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«Also gut.» Fidelma hüstelte aufgeregt, vergewisserte sich mit einem kurzen Blick noch einmal Eadulfs Unterstützung und begann:

«Als wir anfingen, Äbtissin Etains gewaltsamen Tod näher zu untersuchen, ließen wir uns von einem Gedanken leiten, der bei vielen schon zur Überzeugung geworden war, nämlich daß dieser Mord auf politischen Motiven gründete.»

«Diese Schlußfolgerung lag ja wohl auch auf der Hand», warf Bischof Colman gereizt ein.

Fidelma ließ sich davon nicht beirren.

«Ihr alle seid wahrscheinlich - ebenso wie wir -davon ausgegangen, daß Etain getötet wurde, um die wichtigste Stimme der Kirche Columbans zum Schweigen zu bringen. Und wer hätte daran ein größeres Interesse haben können als die Anhänger Roms, die in Etain ihre gefährlichste Feindin sahen. Habe ich nicht recht?»

Die Anhänger Columbans murmelten beifällig, nur Wighard schüttelte den Kopf.

«Das ist eine verleumderische Unterstellung.»

Fidelma betrachtete den rundlichen Mönch aus Kent tadelnd.

«Aber doch ein Fehler, der unter den gegebenen Umständen verzeihlich ist», gab sie zurück.

«Ihr räumt also ein, daß es ein Fehler war?» nahm Wighard sie beim Wort.

«Ja. Äbtissin Etain wurde nicht deshalb ermordet, weil sie eine bestimmte religiöse Auffassung vertrat.»

Colmans Miene wurde argwöhnisch.

«Wollt Ihr damit sagen, daß Athelnoth am Ende doch der Mörder war? Daß er sich Etain unzüchtig näherte, zurückgewiesen wurde und ihr aus gekränktem Stolz die Kehle durchschnitt? Und daß er sich, als er sich entdeckt wähnte, selbst das Leben nahm?»

Fidelma lächelte mild.

«Ihr greift mir voraus, Bischof.»

«So lautete jedenfalls das Gerücht, das in dieser Abtei umging. In die Welt gesetzt haben es wohl die Anhänger Roms.» Colmans Stimme bebte vor Zorn.

Der schwarzäugige Priester Agatho, der bis dahin vollkommen still gewesen war, fing plötzlich mit schriller Stimme zu singen an:

«Gerüchte reisen eiliger als der Wind,

nichts ist so schnell, wie es Gerüchte sind.»

Er senkte den Kopf und verstummte so unvermittelt, wie er begonnen hatte.

Alle sahen ihn verwundert an.

Fidelma warf Eadulf einen kurzen Blick zu, um ihn zu warnen. Bald würde sie ihre Karten offenlegen müssen. Sie straffte die Schultern und fuhr fort, ohne Agatho weiter zu beachten:

«Ihr habt das zutreffende Motiv genannt, Bischof von Lindisfarne, es jedoch der falschen Person zugeschrieben.»

Colman schnaubte verächtlich.

«Ein Verbrechen aus Leidenschaft? Pah! Ich war immer dafür, Männer und Frauen zu trennen. Heißt es nicht im Buch Hiob: <Ich hatte einen Bund gemacht mit meinen Augen, daß ich nicht lüstern blickte auf eine Jungfrau>? Wir sollten diese Doppelhäuser verbieten, wie es der heilige Finnian von Clonard getan hat, der sich weigerte, eine Frau auch nur anzuschauen.»

Äbtissin Abbes Wangen waren rot vor Empörung.

«Wenn es nach Euch ginge, Colman von Lin-disfarne, müßten wir ein Leben ohne Liebe fristen. Wahrscheinlich würdet Ihr auch noch Endas Gelübde gutheißen, selbst mit Faenche, seiner eigenen Schwester, nur noch dann zu sprechen, wenn zwischen den beiden ein Tuch aufgespannt war!»

«Besser ein Leben ohne Liebe als ein Leben voller Ausschweifung und Hedonismus», gab der Bischof hitzig zurück.

Mit hochrotem Kopf funkelte die Äbtissin ihn wütend an. Sie schien kaum Luft zu bekommen, denn sie öffnete den Mund, um zu sprechen, brachte aber kein Wort heraus. Fidelma griff mit mahnender Stimme ein.

«Schwestern, Brüder, vergessen wir nicht den Zweck unseres Treffens?»

Oswiu lächelte höhnisch, während er dem Streit seiner Kleriker lauschte.

«Ihr habt recht, Fidelma von Kildare», stimmte er zu. «Das Gespräch erinnert mich allmählich an die Versammlung im sacrarium. Sagt uns lieber, warum wir den Tod Eurer Äbtissin zu beklagen haben, warum der Erzbischof von Canterbury starb, warum Athelnoth und Seaxwulf ihr Leben lassen mußten und warum selbst Alhfrith, mein erstgeborener Sohn, nicht mehr unter uns weilt. Der Tod scheint in Streoneshalh wie eine Seuche umzugehen. Steht dieser Ort womöglich unter einem bösen Stern?»

«Mit einem bösen Stern hat das alles nichts zu tun. Und was Alhfriths Tod betrifft, kennt Ihr die Antwort selbst am besten. Ich weiß, Ihr trauert einerseits um Euren Sohn, während Ihr Euch andererseits darüber im klaren seid, daß Ihr beinahe einer verräterischen Verschwörung zum Opfer gefallen wäret», erwiderte Fidelma. «Die Frage nach dem Tod Deusdedits von Canterbury kann nur Gott beantworten, denn der Erzbischof ist an einer heimtückischen Krankheit gestorben. Aber die

Morde an Etain, Athelnoth und Seaxwulf hat ein und dieselbe Person auf dem Gewissen.»

Im Zimmer herrschte erwartungsvolles Schweigen.

Fidelmas Blick wanderte von einem zum anderen. Alle sahen trotzig zurück.

«Dann sprecht und sagt uns endlich, wer diese Person ist», befahl Oswiu mit scharfer Stimme.

Fidelma wandte sich zum König um.

«Ich werde sprechen, aber zur gegebenen Zeit und ohne Unterbrechung.»

Agatho hob lächelnd eine Hand und machte das Zeichen des Kreuzes.

«Amen. Die Wahrheit, Deo volente!»

Äbtissin Hilda biß sich auf die Lippe.

«Sollte Schwester Athelswith den Priester nicht zurück in sein cubiculum bringen, Schwester Fidelma? Ich fürchte, nach den Belastungen der letzten Wochen ist ihm nicht ganz wohl.»

«Nicht wohl? Wer unwohl ist, krankt im Gemüt!» krächzte Agatho und lächelte plötzlich. «Aber der Schlaf des Kranken hat scharfe Augen.»

Fidelma zögerte, dann schüttelte sie den Kopf.

«Ich glaube, es ist besser, wenn Agatho hört, was wir zu sagen haben.»

Widerwillig lenkte Äbtissin Hilda ein. Nach einer kurzen Pause fuhr Fidelma fort:

«Einen Tag vor ihrem Tod erzählte mir Etain, daß sie vorhabe, ihr Amt als Äbtissin von Kildare aufzugeben, sobald die Synode vorüber sei. Wie Ihr alle wißt, war Etain eine Frau von großer Begabung. Ihr selbst habt sie als Sprecherin der Kirche Colum-cilles, den Ihr Columban nennt, nach Streoneshalh eingeladen. Hätte sie nicht zur Familie Brigits gehört, hätte sie sicherlich auch durch eigene Leistung eine hohe Stellung erlangt. Sie heiratete jung, verlor ihren Ehemann und folgte der Tradition ihrer Familie, ins Kloster zu gehen. Sie tat sich durch große Gelehrsamkeit hervor, und so kam es, daß sie zur Äbtissin von Kildare gewählt wurde, der Abtei, die ihre ruhmreiche Verwandte, Brigit, die Tochter Dubhtachs, gegründet hat.»

«Wir alle kennen Etains Ruf und ihre Verdienste», warf Äbtissin Hilda ungeduldig ein.

Mit einem tadelnden Blick brachte Fidelma sie zum Schweigen. «Kurz nach meiner Ankunft in Streoneshalh», führ sie nach einer Weile fort, «traf ich Etain und sprach mit ihr. Sie erzählte mir, sie habe einen Mann gefunden, mit dem sie von nun an zusammenleben wolle. Dieser Wunsch sei so stark, daß sie sich entschlossen habe, ihr Äbtissinnenamt aufzugeben und mit ihrem zukünftigen Ehemann in ein Doppelhaus zu ziehen, wo Männer, Frauen und Kinder gemeinsam ein gottgeweihtes Leben führen können. Dummerweise ging ich zuerst davon aus, daß es sich bei Etains neuer Liebe um einen Iren handeln müsse.»

«Die Vermutung lag nahe», schaltete sich Eadulf zum erstenmal ein. «Wie Ihr wißt, hatte Etain Irland noch nie zuvor verlassen.»

Fidelma schenkte Eadulf einen dankbaren Blick.

«Bruder Eadulf möchte mich über meine Unzulänglichkeiten hinwegtrösten», murmelte sie. «Aber ich mußte wieder einmal erfahren, daß man keine voreiligen Schlußfolgerungen ziehen darf. In Wirklichkeit hatte Etain sich nämlich in einen Sachsen verliebt - und er sich in sie.»

Die anderen hingen gespannt an ihren Lippen.