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»Das ist nichts für Jungen«, sagte sie, nahm mir die Flasche aus der Hand und führte meine Finger zwischen ihre Beine. Sie hatte sich den Slip in die Knie gezerrt.

»Das ist was für Jungen.«

Ich spürte, wie sie sich zu mir herabbeugte und meine Hose aufnestelte, spürte, wie die Finger ihrer linken Hand in immer kleineren Kreisen über meinen zur kompakten Kleinplastik erstarrten Hodensack fuhren, an der Naht auf und ab, ihn wogen, prüften, vielleicht für leicht befanden, aber nicht für zu leicht, wie sie sich zur Faust schlossen, die ihren Inhalt dem gespaltenen Lippenpaar entgegenführte, das eben noch Wodka gekostet hatte. Linkshänderin, du bist ja Linkshänderin, ging es mir durch den Kopf, wieso weiß ich das nicht?! Plötzlich sah ich die Baba Jaga vor mir knien, meinen Schwanz im Mund, bereit, zuzubeißen, ich wälzte sie von mir, rang sie nieder auf den Boden. Ich hielt ihre Hände in einem Klammergriff, preßte mit meinen Knien ihre Schenkel auseinander. Als ich in Alezja eindrang, brutal, wie mir schien, wie ich nie zuvor in eine Frau eingedrungen war, waren sie plötzlich wieder da, die Sätze: Und alsbald, als er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Die Sätze stachelten mich auf, riefen mich an, zuzustoßen, immer wieder und weiter. Ich dachte an Tanja, und, ja, ich dachte an Vergeltung, wieder einmal. Wir waren noch immer nicht quitt. Wir waren noch lange nicht quitt.

Wir kamen übereinander wie zwei betrunkene Seeleute. Oder wie Rasende. Wir kamen. Merkwürdigerweise simultan. Wir kamen. Wir blieben. An Ort und Stelle. Es war kein Wort zwischen uns gefallen.

Als ich am nächsten Morgen vor dem Bett erwachte, lag Alezja in verkrümmter Haltung neben mir. Ich betrachtete sie. Die Druckstellen, dort, wo sich meine Hüftknochen in ihr Fleisch getrieben hatten. Ihr Bauchnabelpiercing, das mir gestern nicht aufgefallen war, ein in die winzige Gemme eingelassener blauer Stein, vielleicht ein Lapislazuli, die Ungarn sagen, er fördere zwischenmenschliche Beziehungen.

Da behaupten sie weiter, Schlafende seien friedliche Menschen! Das Wesen da neben mir wälzte sich, knirschte mit den Zähnen, schlug um sich gegen einen Traumgegner. Ein Wesen von einem anderen Stern würde vermuten: Menschlicher Schlaf ist eine ernste, ja, eine gefährliche Angelegenheit.

Ich sah dem Kampf noch einige Atemzüge zu, dann weckte ich Lesja. Es dauerte lange, bis sie zu vollem Bewußtsein erwachte. Sie kroch nackt zum Tisch, auf dem ihre Zigaretten lagen, zündete sich eine an, lehnte sich mit dem Rücken an ein Tischbein und inhalierte tief. Noch immer sprachen wir kein Wort. Ich zog mich an, kochte Tee, stellte eine Tasse vor sie auf den Boden.

»Bananen«, brummte sie. Sagte sie. Fragte sie.

»Bananen?«

»Bananen. Keine Bananen da?«

»Bananen. Keine Bananen da.«

Alezja verdrehte die Augen, murmelte »Scheiße«, fluchte leise vor sich hin, schien den Rauch bis in die Windungen ihres Großhirns zu atmen. Dann schlug sie wiederholt mit dem Hinterkopf gegen die Tischplatte.

»Was soll das geben?«

»Extra mitgebracht, Scheißbananen – Tüte – Bahnhof, Scheißbananen.«

Das Hirn war offenbar noch immer auf manuellen Betrieb geschaltet, über Substantive kam es nicht hinaus.

»Mein Tantchen ist auf Turkey! Bananen kannst du vergessen, hier im Magasin findest du allenfalls ein bißchen Schrumpelkohl. Aber vielleicht willst du Kartoffelzucker haben. Hm, wär das was für Leckermäulchen?«

»Arschloch«, skandierte Lesja, schlug bei jedem Wort den Kopf gegen den Tisch, »Arschloch, Arschloch, Arschloch, Arschloch, Arschloch, Arschloch, Arschloch.«

Ich packte im Flur meinen Kram zusammen, zog mir Schuhe an, warf meine Lederjacke über. Als ich wieder ins Zimmer trat, war Alezja noch immer bei ihrem kleinen Musikstück, nur die Vokalbegleitung war fast unhörbar geworden.

»Ich muß zur Uni. Zieh die Tür zu, wenn du gehst. Und Finger weg von meiner Briefmarkensammlung.«

Im Augenwinkel sah ich, wie mir Alezja die Zunge herausstreckte.

Zuhause.

Fischkonserven. Cornflakes-Packung, deutscher Import, leer. Vergessen einzukaufen.

Zuhause.

Den ganzen Tag über hatte ich mich unbeschreiblich zerschlagen gefühlt. Ich befürchtete, Alezja könnte noch da sein, wenn ich wieder in meine Wohnung käme, aber da war nichts, auch nicht das kleinste Krümelchen, das auf ihre Anwesenheit hingedeutet hätte. Es roch nicht einmal nach Zigaretten. Sie hatte sogar den Müll rausgetragen.

Nachts träumte ich, alles sei nur ein Traum gewesen, ich erwachte im Traum, nichts war geschehen, und ich war nicht einmal erleichtert.

Ich hatte ernsthaft damit gerechnet, daß es eine einmalige Sache sein würde, aber natürlich hatte ich Alezjas Verlangen unterschätzt, ihre Macht auszuspielen. Ich spürte, daß es dabei nicht um mich ging, eigentlich meinte sie Tatsiana. Nur Tatsiana.

Zwei Tage später rief Alezja an. Sie schlug ein Treffen auf halbem Weg vor. In einem Hotel. Ich sollte bezahlen.

Ich lachte. Ich beleidigte sie. Ich fragte, ob sie vorhabe, das professionell zu machen.

»Ja, lach nur, Wasja. Aber mach dir eines klar: Von jetzt an gibt’s entweder uns beide – oder aber keine von uns.«

Ich schwieg. Lesja hatte die Schachpartie eben erst eröffnet, jetzt drohte sie, mir meine Dame zu nehmen. Nicht schlecht für eine Anfängerin.

»Und – Wasja…?«

»Hm?«

»Nenn mich Ali. Von jetzt an möchte ich Ali genannt werden.«

Ich legte auf. Ali. Schlimmer könnte es nicht mehr kommen, dachte ich.

Wir begannen, eine Donnerstagsaffäre zu haben, aus der bald eine Dienstags- und Donnerstagsaffäre wurde. Ich mußte mich, mußte mein Leben neu organisieren. Mehr denn je war ich jetzt auf mein Auto angewiesen. Ich war beständig unterwegs. Immer nirgendwo. Nirgends irgendwo. Auf der Straße von Minsk nach Hrodna.

An den Wochenenden sah ich Tanja, unter der Woche Alezja. Meist trafen wir uns in einem Hotel. Es durfte nicht immer dasselbe sein, Lesja liebte die Abwechslung. Ich mußte in Vorkasse bezahlen, die Portiers waren mißtrauisch, wir waren zu jung für diese Hotels, wir waren keine Ausländer, und ich trug Kleidung, die mir nicht gerade die Ausstrahlung eines Bisnessman verlieh. Die Etagendamen verlangten unsere Ausweise. Die Papiere verrieten uns nicht. Immer konnten wir mit unserem Nachnamen als Mann und Frau auftreten.

Dann kam auch Tatsiana auf den Gedanken, daß wir uns hin und wieder in einem Hotel treffen könnten, an den Wochenenden, an denen Alezja zuhause war und versprochen hatte, auf Marya aufzupassen. (Die allerdings im Zweifel lieber auf sich selbst aufpaßte).

Es war die Zeit nach meinem ersten Unfall. Grüner Nebel an einer Ampel, an der sich zwei Straßen in einem Feuchtgebiet mitten im Nichts kreuzten. Ein polnischer Kombifahrer hatte nicht im Sinn gehabt, hier anzuhalten. Ich schraubte die Kennzeichen ab, ließ den Dacia an Ort und Stelle, es war ja nicht einmal eine Fahrgestellnummer eingestanzt. Vom Geld, das mir der Kerl zusteckte, kaufte ich mir fast baugleichen Ersatz.