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»Gott weiß, was er sich ausdenkt!« sagte Oblomow fast flüsternd. »Was haben Sie denn mit den Gorjunows?«

»Ach!« rief Wolkow errötend aus; »soll ich's sagen?«

»Sagen Sie's!«

»Werden Sie das niemand erzählen, Ihr Ehrenwort?« sprach Wolkow weiter, sich zu ihm aufs Sofa setzend.

»Gut.«

»Ich ... bin in Lydia verliebt«, flüsterte er.

»Bravo! Schon lange? Ich glaube, sie ist sehr nett.«

»Schon drei Wochen!« sagte Wolkow tief seufzend. »Und Mischa ist in Daschenjka verliebt.«

»In welche Daschenjka?«

»Woher sind Sie, Oblomow? Sie kennen nicht Daschenjka! Die ganze Stadt ist entzückt, wenn sie tanzt! Heute sind wir zusammen im Ballett; er wird ihr ein Bukett zuwerfen. Ich muß ihn bei ihr einführen: er ist schüchtern und noch ein Neuling ... Ach! ich muß ja noch hinfahren und Kamelien kaufen ...«

»Was noch? Lassen Sie das, bleiben Sie zum Mittagessen; wir würden miteinander sprechen. Ich habe ein doppeltes Unglück gehabt ...«

»Ich kann nicht, ich esse beim Fürsten Tjumenjew zu Mittag; es werden dort alle Gorjunows sein, und auch sie, sie ... Lidinjka!« fügte er flüsternd hinzu.

»Warum haben Sie den Verkehr mit dem Fürsten aufgegeben? Was das für ein lustiges Haus ist! Was für ein Ton dort herrscht! Und das Landhaus! es ist in Blumen gebettet! Man hat eine Galerie gothique angebaut. Es heißt, man wird dort im Sommer tanzen und lebende Bilder aufführen. Werden Sie hinkommen?«

»Nein, ich glaube nicht.«

»Ach, was das für ein Haus ist! Diesen Winter gab es dort jeden Mittwoch nicht unter fünfzig Personen, und manchmal waren es sogar hundert ...«

»Mein Gott! da ist es gewiß höllisch langweilig!«

»Wie kann man so etwas sagen? Langweilig! Je mehr Menschen da sind, desto lustiger ist es ja. Auch Lydia kam hin, ich habe ihr keine Aufmerksamkeit geschenkt, und plötzlich ...

Vergebens müh' ich mich, sie zu vergessen

Und durch Vernunft die Leidenschaft zu bannen ...«

sang er und setzte sich verträumt auf den Sessel; doch dann sprang er plötzlich auf und begann sich den Staub von den Kleidern zu klopfen.

»Wie staubig es bei Ihnen überall ist!« sagte er.

»Das ist alles Sachars Schuld!« klagte Oblomow.

»Nun, ich muß gehen!« sagte Wolkow, »ich habe noch für Mischa ein Bukett Kamelien zu besorgen. Au revoir!«

»Kommen Sie abends nach dem Ballett Tee trinken, Sie werden mir erzählen, wie es dort zugegangen ist«, lud Oblomow ein.

»Ich kann nicht, ich habe den Mussinskys versprochen, hinzukommen, heute ist bei ihnen Jour. Kommen Sie auch! Wenn Sie wollen, stelle ich Sie vor!«

»Nein, was soll ich dort anfangen?«

»Bei den Mussinskys? Aber ich bitte Sie, dorthin kommt ja die halbe Stadt. Was man dort anfangen soll? Das ist ein Haus, in dem über alles gesprochen wird ...«

»Das ist ja das Langweilige, daß über alles gesprochen wird«, sagte Oblomow.

»Besuchen Sie dann Mesdrows«, unterbrach ihn Wolkow, »dort spricht man nur von einem Gegenstand, von der Kunst; man hört nichts anderes als: die venezianische Schule, Beethoven und Bach, Leonardo da Vinci ...«

»Immer ein und dasselbe, wie langweilig! Das sind gewiß Pedanten!« sagte Oblomow gähnend.

»Man kann es Ihnen nicht recht machen. Gibt es etwa zu wenig Familien! Und alle haben sie jetzt Jours: bei den Sawinows speist man am Donnerstag, die Maklaschins empfangen am Freitag, die Wjasnikows am Sonntag, der Fürst Tjumenjew am Mittwoch. Bei mir sind alle Tage besetzt!« schloß Wolkow mit strahlenden Augen.

»Und fällt es Ihnen nicht lästig, tagaus, tagein herumzurennen?«

»Lästig! Wie kann das lästig fallen? Es ist so lustig!« sagte er sorglos. »Des Morgens liest man ein wenig, man muß immer au courant sein und alle Neuigkeiten wissen. Ich habe, Gott sei Dank, eine solche Beschäftigung, daß ich nicht ins Amt zu gehen brauche. Ich sitze nur zweimal in der Woche beim General und esse bei ihm zu Mittag; dann mache ich Leuten, bei denen ich schon lange nicht war, einen Besuch; nun, und dann ... gibt es ja immer eine neue Schauspielerin, bald im russischen und bald im französischen Theater. Die Oper wird nächstens eröffnet, ich abonniere mich. Und jetzt bin ich verliebt ... Es wird bald Sommer; man hat Mischa einen Urlaub versprochen; dann fahren wir für einen Monat auf ihr Gut, der Abwechslung halber. Dort wird gejagt. Sie haben sehr nette Nachbarn, es werden bals champêtres arrangiert. Ich werde mit Lydia im Wald spazierengehen, Boot fahren, Blumen pflücken ... Ach! ...« Und er machte einen Freudensprung ... »Es ist aber Zeit ... Adieu«, sagte er und machte vergebliche Versuche, sich im verstaubten Spiegel von vorne und von rückwärts zu betrachten.

»Warten Sie«, hielt ihn Oblomow zurück, »ich wollte mit Ihnen geschäftlich sprechen.«

»Pardon, ich habe keine Zeit«, antwortete Wolkow eilig, »ein andermal! Wollen Sie nicht mit mir Austern essen? Sie können mir dabei Ihre Angelegenheiten erzählen. Kommen Sie, Mischa ladet Sie ein.«

»Nein, was fällt Ihnen ein!« sagte Oblomow darauf.

»Also, Adieu!«

Er ging und kam zurück.

»Haben Sie das schon gesehen?« fragte er, die Hand zeigend, der der Handschuh wie angegossen saß.

»Was ist das?« fragte Oblomow verblüfft.

»Die neuen Lacets! Sehen Sie, wie gut das zusammenhält: Man braucht sich nicht zwei Stunden lang mit den Knöpfen abzuquälen, man zieht an der Schnur, und die Sache ist erledigt. Das kommt soeben aus Paris. Wollen Sie, daß ich Ihnen ein Paar zur Probe mitbringe?«

»Gut, bringen Sie mir eins mit.«

»Und sehen Sie sich einmal das an: nicht wahr, das ist sehr hübsch?« sagte er, nachdem er in dem Haufen der Berlocken eines ausgesucht hatte; es war eine Visitenkarte mit einer umgebogenen Ecke.

»Ich kann nicht entziffern, was darauf steht.«

»Pr. - Prince, M. - Michel, und der Familienname Tjumenjew ist nicht mehr daraufgegangen. Das hat er mir zu Ostern statt eines Eies geschenkt. Aber leben Sie wohl, au revoir! Ich muß noch zehn Personen aufsuchen. O Gott, wie lustig ist es auf der Welt!«

Und er verschwand.

Zehn Personen an einem Tage aufsuchen - der Unglückliche! dachte Oblomow. Und das ist ein Leben!, und er zuckte heftig die Achseln. Wo bleibt denn dann der Mensch? In wieviel kleine Teile löst er sich auf und zerfällt er? Es ist gewiß nicht übel, ins Theater hineinzugucken und sich in irgendeine Lydia zu verlieben ... Sie ist hübsch! Es ist schön, mit ihr auf dem Lande Blumen zu pflücken und spazierenzufahren! - Aber an einem Tage zehn Personen aufzusuchen - der Unglückliche!, schloß er, sich auf den Rücken umwendend und sich freuend, daß er keine so leeren Wünsche und Gedanken hatte, sondern daliegen und seine menschliche Würde und Ruhe aufrechterhalten konnte.

Ein neues Läuten unterbrach seine Betrachtungen.

Es kam wieder ein Gast.

Das war ein Herr in einem dunkelgrünen Frack mit Uniformknöpfen; er hatte ein glattrasiertes Kinn, einen dunklen Backenbart, der sein Gesicht gleichmäßig umrahmte, einen angestrengten, aber ruhigen und intelligenten Ausdruck in den Augen, ein welkes Gesicht und ein nachdenkliches Lächeln.

»Guten Tag, Sudjbinskij!« begrüßte Oblomow ihn freudig. »Schaust du dich auch einmal nach deinem alten Kollegen um! Komm nicht so nahe heran! Du bringst Kälte herein.«

»Guten Tag, Ilja Iljitsch. Ich wollte schon lange zu dir«, sprach der Gast, »aber du weißt ja, was für einen teuflischen Dienst wir haben! Da, schau einmal, ich habe hier einen ganzen Koffer voll Berichte, und ich habe dem Boten befohlen, herzurennen, wenn man dort nach irgend etwas fragt. Ich kann keinen Augenblick über mich verfügen.«