»Bedenken Sie es nur recht«, sagte der Händler. »Sehen Sie seine Glieder, die breite Brust, der ist stark wie ein Pferd. Sehen Sie den Kopf; die hohe Stirn ist immer ein Zeichen, daß die Neger zu rechnen verstehen und Bescheid wissen. Das habe ich oft gemerkt. Ich behaupte also, ein Neger von diesem Schlag ist schon ein gutes Stück Geld wert, auch wenn er dumm wäre, allein wegen seines Körpers. Zieht man dazu seine geistigen Fähigkeiten und sonstigen ungewöhnlichen Gaben noch in Rechnung, so steigert das natürlich seinen Wert. Was sage ich, der Bursche hat doch seines Herrn Farm ganz allein verwaltet; er hat einen ganz ungewöhnlichen Geschäftssinn.«
»Schlimm, schlimm, sehr schlimm; da weiß er viel zuviel!« sagte der junge Mann, und wieder spielte das spöttische Lächeln um seine Lippen. »Mit so einem kommt man nicht weit. Solche schlauen Kerle reißen aus, stehlen Pferde und haben den Teufel im Leibe. Wegen seiner Schlauheit müßten Sie gerade ein paar hundert Dollar ablassen.«
»Da mag schon was daran sein, wenn er nicht einen so goldtreuen Charakter hätte. Ich kann Ihnen Empfehlungen seines Herrn und auch anderer Leute zeigen, danach ist er wirklich einer von den Frommen — das bescheidenste und frömmste Geschöpf, das Ihnen je begegnete. Tatsächlich hat man ihn doch in seiner Heimat den Prediger genannt.«
»Dann kann ich ihn womöglich als Familienkaplan einstellen«, bemerkte der junge Mann trocken. »Das wäre auch ein Gedanke. Religion ist sowieso in meinem Hause ein recht seltener Artikel.«
»Sie scherzen, mein Herr.«
»Woher wollen Sie das wissen? Haben Sie ihn nicht soeben als Prediger angepriesen? Hat er am Ende eine Prüfung vor dem Kirchenrat abgelegt? Kommen Sie, zeigen Sie einmal die Papiere.«
Hätte der Händler nicht an einem belustigten Funkeln der großen blauen Augen erkannt, daß alle Fopperei doch schließlich klingende Münze einbringen würde, wäre ihm vielleicht die Geduld ausgegangen, so aber legte er seine schmierige Brieftasche auf die Baumwollballen und forschte eifrig in seinen Papieren, während der junge Mann daneben stand und mit einem Ausdruck sorgloser Unbekümmertheit auf ihn herniederblickte.
»Papa, kauf ihn doch! Der Preis ist doch ganz gleich«, flüsterte Eva leise; sie war auf einen Ballen geklettert und hatte ihrem Vater den Arm um den Hals geschlungen. »Kauf doch den guten Mann. Ich weiß, du hast genug Geld. Ich möchte ihn gern haben.«
»Wozu denn, Mäuschen? Willst du ihn als eine Klapper oder als ein Schaukelpferd benutzen?«
»Ich will ihn glücklich machen.«
»Das ist allerdings ein eigentümlicher Grund.«
Jetzt überreichte ihm der Sklavenhändler eine Bescheinigung, unterzeichnet von Mr. Shelby, die der junge Mann nur mit Fingerspitzen anfaßte und nachlässig überflog.
»Eine gebildete Schrift«, sagte er, »auch die Rechtschreibung ist richtig. Aber mit seiner Religion, das gibt mir doch zu denken«, und wieder trat der spöttische Ausdruck in seine Augen. »Das Land wird bereits von frommen, weißen Leuten fast zugrunde gerichtet. Was haben wir vor den Wahlen doch für fromme Staatsmänner, da herrscht in allen Kirchensprengeln, in allen Staatsdepartements ein so tolles Treiben der Frömmigkeit, daß man nie voraussagen kann, wer einen zuerst übers Ohr hauen wird. Ich weiß jetzt nicht Bescheid, wie hoch Religion zur Zeit im Kurs steht. Ich habe versäumt, in den Zeitungen nachzuschauen, was jetzt dafür geboten wird. Wie hoch lassen Sie sich denn die Religion bezahlen?«
»Jetzt scherzen Sie wieder«, sagte der Händler. »Aber in gewisser Weise haben Sie durchaus recht. Ich weiß, es gibt Unterschiede in der Religion. Manche Art taugt gar nichts: die Gemeindefrommen, die Frommen, die singen und Gebete leiern, die sind nichts wert, mögen sie nun schwarz oder weiß sein. Aber hier ist es etwas anderes. Gerade bei den Niggern hat man oft diese stille, sanfte, aufrichtige Frömmigkeit. Die lassen sich um nichts in der Welt zu einem Unrecht verleiten; hier in diesem Brief können Sie lesen, was Toms ehemaliger Herr von ihm sagt.«
»Na«, sagte der junge Mann und beugte sich ernsthaft über seine Brieftasche, »wenn Sie mir zusagen, daß ich diese Frömmigkeit wirklich kaufen kann und daß sie in dem himmlischen Rechnungsbuch auf mein Konto geht, als ob sie mir tatsächlich gehört, dann wird mir ein kleiner Aufschlag nichts ausmachen. Was meinen Sie?«
»Das kann ich freilich nicht garantieren«, sagte der Händler. »Da oben wird wohl jeder seine eigene Religion begleichen müssen.«
»Dann ist es doch bitter für einen Menschen, der extra für Religion bezahlt, daß er damit im Jenseits keine Geschäfte machen kann, wo er es wahrhaftig nötig hätte, finden Sie nicht?« sagte der junge Mann, der während dieses Gespräches ein Bündel Banknoten durchgezählt hatte. »Da, altes Haus, zählt Euer Geld!« setzte er hinzu, als er dem Händler das Geld übergab.
»Geht in Ordnung«, sprach Haley, sein Gesicht glänzte vor Befriedigung. Nachdem er ein altes Tintenfaß hervorgezogen, begann er einen Kaufvertrag aufzusetzen, den er kurz danach dem jungen Mann überreichte.
»Ich möchte nur wissen, was ich wert wäre, wenn man mich einteilen und abschätzen würde«, sagte letzterer, während er das Papier durchflog. »Soviel für die Form meines Kopfes, soviel für eine hohe Stirn, soviel für Arme, Hände und Beine, und dann etwas für die Erziehung, Bildung, Begabung, Aufrichtigkeit und Religion! Gott behüte! Für das letzte müßte man herzlich wenig veranschlagen. Aber jetzt komm, Eva«, sagte er und nahm seine kleine Tochter bei der Hand. Er schlenderte mit ihr zu der anderen Seite des Dampfers und faßte dort gleichmütig Tom unters Kinn und sprach: »Blick einmal auf und betrachte dir deinen neuen Herrn!«
Tom blickte auf. Es wäre wider die Natur gewesen, nicht mit Vergnügen in dieses heitere, junge und hübsche Gesicht zu sehen; und Tom spürte, wie ihm die Tränen kamen, als er von Herzensgrund sagte:
»Gott segne Euch, Herr!«
»Das wollen wir hoffen. Wie heißt du? Tom? Er wird es auf deine Bitte hin wohl tun. Verstehst du dich auf Pferde?«
»Ich bin mein Lebtag mit Pferden umgegangen«, erwiderte Tom.
»Na, dann werde ich dich als Kutscher anstellen, aber unter einer Bedingung: du darfst dich nicht mehr als einmal in der Woche betrinken, es sei denn aus besonderem Anlaß, Tom.«
Tom sah überrascht und ein wenig gekränkt aus, als er sagte: »Ich trinke niemals, Herr.«
»Diese Versicherung habe ich schon öfters gehört, Tom; das wollen wir erst abwarten. Es wird allen Beteiligten die Arbeit ungemein erleichtert, wenn du nicht trinkst. Nichts für ungut, mein Junge«, setzte er gutmütig hinzu, als er sah, daß Tom noch immer ein ernstes Gesicht machte; »ich bin überzeugt, du hast die besten Vorsätze.«
»Ganz bestimmt, Herr«, versicherte Tom.
»Und du sollst es gut haben«, sagte Eva. »Papa ist zu allen Menschen gut, er neckt sie nur immer.«
»Papa bedankt sich für deine Empfehlung«, sagte St. Clare lachend; dann kehrte er sich um und ging weiter.
15. Kapitel
Von Toms neuem Herrn und manchen anderen Dingen
Nachdem sich der Lebensfaden unseres bescheidenen Helden in das Schicksal höher gestellter Menschen verwoben hat, sehen wir uns genötigt, diese erst einmal vorzustellen.
Augustin St. Clare war der Sohn eines reichen Pflanzers in Louisiana. Seine Familie stammte ursprünglich aus Kanada. Von zwei Brüdern, sehr ähnlich im Charakter und Temperament, hatte sich der eine auf einer blühenden Farm in Vermont niedergelassen, während der andere eben jener mächtige Pflanzer in Louisiana geworden war. Augustins Mutter stammte aus einer französischen Hugenottenfamilie, die in Louisiana eingewandert war, als dieses Land eben besiedelt wurde. Augustin und sein Bruder waren die einzigen Kinder ihrer Eltern. Er hatte von seiner Mutter die ungewöhnlich zarte Gesundheit geerbt, so daß man ihn während seiner Kindheit auf ärztlichen Rat für mehrere Jahre der Obhut seines Onkels in Vermont anvertraute, damit er sich in dem rauhen Klima kräftigen möge.