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Jetzt öffnete sich die Tür, und eine kleine Frau, kurz und rund wie ein Nadelkissen, stand auf der Schwelle mit einem fröhlichen, blühenden Gesicht wie ein reifer Apfel. Sie war wie Rachel in ein strenges Grau gekleidet, und das Musselintuch war über ihrer vollen runden Brust gefaltet.

»Ruth Stedman!« rief Rachel und ging ihr freundlich entgegen. »Wie geht es dir, Ruth?« sagte sie und ergriff sie herzlich an beiden Händen.

»Großartig«, erwiderte Ruth, indem sie ihren grauen Hut abnahm, mit dem Taschentuch darüber fuhr und dabei einen runden kleinen Kopf zeigte, auf dem ganz keck das Quäkerhäubchen saß, trotz allen Streichens und Rückens der kleinen Patschhände, die es eifrig zurechtzupften. Einige lose Locken ihres geringelten Haares waren ihr auch hier und da entschlüpft und mußten wieder gebändigt werden. Dann drehte sich der Gast, der wohl fünfundzwanzig Jahre sein mochte, vom Spiegel ab, vor dem er sich in Ordnung gebracht hatte, und sah allerliebst aus, auch jeder andere konnte an der jungen Frau Wohlgefallen haben, denn sie war entschieden eine gesunde kleine Person, von munterem Wesen und gutherzigem Aussehen, das nur je eines Mannes Herz erfreute.

»Ruth, diese Freundin ist Eliza Harris, und dies ist der kleine Junge, von dem ich dir schon erzählte.«

»Das freut mich, daß ich dich treffe, Eliza — wirklich«, sagte Ruth und schüttelte ihr die Hand, als sei Eliza eine alte Freundin, auf die sie lange gewartet hatte; »und dies ist dein lieber Bub — ich habe ihm einen Kuchen mitgebracht«, sagte sie und hielt dem Kind einen Kringel hin, das herankam, blinzelnd durch seine Locken blickte und das Geschenk annahm.

»Wo ist dein Kleiner, Ruth?« fragte Rachel.

»Er kommt gleich; aber deine Mary nahm ihn mir ab, als wir kamen, und ist mit ihm in die Scheune gelaufen, um ihn den anderen Kindern zu zeigen.«

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Mary, ein Mädchen mit offenem, rosigem Gesicht und den großen braunen Augen ihrer Mutter, kam mit dem Baby herein.

»Ah, sieh da!« rief Rachel, kam herbei und nahm den dicken, hellen, kleinen Kerl in ihre Arme; »wie gut sieht er aus und wie ist er gewachsen!«

»Ja, das ist wahr«, sagte die geschäftige kleine Mary; sie nahm das Kind, band ihm ein kleines, blauseidenes Häubchen ab und befreite es aus seinen Windeln und seinen äußeren Umhüllungen; nachdem sie es zurechtgezupft und auf die verschiedenste Weise geputzt und ausstaffiert hatte, küßte sie es herzlich ab und setzte es auf den Boden, damit es wieder zur Besinnung kam. Aber das Baby schien eine solche Behandlung ganz gewohnt zu sein, denn es streckte prompt sein Däumchen in den Mund (als ob es so sein müßte) und schien alsbald seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, während seine Mutter Platz nahm und einen langen Strumpf aus blau–weißem Garn hervorholte, an dem sie eifrig zu stricken begann.

»Mary, ob du nicht lieber den Kessel füllen gehst?« erinnerte sanft die Mutter.

Mary nahm den Kessel, ging zum Brunnen und kam gleich zurück und setzte ihn auf den Herd, wo er bald anfing zu singen und zu dampfen wie eine Art Symbol heiterer Gastlichkeit. Die Pfirsiche wurden gleichfalls auf einige sanfte Flüsterworte ihrer Mutter hin von Mary in einer Schmorpfanne über das Feuer gestellt.

Dann nahm Rachel ein schneeweißes Kuchenbrett herunter, band eine Schürze um und machte sich daran, kleine Kuchen zum Tee zu bereiten, nachdem sie Mary noch rasch zugeflüstert hatte: »Mary, ob du wohl schon Bescheid sagst, John möchte ein Huhn schlachten?«

»Wie geht es Abigail Peters?« fragte sie jetzt und knetete ihren Teig.

»Ach, ihr geht es besser«, erwiderte Ruth; »ich habe sie heute morgen besucht; ich habe ihr das Bett gerichtet und ein bißchen im Haus sauber gemacht. Leah Hills ist heute nachmittag hin und hat für ein paar Tage Brot und Auflauf gebacken, und ich habe versprochen, heute abend noch einmal nach ihr zu sehen.«

»Dann kann ich morgen hingehen und das Aufräumen besorgen und nachsehen, ob es etwas zu flicken gibt«, sagte Rachel.

»Ja, das ist sehr schön«, antwortete Ruth. »Ich habe gehört«, fuhr sie fort, »daß Hannah Stanwood erkrankt ist. John ist gestern abend dort gewesen — dann werde ich morgen dorthin gehen.«

»Dann soll John zu uns zum Essen kommen, wenn du den ganzen Tag dort bleiben solltest«, schlug Rachel vor.

»Danke vielmals, Rachel; das können wir ja morgen abwarten; da ist ja Simeon!«

Simeon Halliday, ein baumlanger, muskulöser Mann in naturfarbenem Rock und Hosen, mit einem breitkrempigen Hut, trat herein.

»Grüß dich Gott, Ruth«, sagte er herzlich, als er ihre kleine Grübchenhand in seine große offene Rechte nahm; »was macht John?«

»Oh, John geht es gut, ebenso allen übrigen«, antwortete Ruth vergnügt.

»Was gibt's Neues, Vater?« fragte Rachel und schob ihre Kuchen in den Ofen.

»Peter Stebbins sagte mir, sie würden heute abend mit Freunden vorbeikommen«, sagte Simeon bedeutungsvoll, während er sich an dem hübschen kleinen Waschtisch in einem kleinen Vorraum die Hände wusch.

»Aha!« sagte Rachel nachdenklich und blickte auf Eliza.

»Sagtest du nicht, dein Name sei Harris?« fragte Simeon Eliza, als er wieder zum Vorschein kam.

Rachel warf einen scharfen Blick auf ihren Mann, während Eliza mit einem zitternden »Ja« antwortete; sofort stand die Angst in ihr auf, man möchte sie mit Steckbriefen verfolgen.

»Mutter!« rief Simeon aus dem Waschraum, Rachel zu sich winkend.

»Was willst du denn, Vater?« fragte Rachel, ihre mehligen Hände abreibend, und trat zu ihm hin.

»Der Mann der jungen Frau ist in der Siedlung und kommt heute abend herüber«, sagte Simeon.

»Was, Vater, ist das möglich?« antwortete Rachel mit freudestrahlendem Gesicht.

»Es ist wirklich wahr. Peter war gestern mit dem Wagen auf der anderen Station und traf dort eine alte Frau und zwei Männer, und der eine nannte sich Georg Harris, und aus allem, was er erzählte, entnahm ich, daß er es ganz gewiß sein muß. Er ist ein hübscher, stattlicher Mensch.«

»Wollen wir es ihr jetzt gleich sagen?« fragte Simeon.

»Wir sagen es erst Ruth«, erwiderte Rachel. »Komm doch einmal her, Ruth!«

Ruth legte ihr Strickzeug hin und erschien sogleich im Vorraum.

»Ruth, was sagst du nur«, sagte Rachel. »Vater erzählt gerade, daß Elizas Mann im letzten Transport dabei ist und heute abend hier eintrifft.«

Ein Freudenschrei der kleinen Quäkerin unterbrach ihre Rede. Sie klatschte in die Hände und machte einen solchen Freudensprung, daß sie zwei lose Locken unter ihrem Quäkerhäubchen lösten und auf ihr weißes Halstuch fielen. »Still, still, liebes Kind!« beschwichtigte sie Rachel sanft; »pst, Ruth, sollen wir es ihr gleich sagen?«

»Sofort! Ganz gewiß, in diesem Augenblick. Denke nur, es wäre mein John, wie wäre mir dann zumute? Schnell, sage es ihr!«

»Du liebst deine Nächsten auch nur nach deinen eigenen Gefühlen, Ruth«, meinte Simeon; auch sein Gesicht strahlte vor Freude.

»Natürlich. Sind wir nicht dazu da? Wenn ich nicht meinen John und das Baby so liebte, könnte ich jetzt Eliza die Freude nicht nachfühlen. Komm jetzt, erzähle es ihr gleich!« Und sie legte beschwörend ihre Hand auf Rachels Arm. »Führe sie in dein Schlafzimmer, ich will so lange das Hühnchen braten!«

Rachel kam zurück in die Küche, wo Eliza an ihrer Näharbeit saß. Die Tür zu ihrer Schlafstube öffnend, sagte sie sanft: »Komm einmal hier herein, meine Tochter; ich habe eine Neuigkeit für dich.«

Das Blut stieg Eliza in ihr blasses Gesicht; sie erhob sich in zitternder Angst und blickte auf ihren Knaben.

»Nein, nein«, rief die kleine Ruth herbeistürzend und ihre Hände ergreifend. »Hab keine Angst; es ist eine gute Nachricht, Eliza, geh nur hinein, geh nur hinein!« Und sie drängte sie sanft zur Tür, die sich hinter ihr schloß; dann drehte sie sich herum, ergriff den kleinen Harry und küßte ihn ab.