Seine gute Figur, seine flinken Glieder und sein aufgewecktes Gesicht erregten sogleich starkes Interesse; ein halb Dutzend Angebote schwirrten dem Versteigerer sofort um die Ohren. Ängstlich und halb erschrocken blickte der Junge von einem zum anderen, als er die aufeinanderplatzenden Angebote hörte, bis der Hammer fiel. Haley hatte ihn erstanden. Man schob ihn von dem Klotz hinunter seinem neuen Herrn zu, aber er stockte und sah sich nach seiner alten Mutter um, die die zitternden Arme nach ihm ausstreckte.
»Kauft mich auch, Herr, um Christi Barmherzigkeit — kauft mich–ich sterbe sonst auf der Stelle.«
»Du würdest sterben, wenn ich es täte, das ist der Haken«, sagte Haley, — »nein!« und er drehte sich auf dem Absatz um.
Die Versteigerung der armen Alten ging schnell vor sich. Der Mann, der mit Haley gesprochen hatte, schien doch ein Herz zu haben: er kaufte sie für einen Pfifferling, und die Zuschauer begannen sich zu verlaufen.
Die armen Opfer der Versteigerung, die jahrelang auf einem Gut zusammen gelebt hatten, scharten sich um die verzweifelte alte Mutter, deren Seelenpein herzzerreißend mitanzusehen war.
»Konnten sie mir nicht den einen lassen? Der Herr hat immer gesagt, den einen dürfte ich behalten, nur den einen«, wiederholte sie immer wieder mit gebrochener Stimme.
»Vertrau auf Gott, Tante Hagar«, sprach einer der Leute bekümmert.
»Was habe ich davon?« fragte sie und weinte bitterlich.
»O Mutter, nicht doch, nicht doch«, sagte der Junge. »Sie sagen, du kriegst einen guten Herrn.«
»Das ist mir gleich, das ist mir gleich. O Albert, mein Sohn, du bist mein letztes Kind, o Gott, wie soll ich das ertragen?«
»Kommt, jagt sie fort, einer von euch«, sagte Haley trocken, »es schadet ihr, wenn sie sich so aufregt.«
Die älteren Männer in der Gesellschaft bewogen die arme Alte teils durch Überredung, teils durch Gewalt, ihren verzweifelten Widerstand aufzugeben, mit vielen tröstenden Worten brachten sie sie zu dem Wagen ihres neuen Herrn.
»Los«, rief Haley und schob seine drei neugekauften Neger zusammen; er zog ein Bündel Handschellen hervor, die er um ihre Handgelenke schloß, befestigte jede Handschelle an einer langen Kette und trieb die Neger vor sich her zum Gefängnis.
Einige Tage später sah man Haley mit seinen neuerworbenen Sklaven sicher an Bord eines Flußdampfers. Es war der Anfang seines großen Transportes, der sich unterwegs durch weitere Einkäufe, teils durch ihn, teils durch seine Agenten längs der Küste, ständig vergrößerte.
Der Dampfer >La belle Riviere< war ein schönes und stattliches Schiff, unter strahlendem Himmel schwamm es munter stromabwärts, die Flagge mit den Streifen und Sternen des freien Amerika flatterte lustig im Winde; Soldaten mischten sich unter die wohlgekleideten Herren und Damen, die an Deck auf und ab spazierten und den herrlichen Tag genossen. Alle waren voll schäumenden Lebens, strahlend und froh, alle außer Haleys Negertrupp, den man mit anderem Frachtgut auf dem Zwischendeck verstaute. Keiner von ihnen schien die Schönheit zu beachten, als sie da zusammenhockten und leise miteinander sprachen.
»Hört mal, Leute«, sagte Haley, mit raschen Schritten hinzukommend, »ich hoffe, ihr laßt mir nicht den Kopf hängen. Immer munter. Nur nicht schlecht gelaunt. Haltet die Ohren steif, Burschen, steht ihr zu mir, steh ich zu euch.«
So angeredet, erwiderten die Leute ihr unvermeidliches »Ja, Herr«, das seit Jahrhunderten das Losungswort des armen Afrika ist. Aber es ließ sich nicht verhehlen, keiner von ihnen sah heiter aus. Sie grämten sich um ihre Frauen, Mütter, Schwestern und Kinder, die sie zum letztenmal gesehen hatten. So schnell ließ sich da keine Heiterkeit kommandieren.
»Ich habe ein Weib«, sprach einer mit Namen John und legte seine gefesselte Hand auf Toms Knie, »und sie weiß noch gar nichts, das arme Mädchen!«
»Wo wohnt sie denn?« fragte Tom.
»In einem Gasthaus, ein Stück flußab«, antwortete John. »Ich wollte, ich könnte sie noch einmal sehen auf dieser Welt«, setzte er hinzu.
Armer John! Die Tränen, die er beim Sprechen vergoß, flossen ihm so natürlich die Wangen herab wie einem weißen Mann. Tom seufzte aus beklommenem Herzen und versuchte, so gut er konnte, zu trösten.
Und über ihnen, in Kabinen, da saßen Eltern, Männer und Frauen. Um sie sprangen fröhliche Kinder. Dort gab es keine Sorgen und keinen Kummer.
»O Mammi«, sagte ein Junge, der gerade von unten heraufkam, »da ist ein Negerhändler an Bord, er hat dort unten vier oder fünf Sklaven.« »Arme Menschen«, erwiderte die Mutter halb entrüstet, halb bekümmert.
»Was gibt's denn?« fragte eine andere Dame.
»Unten sind ein paar arme Sklaven«, antwortete die Mutter.
»Und sie liegen in Ketten«, sagte der Junge.
»Welche Schande für das ganze Land, so etwas mitanzusehen«, meinte die andere Dame.
»Oh, die Sache hat durchaus ihre zwei Seiten«, sagte eine vornehme Dame, die vor der Tür ihrer Kabine saß und handarbeitete, während ihre zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, neben ihr spielten. »Ich komme aus dem Süden und muß sagen, die Neger haben es da besser, als wenn sie frei wären.«
»In mancher Hinsicht geht es gewiß einigen ganz gut«, sagte die Dame, der die Antwort gegolten hatte. »Das Schrecklichste an der Sklaverei ist meiner Ansicht die Art, wie man auf den Neigungen und Gefühlen der Armen herumtrampelt, wie man die Familien zum Beispiel auseinanderreißt.«
»Das ist zweifellos nicht richtig«, stimmte die erste Dame eifrig zu, sie hielt ein Babyröckchen in die Höhe, das sie gerade fertiggestellt hatte, und musterte die Stickerei. »Aber ich bin sicher, das kommt nur selten vor.«
»Weit gefehlt«, sagte die erste Dame nachdrücklich. »Ich habe viele Jahre sowohl in Kentucky wie in Virginia gelebt, was ich gesehen habe, kann einem das Herz umdrehen. Stellen Sie sich vor, Madam, man nähme Ihre lieben Kinder dort und verkaufte sie?«
»Wir können Leute dieser Klasse nicht nach unseren Gefühlen beurteilen«, sagte die andere Dame und sortierte die Seidenfäden auf ihrem Schoß.
»Wahrhaftig, Madam, wenn Sie so sprechen können, haben Sie keine Ahnung von den Negern«, antwortete die erste Dame mit großer Wärme. »Ich bin unter Negern geboren und erzogen worden. Ich weiß, sie fühlen so heiß wie wir, vielleicht noch heißer — «
Die Dame sagte: »Tatsächlich?«, gähnte und blickte zum Kabinenfenster hinaus, um abschließend ihre anfängliche Bemerkung zu wiederholen: »Letzten Endes geht es ihnen besser, als wenn sie frei wären.«
»Zweifellos ist es der Wille der Vorsehung, die afrikanische Rasse in Knechtschaft und Niedrigkeit verharren zu lassen«, sagte ein feierlich aussehender Herr in Schwarz, ein Geistlicher, der neben der Kabinentür saß. »Verflucht sei Kanaan und sei ein Knecht aller Knechte, sagt die Heilige Schrift.«
»Legt man den Text wirklich so aus?« fragte ein langer Mann, der daneben stand.
»Zweifellos. Aus unerklärlichem Grunde hat es der Vorsehung gefallen, diese Rasse vor Jahrhunderten in Bande zu schlagen, daran dürfen wir nicht rütteln.«
»Na, dann können wir ja alle darangehen und lustig Neger kaufen, wenn die Vorsehung es so haben will — nicht wahr, Meister?« sagte der lange Mann zu Haley gewandt, der mit den Händen in den Taschen neben dem Ofen gestanden hatte und der Unterhaltung aufmerksam gefolgt war.
»Ja«, fuhr er fort, »wir müssen uns alle dem Willen der Vorsehung fügen. Nigger müssen halt verkauft, vertauscht und unterdrückt werden, dazu sind sie da. So verstanden sind das schöne Ansichten, nicht wahr, Herr?« sagte er wiederum zu Haley.
»Da kenne ich mich nicht aus«, antwortete Haley. »Ich kann das selbst nicht behaupten, da bin ich zu ungebildet. Ich trat in den Sklavenhandel ein, um mir meinen Unterhalt zu verdienen; wenn es unrecht ist, so habe ich die Absicht, es noch rechtzeitig zu bereuen, versteht Ihr.«