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Da riß ihn die laute und mißtönende Stimme eines Mannes, der anscheinend vor der Haustür vom Pferde stieg, aus diesen Betrachtungen. Er stürzte eilig ans Fenster.

»Beim Leibhaftigen! Dies wäre ja beinah so etwas wie Vorsehung«, sprach Haley, »wenn das nicht Tom Locker ist.«

Haley eilte hinaus. Vor der Theke in der Ecke des Zimmers stand ein gelbbrauner muskulöser Mann von sechs Fuß Länge und beträchtlicher Breite. Er trug einen Rock aus Büffelhaut, die Fellseite nach außen, was ihm ein zottiges und wildes Aussehen gab und ganz zu seinem Wesen zu passen schien. Sein Gesicht trug den Stempel äußerster Roheit. Stellt man sich eine Bulldogge vor, die plötzlich in menschlicher Gestalt, bekleidet mit Rock und Hut, ins Zimmer stürzt, gewinnt man den besten Eindruck seiner Erscheinung. Ein Reisegefährte, in vieler Hinsicht sein genaues Gegenteil, begleitete ihn. Er war klein und schmal, von behenden katzenartigen Bewegungen, mit einem lauernden Mäuseblick in seinen aufmerksamen schwarzen Augen, wozu jeder Gesichtszug im Einklang stand: seine dünne lange Nase schien mit Vergnügen in allen Geschäften herumzuschnüffeln, sein glattes, spärliches schwarzes Haar sträubte sich über der Stirn. Er machte den Eindruck verschlagener, nüchterner Berechnung. Der große starke Mann schenkte sich ein Glas Branntwein ein und kippte es schweigend hinunter.

Das kleine Männchen stand auf den Zehenspitzen und schnüffelte aufmerksam an jeder Flasche, ehe es sich mit großer Wichtigkeit in seiner dünnen Fistelstimme einen Peppermint bestellte. Er nahm dann das eingeschenkte Glas, betrachtete es mit schlauer Kennermiene wie ein Mann, der den Nagel auf den Kopf getroffen, um es dann in kleinen genießerischen Schlückchen auszutrinken.

»Ja, so ein Glück hätte ich mir nicht träumen lassen, Locker, wie geht's?« sprach Haley, seine Hand ausstreckend.

»Zum Teufel«, war die höfliche Antwort, »was bringt dich hierher?«

Das Mäusegesicht, Marks mit Namen, stellte sofort sein Glas hin, um mit vorgestrecktem Kopf neugierig den Neuankömmling zu mustern, wie eine Katze, die zuweilen ein raschelndes welkes Blatt belauert.

»Hör, Tom, das nenne ich Glück. Ich bin in einer verteufelten Patsche, du mußt mir wieder auf die Beine helfen.«

»Ho, ho! Sieht dir ähnlich!« grunzte der liebenswürdige Bekannte. »Das hat immer seinen Grund, wenn du dich freust, jemand wiederzusehen. Wo hat's denn eingeschlagen?«

»Du hast wohl einen Freund mitgebracht?« fragte Haley und blickte zweifelnd auf Marks, »wahrscheinlich ein Kollege?«

»Ganz recht. Hier, Marks, das ist der Bursche, mit dem ich in Natchez zusammen arbeitete.«

»Freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Marks und streckte dem anderen seine Hand, dünn und lang wie die Klaue eines Raubvogels, entgegen. »Mr. Haley, wenn ich nicht irre?«

»Ganz meinerseits«, antwortete Haley. »Und jetzt, meine Herren, werde ich Sie freihalten, das Zusammentreffen müssen wir feiern. He, alter Gauner«, sagte er zu dem Mann hinter der Theke, »bring heißes Wasser, Zucker und Zigarren und nicht zu knapp vom richtigen Stoff, das soll eine Runde werden.«

Darauf wurden die Kerzen angezündet, das Feuer frisch entfacht und der Tisch mit allem gedeckt, womit die drei biederen Gesellen sich gütlich tun konnten.

Haley begann dann die rührende Geschichte seiner Nöte zu erzählen; Locker hörte ihm schweigend, mit verdrossener Aufmerksamkeit zu, während sich Marks umständlich und sorgfältig ein Glas Punsch nach eigenem Geschmack braute, um zuweilen von seiner Beschäftigung aufzublicken und seine spitze Nase Haley beinah ins Gesicht zu bohren. Er ließ sich keine Einzelheiten entgehen. Das Ende der Geschichte schien ihn besonders zu amüsieren. Ein lautloses Lachen krümmte seinen schmächtigen Körper, und seine dünnen Lippen spitzten sich wollüstig.

»Da hat man Euch nicht schlecht geprellt! Hi, hi, hi, saubere Arbeit«, sagte er.

»Diese junge Brut kann einem das ganze Geschäft verleiden«, sagte Haley ganz kläglich.

Er hatte dem Getränk des Abends sehr freigebig zugesprochen und fühlte allmählich eine angenehme Milderung seiner moralischen Ansichten, eine Erscheinung, die unter den gleichen Umständen auch Männern von ernster und nachdenklicher Veranlagung widerfährt.

»Ich gebe es ja zu«, fing Haley wieder an und lehnte sich in seinem Stuhl zurück — wobei er die Arme reckte, »daß ich meinen Handel nur wegen des Geldes geführt habe. Geld war mir das Wichtigste wie jedem anderen auch. Aber lassen wir mal das Geschäft und Geld und alles übrige beiseite — schließlich haben wir auch eine Seele. Es kann nicht jeder hören — verfluchte Pest noch mal -, ich will einmal damit herausrücken. Ich glaube nämlich an die Religion, und eines Tages, wenn ich alles hübsch in Ordnung habe, werde ich mich meiner Seele und diesen höheren Dingen zuwenden. Warum mehr sündigen als unbedingt nötig? Das wäre ja verdammt unklug.«

»Deiner Seele zuwenden«, wiederholte Tom verächtlich. »Da kann man lange suchen, bis man bei dir eine Seele findet. Wenn der Teufel dich durch ein Haarsieb streicht, er wird keine finden.«

»Ach, Tom, sei doch nicht ausfällig«, sagte Haley. »Warum nimmst du es übel, wenn man dir gut zuredet?«

»Hör auf mit dem Geplärr, Mensch«, erwiderte Tom barsch, »ich kann dein Geschwätz so schon nicht vertragen, aber deine Fröm–migkeitstiraden bringen mich um; schließlich, was ist denn der ganze Unterschied zwischen uns beiden? Du hast nicht die Spur mehr Gefühl oder Nachsicht als ich. Es ist eine glatte, niederträchtige Gemeinheit, erst schlecht zu sein und dann den Teufel um die Zeche zu prellen. Dich durchschaut man leicht. Das ganze Getue mit der Religion, was ist es anders, als daß du beim Teufel Schulden hast und dich um das Bezahlen drücken willst. Pfui!«

»Meine Herren, meine Herren, vergessen wir nicht das Geschäft«, rief Marks. »Jedes Ding hat zwei Seiten, das müßt ihr zugeben. Mr. Haley ist zweifellos ein netter Mann und hat ein feines Gewissen, und Ihr, Tom, seid eben von anderem Schrot und Korn, von keinem schlechten, aber das Streiten hat keinen Zweck. — Gehen wir ans Geschäft. Also, Mr. Haley, was soll es sein? Wir sollen Euch das Mädchen wieder verschaffen?«

»Das Mädchen geht mich nichts an — das gehört Shelby. Es ist nur der Junge. Ich war ja ein Narr, den kleinen Affen zu kaufen.«

»Du bist meist ein Narr«, sagte Tom grob.

»Na, Locker, jetzt keine Komplimente«, meinte Marks und leckte sich die Lippen. »Seht Ihr nicht, dies kann ein ganz hübsches Geschäft werden; laßt mich die Sache nur schaukeln. Darauf verstehe ich mich. Also dieses Mädchen, Haley, wie ist sie? Wie sieht sie aus?«

»Na, weiß und hübsch — gut gezogen. Ich hätte Shelby 800 bis

1.000 Dollar dafür gegeben und kein schlechtes Geschäft gemacht.«

»Weiß und hübsch — gut gezogen«, wiederholte Marks, seine scharfe Nase spitzte sich vor Unternehmungslust. »Habt Ihr verstanden, Locker, das läßt sich hören. Wir werden sie einfangen; dann bekommt Mr. Haley natürlich den Kleinen, und wir nehmen das Mädchen und verkaufen sie in Orleans. Ist das nicht großartig?«

Tom, dessen großer, plumper Mund während dieser Erklärung offen gestanden hatte, ließ ihn jetzt plötzlich zufallen wie ein großer Hund, der nach einem Stück Fleisch schnappt, und schien nun den Vorschlag in Muße zu verdauen.

»Seht Ihr«, sagte Marks zu Haley, »wir haben überall an der Küste Friedensrichter, die sich ganz verständig auf solch kleine Geschäfte einlassen. Tom besorgt die grobe Arbeit, die Schlägerei usw. Und ich komme dann im Galaanzug mit blankgewichsten Stiefeln — alles erstklassig — wenn es an das Schwören geht. Ihr solltet mich mal sehen«, prahlte Marks, glühend vor Künstlerstolz, »wie ich da auftrete. Einmal bin ich Mr. Trikken aus New Orleans, das nächstemal bin ich gerade von meiner Plantage am Pearl River gekommen, wo ich 700 Nigger beschäftigte, dann wieder entpuppte ich mich als ein entfernter Verwandter von Henry Clay oder einem anderen alten Gauner in Kentucky. Die Gaben sind verschieden, wißt Ihr. Tom ist ein Satan, wenn es ans Raufen und Schlagen geht, aber lügen kann er nicht. Ihr müßt verstehen, es ist ihm nicht gegeben. Aber wenn es noch einen im Lande gibt, der auf alles und jedes einen falschen Eid leistet und alle Umstände und Kniffe ebenso geschickt mit ernstem Gesicht vorträgt wie ich, den Kerl möchte ich sehen, das ist alles, was ich sagen kann. Ich bin überzeugt, ich könnte mich stets und überall durchschwindeln, selbst wenn die Friedensrichter noch schärfer wären. Manchmal wünschte ich fast — es wäre dann aufregender, macht mehr Spaß -, wissen Sie.«