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Außerdem war Sachar auch eine Klatschbase. Er klagte in der Küche, im Krämerladen, bei den Zusammenkünften am Haustor, daß er ein elendes Leben führe, daß ein so böser Herr noch gar nicht dagewesen sei, er sei launisch, geizig und zornig, man könne es ihm nie recht machen, mit einem Wort, es sei besser zu sterben, als ihn zu bedienen. Sachar tat es nicht aus Bosheit und nicht, weil er dem Herrn schaden wollte, sondern nur so aus der von seinem Vater und Großvater geerbten Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit über den Herrn zu schimpfen. Er verbreitete manchmal aus Langeweile oder in Ermangelung eines anderen Gesprächsthemas oder um dem versammelten Publikum mehr Interesse einzuflößen plötzlich irgendein Märchen über seinen Herrn. »Der meinige hat jetzt die Gewohnheit, immer zu einer Witwe zu gehen«, krächzte er leise im Vertrauen; »er hat ihr gestern einen Brief geschrieben.« Oder er erklärte, sein Herr sei ein solcher Kartenspieler und Trunkenbold, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte, und daß er alle Nächte bis zum Morgen Karten spiele und Schnaps trinke. Das entsprach aber gar nicht der Wahrheit: Ilja Iljitsch besuchte gar keine Witwe, schlief ruhig in der Nacht und nahm nie eine Karte in die Hand.

Sachar war unsauber. Er rasierte sich selten, und wenn er sich auch Gesicht und Hände wusch, schien er eher nur so zu tun, als wasche er sich; man konnte ihn übrigens mit gar keiner Seife reinwaschen. Wenn er ins Badehaus ging, verwandelten sich seine Hände nur für zwei Stunden aus schwarzen in rote und wurden dann wieder schwarz.

Er war sehr ungeschickt: Wenn er das Haustor oder die Tür öffnen wollte, machte er eine Hälfte auf, dabei schloß sich die zweite, er lief zu ihr hin, und infolgedessen schloß sich die erste Hälfte. Er konnte nie ein Taschentuch oder einen andern Gegenstand auf einmal vom Fußboden aufheben, sondern beugte sich immer dreimal nieder, als haschte er danach, und fing es vielleicht erst beim viertenmal auf, es kam aber vor, daß er es dabei wieder fallen ließ. Wenn er einen Haufen Geschirr oder andere Sachen durch das Zimmer trug, begannen die obersten Gegenstände gleich beim ersten Schritt zu Boden zu fallen; zuerst fiel ein Gegenstand zu Boden, er machte jählings eine verspätete und unnütze Bewegung, um ihn aufzuhalten, und ließ dabei zwei andere zu Boden gleiten; er sperrt vor Erstaunen den Mund auf und schaut dem fallenden Gegenstand nach, statt auf diejenigen, die er in der Hand hält, zu achten, dadurch beugt er das Präsentierbrett herab, so daß wieder Gegenstände herunterfallen und er am entgegengesetzten Ende des Zimmers mit einem einzigen Glas oder Teller anlangt; manchmal wirft er selbst das letzte, was er noch in der Hand hält, schimpfend und fluchend herab. Wenn er durch das Zimmer schreitet, streift er bald den Tisch und bald den Sessel mit dem Fuß oder mit der Seite, findet nicht sogleich in die offene Türhälfte hinein, sondern stößt mit den Schultern gegen die zweite und schimpft dann über beide Hälften oder über den Hausherrn und den Zimmermann, der die Tür gemacht hat. In Oblomows Arbeitszimmer sind fast alle Gegenstände zerbrochen, besonders die kleinen, die eine behutsame Behandlung beanspruchen, und das alles durch Sachars Schuld. Er wendet seine Geschicklichkeit, eine Sache in die Hand zu nehmen, bei allen Gegenständen an, ohne in der Behandlungsweise des einen oder anderen Gegenstandes irgendeinen Unterschied zu machen. Man sagt ihm zum Beispiel, er soll eine Kerze putzen oder ein Glas mit Wasser füllen, er verbraucht dabei ebensoviel Kraft wie beim Öffnen des Haustors. Wehe der Wohnung, wenn Sachar, von einem jähen Eifer, den Herrn zufriedenzustellen, erfaßt, es sich einfallen ließ, plötzlich überall aufzuräumen, alles zu putzen, aufzustellen und schnell und auf einmal in Ordnung zu bringen; dann nahmen der Schaden und die Verwüstung kein Ende. Ein ins Haus eingedrungener feindlicher Soldat hätte nicht mehr Unheil stiften können - es begann das Schleudern und Zugrunderichten verschiedener Gegenstände, das Zerschlagen des Geschirrs, das Umwerfen von Sesseln; es endete damit, daß man ihn aus dem Zimmer jagen mußte, oder daß er selbst schimpfend und fluchend fortging.

Sachar hatte sich ein für allemal einen bestimmten Wirkungskreis vorgeschrieben, den er nie überschritt. Er stellte des Morgens den Samowar auf, putzte die Stiefel und die vom Herrn verlangten Kleider, aber niemals diejenigen, die er nicht verlangte, sie mochten zehn Jahre dahängen. Dann fegte er - aber nicht jeden Tag - die Mitte des Zimmers aus, ohne je bis in die Ecken einzudringen, und staubte nur jenen Tisch ab, auf dem nichts lag, um die Gegenstände nicht herunternehmen zu müssen. Dann hielt er sich schon für berechtigt, auf der Ofenbank hinzudämmern oder mit Anissja in der Küche und den anderen Dienstboten am Haustor zu plaudern, ohne sich um irgend etwas zu kümmern.

Wenn man ihm etwas außerhalb dieses Gebietes zu tun auftrug, erfüllte er den Befehl ungern, nach langem Hin- und Herstreiten und nach Beweisen, der Auftrag sei unnütz oder unmöglich zu befolgen. Man konnte ihn durch keinerlei Mittel dahin bringen, in diesen seinen Wirkungskreis eine neue beständige Beschäftigung einzuschließen.

Trotz alledem, wenn man den Umstand, daß Sachar zu trinken und zu klatschen liebte, Oblomows Kupfermünzen einsteckte, verschiedene Gegenstände zerbrach und faul war, abrechnete, ergab es sich, daß er seinem Herrn ein tiefergebener Diener war. Er wäre für ihn, ohne es sich zu überlegen, ins Feuer oder ins Wasser gegangen und würde diese Leistung für keine besondere Heldentat angesehen haben, die Bewunderung oder irgendwelche besondere Belohnung beanspruchen durfte. Er hielt das für etwas Natürliches und Selbstverständliches, oder vielmehr er hatte sich darüber gar keine Meinung gebildet und hätte so gehandelt, ohne sich darüber irgendwelche Gedanken zu machen. Er hatte über diesen Gegenstand keinerlei Theorien aufgestellt. Er würde sich ebenso auf den Tod stürzen, wie ein Hund, der im Wald ein wildes Tier sieht, sich auf dasselbe stürzt, ohne darüber nachzudenken, warum er und nicht sein Herr das tut. Wenn es aber zum Beispiel notwendig wäre, eine ganze Nacht lang, ohne ein Auge zu schließen, am Bett des Herrn zu verbringen, und dessen Gesundheit, ja selbst dessen Leben davon abhinge, würde Sachar bestimmt einschlafen. In seinem Benehmen dem Herrn gegenüber äußerte er nicht nur keine Unterwürfigkeit, sondern behandelte ihn sogar eher grob und familiär, zürnte ihm ernstlich einer jeden Kleinigkeit wegen und verleumdete ihn, wie schon mitgeteilt worden ist, am Haustor; aber dadurch wurde das tief in ihm wurzelnde, verwandtschaftliche Gefühl der Ergebenheit nicht bloß Ilja Iljitsch persönlich, sondern allem gegenüber, was den Namen Oblomow trug und ihm vertraut, lieb und teuer war, nur zeitweise in den Schatten gestellt, aber durchaus nicht aufgehoben. Vielleicht stand sogar dieses Gefühl zu Sachars eigener Ansicht über Oblomows Persönlichkeit in Widerspruch; vielleicht hatte die genaue Kenntnis des Charakters seines Herrn Sachar andere Überzeugungen eingeflößt. Wenn man ihm den Grad seiner Anhänglichkeit an Ilja Iljitsch erklärt hätte, würde er diese Tatsache wahrscheinlich bestritten haben. Sachar liebte Oblomowka, wie die Katze ihren Dachboden liebt, wie das Pferd seine Krippe und der Hund die Hütte, in der er geboren wurde und aufwuchs. In der Sphäre dieser Anhänglichkeit bildete er sich seine besonderen, persönlichen Eindrücke aus. Er liebte zum Beispiel den Oblomowschen Kutscher mehr als den Koch, die Viehmagd Warwara flößte ihm noch größere Sympathien ein, und er zog sie alle Ilja Iljitsch vor; aber trotzdem war für ihn der Oblomowsche Koch besser als alle Köche der Welt und war über sie alle erhaben, und Ilja Iljitsch stand hoch über allen Gutsbesitzern. Er konnte den Weinschenk Tarasska nicht ausstehen; doch er würde diesen Tarasska nicht gegen den besten Menschen der ganzen Welt austauschen, weil er aus Oblomowka war. Er behandelte Oblomow ebenso grob und familiär, wie ein Schamane einen Götzen behandelt; er putzt ihn, wirft ihn manchmal um und schlägt ihn vielleicht sogar vor Ärger, aber in seiner Seele wohnt doch immer das Gefühl, wie erhaben doch dieser Götze im Vergleich zu ihm ist. Der geringste Anlaß genügte, um in der Tiefe von Sachars Seele dieses Gefühl wachzurufen, ihn seinen Herrn voll Andacht betrachten zu lassen und ihm manchmal sogar Tränen der Rührung zu entlocken.