiten leben. Es gibt gewisse Kräfte, die mich entthronen wollen. Die Synode wollen sie nur dazu nutzen, im Königreich einen Bruderkrieg zu entfesseln. Folglich muß ich meine Augen überall haben. Athelnoth war einer meiner besten Gewährsmänner und zuverlässigsten Ratgeber. Gestern erst habe ich ihn zu meinem Heer geschickt, das sein Lager bei Ecga’s Tun aufgeschlagen hat.»

Eadulfs Augen blitzten.

«Deshalb war Athelnoth gestern den ganzen Tag fort und ist erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückgekehrt.»

Oswiu sah den sächsischen Mönch nachdenklich an, dann fuhr er fort:

«Athelnoth ist mit wichtigen Neuigkeiten heimgekehrt. Er konnte in Erfahrung bringen, daß man sich gegen mich verschworen hat. Die Aufständischen wollten mich töten und die Herrschaft im Königreich übernehmen. Mein Heer mußte sofort ausrücken, um ihrem Angriff zuvorzukommen.»

Fidelma wurde von Aufregung ergriffen.

«Jetzt wird einiges klar.»

«Klarer als Ihr denkt, Schwester», entgegnete Oswiu mit grimmiger Miene. «Heute morgen haben meine Wachen Than Wulfric und zwanzig seiner Krieger getötet. Sie haben versucht, durch den Tunnel, der von den Klippen in die Katakomben führt, heimlich in die Abtei einzudringen. Wie Ihr wißt, werden um Mitternacht bis zum morgendlichen Angelus alle Tore geschlossen, und in dieser Zeit dürfen sich in der Abtei keine waffentragenden Krieger befinden. Athelnoth war davon überzeugt, daß Wulfric in der Abtei einen Verbündeten hatte, der nur darauf wartete, ihm und den anderen Attentätern zu helfen und ihn zu meiner Kammer zu führen.»

«In der Tat, es wird mehr als klar», sagte Fidelma.

Stirnrunzelnd versuchte Eadulf, Fidelmas Gedanken zu lesen.

«Was meint Ihr damit?»

«Ganz einfach», erwiderte Fidelma. «Ich glaube, daß Wulfrics Verbündeter Taran, der Pikte, war.»

«Wie kommt Ihr darauf?» fragte Oswiu. «Warum sollte sich ein Pikte mit machthungrigen North-umbriern verbünden, die ihren König stürzen wollen?»

«Ich komme darauf, weil ich weiß, daß Taran mit Wulfric freundschaftlichen Umgang pflegte, uns jedoch, als wir ihn danach fragten, nur Lügen auftischte. Schon als ich Wulfric auf dem Weg nach Streoneshalh zum erstenmal sah, hatte ich den Eindruck, daß sich Wulfric und Taran kannten, was darauf schließen läßt, daß die Verschwörung von langer Hand geplant war. In Streoneshalh beobachtete ich Taran und Wulfric dann bei einem heimlichen Treffen, was Taran später heftig leugnete. Ich glaube, Taran wollte Northumbrien vernichtet oder zumindest von einem Bruderkrieg erschüttert sehen.»

«Aber warum?» fragte Oswiu erstaunt.

«Weil die Pikten, wie Ihr die Cruthin nennt, ein sehr nachtragendes Volk sind und ihr Haß ebenso tief wie langlebig ist. Taran erzählte mir einmal, sein Vater, ein Häuptling der Gododdin, und seine Mutter seien von Oswald, Eurem Bruder, getötet worden. Taran wollte Auge um Auge und Zahn um Zahn vergolten sehen. Deshalb war er bereit, denen zu helfen, die Euch ermorden wollten.»

«Und wo ist dieser Taran jetzt?»

«Als letztes haben wir ihn zum Hafen laufen sehen», schaltete sich Eadulf ein. «Meint Ihr, er war auf dem Weg zu einem Schiff, Fidelma? Er hat der abschließenden Sitzung der Synode nicht beigewohnt.»

«Soll ich Krieger nach ihm ausschicken?» fragte Oswiu. «Werden sie ihn noch einholen können?»

«Taran kann niemandem mehr schaden», sagte Fidelma. «Wahrscheinlich befindet er sich schon auf hoher See und flieht in sein Heimatland. Ich glaube nicht, daß er Euch jemals wieder behelligen wird. Durch Verfolgung und Bestrafung läßt sich nichts weiter gewinnen als Rache.»

«Wir müssen also davon ausgehen», sagte Eadulf nachdenklich, «daß es eine Verschwörung gab, um Oswiu zu stürzen, und daß der Mord an Äbtissin Etain ein Teil dieses Planes war. Aber warum mußte sie sterben? Das verstehe ich immer noch nicht.»

«Eine Frage, Oswiu», sagte Fidelma, ohne Ea-dulfs Worte zu beachten. «Eure Schwester, Äbtissin Abbe, ist nicht bis zur Bekanntgabe Eurer Entscheidung geblieben. Wißt Ihr, weshalb?»

Oswiu zuckte mit den Schultern.

«Sie wußte, daß ich meine Entscheidung nicht sofort treffen würde. Ich habe es ihr gesagt.»

«Und Eure Söhne und Eure Frau wußten das nicht?»

«Nein. Ich hatte keine Zeit mehr, es ihnen zu erklären.»