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Marx verhielt sich von Anbeginn seiner weltanschaulichen Entwicklung gegenüber der Hegelschen Geschichtsdialektik aufgeschlossen und aufnahmebereit. Das tiefe Verständnis für Hegels historischen Sinn ließ ihn 1841/1842 nicht zum begeisterten, unkritischen Feuerbachianer werden. Es befähigte ihn 1843, in die materialistische Hegelkritik Elemente der Hegelschen Dialektik aufzunehmen, was Feuerbach nicht gelang. Mit dem Studium der Ökonomie wurde Marx’ Kritik an Feuerbachs Verhältnis zur Hegelschen Dialektik weitaus präziser. Die Grundlage dafür war das Eindringen in die sozialökonomische Struktur der bürgerlichen Gesellschaft, mit der sich Feuerbach nie gründlich beschäftigt hatte.

In den «Ökonomisch-philosophischen Manuskripten» konnte Marx einen wesentlichen Mangel der Feuerbachschen Philosophie noch nicht erkennen. Marx bezeichnete Feuerbachs Humanismus als «wahren Materialismus», weil dieser das gesellschaftliche Verhältnis des Menschen zum Menschen zum Grundprinzip der Theorie gemacht habe. An Feuerbach selbst schrieb er: «Sie haben – ich weiß nicht, ob absichtlich – in diesen Schriften dem Socialismus eine philosophische Grundlage gegeben, und die Communisten haben diese Arbeiten auch sogleich in dieser Weise verstanden. Die Einheit d. Menschen mit d. Menschen, die auf dem realen Unterschied der Menschen begründet ist, der Begriff der Menschengattung aus dem Himmel der Abstraktion auf die wirkliche Erde herabgezogen, was ist er anders als der Begriff der Gesellschaft?» (Marx an Ludwig Feuerbach, 11. August 1844. In: MEGA2 III/1. S.63.)

Erst in den «Thesen über Feuerbach» konnte Marx das Wesen des Feuerbachschen Materialismus richtig einschätzen. Mit der Ausarbeitung der materialistischen Geschichtsauffassung wurde klar, daß die materialistische Hegelkritik und die Begründung des philosophischen Materialismus das große Verdienst Feuerbachs waren. Zugleich bewies Marx, daß Feuerbach den Menschen statt den wirklichen historischen Menschen setzt, daß Feuerbach die Gesellschaft als Verhältnis des Menschen zum Menschen betrachtet und nicht als konkret-historische, sozialökonomische Beziehungen der Menschen untersucht. Marx und Engels formulierten das Wesen des Feuerbachschen Materialismus wie folgt: «Soweit Feuerbach Materialist ist, kommt die Geschichte bei ihm nicht vor, und soweit er die Geschichte in Betracht zieht ist er kein Materialist.» (Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie. Band I. Kapitel I: Feuerbach. S. 10.)

Die positive Seite der Hegelschen Dialektik demonstrierte Marx in den «Ökonomisch-philosophischen Manuskripten» an Hand der «Phänomenologie des Geistes», an Hand des stufenweisen Prozesses der Zurücknahme der Wirklichkeit in das absolute Wissen. Hegel faßte die Selbsterzeugung des Menschen als Prozeß, er erfaßte das Wesen der Arbeit als Vergegenständlichung der Wesenskräfte des Menschen und den Menschen als das Resultat der eigenen Arbeit. Bei Hegel werden die Gattungskräfte des Menschen nur durch das Gesamtwirken der Menschen, als Resultat der ganzen Menschheitsgeschichte realisiert.

Im gleichen Zusammenhang kritisierte Marx den Hegelschen Idealismus weit tiefgründiger und beweiskräftiger als im Manuskript «Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie». Hegel kennt und anerkennt nur die abstrakt-geistige Arbeit, stellte Marx fest. Der Mensch ist bei ihm nicht der wirkliche Mensch mit seinen wirklichen Wesenskräften, sondern das Selbstbewußtsein des Menschen. Die Wirklichkeit ist für das Selbstbewußtsein das Anstößige und das Fremde. Das Setzen der gegenständlichen Wirklichkeit ist bei Hegel demzufolge untrennbar mit der Entfremdung des Menschen verbunden. Die Wiederaneignung der menschlichen Wesenskräfte, die Aufhebung der Entfremdung erfordert deshalb nach Hegels Interpretation die Aufhebung der Gegenständlichkeit und die Rückkehr in das Selbstbewußtsein.

Unmißverständlich verdeutlichte Marx seine dialektisch-materialistische Position im Gegensatz zu Hegels idealistischer Interpretation der Entfremdung des Menschen und der Aufhebung der Entfremdung. Marx bewies, daß die Aufhebung der Entfremdung des Menschen sich nicht durch die Aufhebung der Wirklichkeit im abstrakten Selbstbewußtsein vollzieht. Sie ist vielmehr ein materieller und geistiger Prozeß der Wirklichkeit selbst. Marx bestimmte diesen Prozeß als Aufhebung des Privateigentums oder als «Werden des praktischen Humanismus» und als Aufhebung der Religion oder als «Werden des theoretischen Humanismus». Ausdrücklich betonte er, daß dieser Prozeß, die Aufhebung der Entfremdung des Menschen, «keine Flucht, keine Abstraction, kein Verlieren der von dem Menschen erzeugten gegenständlichen Welt, …vielmehr erst das wirkliche Werden, die wirklich für den Menschen gewordne Verwirklichung seines Wesens oder seines Wesens als eines wirklichen» ist. (S. 301 und 413.)

Im vorliegenden Manuskript begann Marx eine Analyse der «Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften», in der Hegel sein Gesamtsystem dargelegt hatte. Marx skizzierte das Wesen des objektiven Idealismus von Hegel, dessen mystische und positive Elemente und dessen innere Widersprüche. Diese Untersuchung blieb unvollständig.

In den «Ökonomisch-philosophischen Manuskripten» erfaßte Marx an positiven Elementen der Hegelschen Dialektik vor allem das Gesetz der Negation der Negation, die Kategorie Aufheben und den Prozeß des Aufhebens in der geschichtlichen Entwicklung, die Rolle der Arbeit und der Bedürfnisse in der Entstehungsgeschichte der Menschheit sowie das Gesamtwirken der Menschen als Inhalt und Resultat der Geschichte. Marx deckte im Keim wichtige, bei Hegel unter idealistischer Hülle vorhandene Gesetze auf, wonach die Geschichte der Menschheit nicht eine Anhäufung von Zufällen, sondern ein gesetzmäßiger historischer Entwicklungsprozeß ist. Die Menschen verwirklichen durch die Arbeit in einem historischen, qualitativ unterschiedenen Entwicklungsprozeß sich selbst, ihre Wesenskräfte. Jede Generation baut auf dem vorher geschaffenen geschichtlichen Resultat auf und verändert dieses Resultat, indem das Positive auf einer höheren Stufe der Entwicklung der Menschheit aufgehoben wird.

Ein Merkmal der Auseinandersetzung mit Hegel und Feuerbach ist, daß Marx nicht nur die menschliche Existenz, nicht nur das Verhältnis des Menschen zum Menschen, sondern vor allem die menschliche Tätigkeit, die Arbeit in seine Kritik und Analyse einbezog. Er vermied dadurch ein Abgleiten auf mechanisch-materialistische Auffassungen. In den «Ökonomisch-philosophischen Manuskripten» bezeichnete er seinen Standpunkt als Naturalismus oder Humanismus, der die positiven Elemente von Idealismus und Materialismus vereinige.

Marx anerkannte den Menschen als Naturwesen mit natürlichen Kräften, Anlagen und Trieben. Als solches aber ist der Mensch ein leidendes, passives, beschränktes Wesen, wie dies auch für das Tier und die Pflanze zutrifft. Die Gegenstände der menschlichen Tätigkeit existieren unabhängig vom Menschen. Für die Betätigung und Bestätigung seiner Wesenskräfte bedarf der Mensch der Natur. Ohne die Natur, ohne die bereits durch den Menschen veränderte Natur kann der Mensch seine Gattungstätigkeit nicht realisieren, kann er als Mensch überhaupt nicht existieren. Den Menschen nur als passives Naturwesen zu betrachten, das hieße, ihn nicht als Mensch, als Gattungswesen anzuerkennen. Deshalb gehöre, so schlußfolgerte Marx, die Gattungstätigkeit zum wirklichen Sein und Dasein des Menschen. «Daß der Mensch ein leibliches, Naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches Gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäusserung hat oder daß er nur an wirklichen sinnlichen Gegenständen sein Leben äussern kann.» (S. 296 und 408.) Wenn Marx 1844 ausführte, daß sein Standpunkt der «durchgeführte Naturalismus oder Humanismus» (S. 295 und 408) sei und sich vom Materialismus unterscheide, so grenzte er sich vom mechanischen Materialismus ab, präzisierte aber später seinen eigenen Standpunkt.