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»Ich war vorsichtig, und ich war geduldig. Aber es wird nur immer schlimmer. Ich kann es nicht länger ertragen. Er läßt sich keine Gelegenheit entgehen, mich zu quälen und zu schinden. Ich dachte, ich könnte in Ruhe meine Arbeit verrichten und nebenbei noch etwas lesen und lernen; aber je mehr ich tue, desto mehr bürdet er mir auf. Er sagte, wenn ich auch nicht redete, so sehe er doch, daß ich den Teufel im Leibe hätte, den wolle er mir austreiben. Und eines Tages treibt er ihn heraus, dann wird er sein blaues Wunder erleben.«

»O Gott, was wird aus uns?« rief Eliza in echtem Schmerz.

»Erst gestern«, fuhr Georg fort, »lud ich Steine in einen Karren, als der junge Herr Tom daneben stand und so nahe neben dem Pferd anfing, mit der Peitsche zu knallen, daß das Tier scheute. Ich bat, er möge es lassen, so freundlich wie ich konnte — da tat er es erst recht. Als ich ihn abermals bat, wandte er sich um und schlug nach mir. Da hielt ich seine Hand fest, aber er brüllte und trat nach mir und lief zu seinem Vater und sagte, ich hätte ihm weh getan. Der kam wutentbrannt herbei und schrie, er wolle mich lehren, wer mein Herr sei. Und er band mich an einem Baum fest und schnitt dem kleinen Herrn frische Ruten ab, damit er mich schlagen könne, bis er müde sei. Und er hat es getan. Eines Tages werde ich es ihm heimzahlen.« Die Stirn des jungen Mannes umwölkte sich, und in seinen Augen brannte ein wildes Feuer, so daß sein junges Weib erzitterte. »Wer hat diesen Mann zu meinem Herrn gemacht? Das wüßte ich gern!«

»Ach«, sagte Eliza traurig, »ich habe immer gedacht, ich müsse dem gnädigen Herrn und der gnädigen Frau gehorchen, sonst sei ich keine gute Christin.«

»Du hast auch manchen Grund dazu. Sie haben dich wie ihr eigenes Kind erzogen, dich ernährt und gekleidet, dich gepflegt und unterrichtet, so daß du eine gute Erziehung bekamst. Sie können dich mit Recht beanspruchen. Aber ich wurde nur getreten und geknufft und mit Flüchen bedacht. Höchstens, daß sie mich einmal nicht beachteten. Was schulde ich ihnen? Ich habe meinen Unterhalt mehr als hundertmal bezahlt. Ich ertrage es nicht länger, nicht einen Tag!« Und er ballte zornig die Fäuste.

Eliza zitterte und schwieg. Sie hatte ihren Mann noch nie in einer solchen Verzweiflung gesehen. Ihre eigenen sanften Begriffe von Pflicht und Moral schienen vor diesem Sturm der Leidenschaft wie Spreu zu verwehen.

»Du kennst doch den armen kleinen Carlo, den Hund, den du mir geschenkt hast?« hub Georg aufs neue an. »Das gute Tier war dort mein einziger Trost. Er schlief des Nachts bei mir und wich mir am Tage nicht von der Seite. Und immer blickte er mich an, als verstünde er meine Not. Neulich fütterte ich ihn gerade mit ein paar Abfällen, die ich an der Küchentür aufgelesen hatte, als der Herr vorbeikam. Er sagte sogleich, ich fütterte den Hund auf seine Kosten, er könne es sich nicht leisten, jedem Nigger einen Hund zu halten. Darum befahl er mir, dem Tier einen Stein um den Hals zu binden und es im Teich zu ertränken.«

»O Georg, das hast du nicht getan?«

»Ich? Gewiß nicht, wohl aber er. Der Herr und Tom warfen mit Steinen nach dem armen Tier, als es im Wasser ertrank. Ach, es tat mir weh! Es blickte mich so traurig an, weil ich ihm nicht zu Hilfe kam. Mich hat man statt dessen ausgepeitscht, weil ich mich geweigert hatte. Das soll mir gleich sein. Mit Prügel bekommt man mich nicht klein, meine Stunde wird noch schlagen, der Herr soll sich noch wundern.«

»Was hast du vor? O Georg, versündige dich nicht! Vertraue doch auf Gott und bleib auf dem rechten Wege, dann wird er dich erlösen.«

»Ich bin kein Christ wie du, Eliza. Mein Herz ist voller Bitterkeit. Ich kann nicht auf Gott vertraun, warum läßt er solche Dinge geschehen?«

»O Georg, wir müssen fest im Glauben stehen. Die gnädige Frau sagt, wenn alles sich gegen uns verbündet, so müssen wir doch wissen, daß Gott alles zum besten wendet.«

»Die Leute haben gut reden; die sitzen auf Sofas und fahren fein im Wagen; laß sie an meiner Stelle sein, dann würden sie anders reden. Ich weiß, ich bin hart. Ich wollte, ich wäre es nicht. Aber alles in mir lehnt sich auf. Dir würde es an meiner Stelle nicht anders gehen. Aber ich bin noch nicht fertig. Du weißt noch nicht alles.«

»Noch etwas Schlimmes?«

»Ja. Der Herr bereut es plötzlich, daß er mir erlaubte, hierher zu heiraten. Denn er kann Mr. Shelby und dessen ganze Sippe nicht mehr ausstehen. Er sagt, sie seien stolz und rümpften die Nase über ihn. Und daß ich meinen Dünkel von dir hätte, darum will er mich nicht mehr hierher lassen. Ich soll dort ein Weib nehmen und eine Familie gründen. Anfangs schalt und brummte er nur, aber gestern befahl er mir, Minna zu heiraten und mit ihr in eine Hütte zu ziehen, sonst würde er mich flußabwärts verkaufen.«

»Wieso? Du bist doch mit mir verheiratet. Ein Priester hat uns getraut, genau wie die Weißen«, sagte Eliza unschuldsvoll.

»Weißt du nicht, daß ein Sklave nicht heiraten kann? Kein Gesetz dieses Landes garantiert ihm die Ehe. Wenn er gewillt ist, uns zu trennen, kann ich dich nicht mitnehmen als mein Weib. Darum wünschte ich, ich wäre nie geboren. Es wäre besser für uns beide. Es wäre auch besser für dieses arme Kind, es wäre nie geboren. Ihm mag das alles noch bevorstehen.«

»Aber mein Herr ist gut.«

»Das wohl. Aber wer weiß, er kann sterben, und dann wird das Kind an einen Wildfremden verkauft. Was haben wir davon, daß es hübsch und aufgeweckt und strahlend ist? Ich sage dir, Eliza, ein Schwert wird durch deine Seele gehen für jede gute Eigenschaft, die dein Kind besitzt. Es wird zu wertvoll, als daß du es behalten könntest!«

Diese Worte zerrissen Elizas Herz. Das Bild des Händlers trat ihr wieder drohend vor Augen. Sie wurde weiß wie die Wand und rang nach Atem, als ob ihr jemand einen tödlichen Streich versetzt hätte. Unruhig blickte sie sich nach dem Kinde um, das sich, gelangweilt und der ernsten Unterhaltung der Eltern, auf die Veranda verzogen hatte, wo es triumphierend auf Mr. Shelbys Spazierstock ritt. Sie hätte ihrem Mann gern ihre Ängste anvertraut, aber sie besann sich rechtzeitig.

»Nein — nein. Er hat schon genug zu tragen, der Ärmste. Ich sage es lieber nicht. Es stimmt auch gar nicht, die gnädige Frau hat uns noch nie betrogen!«

»Also Eliza, liebes Weib«, sagte Georg mit traurigem Blick, »sei tapfer und lebe wohl, denn ich muß scheiden.«

»Scheiden, Georg? Wo willst du hin?«

»Nach Kanada«, antwortete er, sich aufrichtend. »Wenn ich erst dort bin, werde ich dich freikaufen, das ist die einzige Hoffnung, die uns bleibt. Du hast einen guten Herrn, er wird sich nicht weigern, wenn ich dich freikaufe, dich und das Kind. Gott helfe uns!«

»Wie entsetzlich! Und wenn sie dich ergreifen?«

»Mich wird keiner ergreifen, Eliza. Lieber sterbe ich. Ich will die Freiheit oder den Tod!«

»Ach, du darfst dich nicht umbringen!«

»Keine Angst. Da sind sie mit dem Totschlagen schneller bei der Hand, aber auf dem Fluß werden sie mich nicht lebendig fangen.«

»O Georg, um meinetwillen, sei vorsichtig! Versündige dich nicht, lege keine Hand an dich oder einen andern. Man hat dich furchtbar gereizt, aber du sei — ja, fliehe, sei klug und vorsichtig! Bete zu Gott, er möge dir helfen.«

»Ja, Eliza, aber höre dir noch meine Pläne an. Mein Herr schickte mich heute mit einem Brief zu Mr. Symnes, der von hier noch eine Meile weiter wohnt. Er vermutet natürlich, daß ich dir im Vorbeigehen mein Herz ausschütten werde und freute sich schon, damit die Shelby–Leute zu ärgern. Nun werde ich ganz resigniert nach Hause kommen, verstehst du, als ob ich alle Hoffnung aufgäbe. Ich habe aber alles vorbereitet und habe Leute, die mir helfen. Im Laufe der Woche werde ich dann zu den Vermißten gehören. Bete du für mich, Eliza. Dich wird der Herrgott vielleicht erhören.«

»Ach, Georg, du mußt selber beten und auf ihn vertrauen. Dann wirst du kein Unrecht tun.«