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Im Laufe der Zeit aber spült der Regen Gras und Erde wieder ab, die Stämme lösen sich, verschieben sich und lagern sich willkürlich über–und aufeinander — ein malerisches Bild -, dazwischen erscheinen schlammstarrende Spalten und Löcher.«

Einen solchen Weg mußte der Senator benutzen; daß er dabei seine moralischen Betrachtungen wiederholt unterbrechen mußte, konnte nicht wundernehmen. Denn der Wagen fuhr ungefähr folgendermaßen: bums, bums, plautz, patsch — hinein in der Schlamm. Der Senator, die Frau und das Kind wechselten ihre Plätze so plötzlich, daß sie in heillosem Durcheinander auf einmal gegen die Fenster der tieferliegenden Wagenseite lehnten. Der Wagen steckt fest, man hört Cudjoe draußen zwischen den Pferden fluchend hantieren. Nach einigem vergeblichen Ziehen und Zerren — der Senator verlor schon alle Geduld — kommt der Wagen mit einem gewaltigen Ruck heraus, aber schon rutschen die Vorderräder in den nächsten Abgrund, und Senator, Frau und Kind purzeln bunt durcheinander auf die Vordersitze. Des Senators Hut ist ihm durch den Anprall über Augen und Nase gerutscht, so daß er für einen Augenblick völlig erblindet ist, das Kind schreit, und Cudjoe hat mit den Pferden draußen eine lebhafte Auseinandersetzung, die unter seinen wiederholten Peitschenhieben sich wild aufbäumen, ausschlagen und erneut heftig ins Geschirr legen. Der Wagen ruckt auch wieder an, jetzt aber versinken die Hinterräder, Senator, Frau und Kind fliegen auf den Rücksitz, seine Ellbogen verwickeln sich in ihre Haubenbänder, und ihre beiden Füße geraten in seinen Hut, der ihm bei der Erschütterung vom Kopf gefallen war. Nach wenigen Minuten war die böse Stelle geschafft, und die Pferde hielten keuchend inne. Der Senator fand seinen Hut wieder, die Frau rückte an ihrer Haube und beruhigte das Kind, und alle wappneten sich für weitere Zwischenfälle.

Für eine Weile schleuderte der Wagen ziemlich gleichmäßig von Loch zu Loch, Stoß und Aufprall wechselten sich ab, so daß die Insassen sich schon heimlich sagten, es sei am Ende gar nicht so schlimm. Aber schließlich blieb der Wagen nach einem jähen Sturz, der alle von ihren Sitzen auffahren und ebenso rasch zurücksinken ließ, endgültig stehen, und nach einem heftigen Lärm mit seinen Pferden öffnete Cudjoe den Schlag:

»Nichts für ungut, Herr, aber dies ist ein schlimmes Loch. Ich weiß nicht, wie wir hier herauskommen sollen. Ich fürchte, wir müssen Schienen herbeiholen.«

Den Senator packte die Verzweiflung. Er tastete vorsichtig mit dem Fuß nach einem festen Halt, glitt aber sofort in grundlose Tiefen, vergeblich versuchte er, wieder herauszukommen. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte in den Morast, um von Cudjoe in bejammernswertem Zustand wieder herausgefischt zu werden.

Es war tief in der Nacht, als der Wagen schlammbespritzt endlich aus der Flut des Creek auftauchte und vor der Tür eines großen Farmerhauses hielt.

Es kostete keine geringe Mühe, die Insassen herauszuklopfen, aber schließlich kam der biedere Eigentümer zum Vorschein und schloß die Haustür auf. Er war ein großer, hochgewachsener, struppiger Kerl, sechs Fuß hoch, der ein rotes Flanellhemd trug. Eine dichte, sandfarbene Haarmähne, völlig zerzaust, und ein Bart von einigen Tagen gaben ihm kein besonders einnehmendes Aussehen. Er stand einige Minuten mit erhobener Kerze und blinzelte unsere Reisenden so verwirrt und ungläubig an, daß es beinah zum Lachen reizte. Der Senator machte längere Anstrengungen, ihm den ungewöhnlichen Fall begreiflich zu machen. Während er noch dabei ist, können wir unsere Leser mit dem Fremden rasch bekannt machen.

Der ehrliche John van Trompe war einst ein sehr angesehener Land–und Sklavenbesitzer von Kentucky gewesen. Da er vom Bären nur das Fell besaß, im übrigen aber ein großes, ehrliches und gerechtes Herz hatte, was gut zu seinen riesigen Ausmaßen paßte, hatte er einige Jahre lang mit wachsender Besorgnis die praktische Anwendung eines Systems mit angesehen, das für Unterdrückte und für Unterdrücker gleichermaßen schlecht war. Eines Tages aber konnte er es nicht länger ertragen. Er ging nach Ohio, wo er eine gute Strecke schönen, fruchtbaren Landes kaufte. Dann schrieb er Freibriefe für alle seine Leute — Männer, Frauen und Kinder -, packte sie in Wagen und hieß sie, sich dort anzusiedeln. Er selber wandte sich in Richtung des Creek, wo er sich still auf eine saubere kleine Farm zurückzog mit dem angenehmen Gefühl, eine gute Tat getan zu haben.

»Seid Ihr der Mann, eine arme Frau mit ihrem Kind vor Sklavenjägern zu beschützen?« fragte der Senator ohne Umschweife.

»Das sollte ich meinen«, sagte der ehrliche John mit großem Nachdruck.

»Dann bin ich beruhigt«, antwortete der Senator.

»Wenn einer was von mir will«, sagte der gute Mann, sich zur vollen Höhe aufrichtend, »dann soll er nur kommen. Ich habe sieben Söhne, jeder sechs Fuß hoch, die werden ihn schon empfangen. Können ihm ja bestellen, er soll nur anfangen, uns macht das nichts«, meinte John, mit den Fingern durch das Haardickicht fahrend, das ihm wie ein Strohdach in die Stirn hing, und brach in ein lautes Lachen aus.

Erschöpft, todmüde und gerädert schleppte sich Eliza die Stufen hinauf. Das schlafende Kind lag ihr schwer im Arm. Der rauhe Farmer leuchtete ihr mit der Kerze ins Gesicht, ließ ein mitleidiges Grunzen hören und öffnete ihr die Tür zu einer kleinen Schlafkammer neben der Küche. Er nahm eine neue Kerze, zündete sie an und setzte sie auf den Tisch. Dann wandte er sich an Eliza:

»Mädel, hab keine Angst mehr. Da mag kommen, wer will. Ich bin auf alles gefaßt«, und er deutete auf zwei oder drei gute Gewehre, die über dem Kamin hingen. »Wer mich kennt, weiß, daß es ihm nicht bekäme, hier jemand gegen meinen Willen herauszuholen. Leg dich ruhig schlafen und denke, deine Mutter wiegt dich ein«, sagte er, als er die Tür schloß.

»Das ist ein bildschönes Mädchen«, sprach er zum Senator. »Ach ja, die Hübschen müssen oft am weitesten laufen, wenn sie nur ein bißchen Anstand im Leibe haben, das kenne ich schon.«

Der Senator erzählte in wenigen Worten Elizas Geschichte.

»O wei, o wei, das soll nur einer hören«, rief der gute Mann voller Mitleid. »Das arme Geschöpf! Muß sich jagen lassen wie ein Wild, nur weil es ein natürliches Gefühl hat und so handelt, wie das jede Mutter tun würde. Ich kann nur sagen, fluchen möchte man, solche Zustände!« sagte der ehrliche John. »Ich will Euch was sagen, Fremder«, fuhr er fort, »ich bin jahrelang der Kirche fern geblieben, weil die Geistlichen sagten, die Bibel vertrete diese Greuel. Darüber kam ich nicht hinweg. Das Griechische und Hebräische, das hatte mir die Bibel auch verleidet. Erst als ich einen Geistlichen fand, der es mit dem Griechischen aufnehmen konnte und das Gegenteil predigte, trat ich bei, da machte ich kurzen Prozeß und schloß mich der Kirche an — so war's basta«, schloß John, der während des Redens eine Flasche schäumenden Apfelweins entkorkt hatte, den er jetzt anbot.

»Ihr bleibt am besten auch hier bis zum frühen Morgen«, sagte er herzlich. »Ich werde meine Alte rufen, die schlägt Euch im Handumdrehen ein Bett auf.«

»Ich danke Euch, mein Freund«, erwiderte der Senator. »Aber ich muß weiter, um die Kutsche nach Columbus zu erreichen.«

»Nun gut, wenn Ihr fort müßt, werde ich Euch ein Stück begleiten und Euch einen Richtweg zeigen, der besser ist als die unwegsame Straße.«

John zog sich an, nahm eine Laterne und zeigte dem Wagen des Senators einen Weg, der hinter seiner Farm eine Senke hinabführte. Als sie sich trennten, drückte ihm der Senator eine Zehndollarnote in die Hand.

»Das ist für Sie«, sagte er kurz.

»Schon gut«, sagte John mit gleicher Knappheit.

Sie schüttelten sich die Hand und gingen auseinander.