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Nach dem Dinner und Diskussionen über Bewässerungsprojekte und Aufstände machte ich mich, begleitet von zwei Männern mit Laterne, auf den Weg zum Karawanenlager. Ein regnerischer Wind blies uns ins Gesicht, ständig gingen die Laternen aus, und wir rechneten damit, in jedem grauen Fleck in der undurchdringlichen Schwärze der Nacht einem Kameldieb zu begegnen. Schließlich hörten wir jemanden singen, und im Wind lag das Blöken und der scharfe Geruch von Kamelen. Die Bediensteten der Engländer überließen mich in meinem Zelt der Obhut eines diensteifrigen und verdreckten Mannes namens Fahd, der mit geübten Handgriffen mein Bett herrichtete und sich entfernte. Daraufhin erschien ein gewisser Saleh, ein hakennasiger Bursche im englischen Armeemantel, und sagte mit leichter Cockney-Färbung: «Ich spreche Englisch, Mann. Boy gewesen in englisch Armeecamp, Mann. Ich zuständig für Kamele.» Dann hielt er inne und begann, einfühlsam und gutgelaunt, noch einmal von vorne. «Geht es morgen los?», unterbrach ich ihn. Er verdrehte die Augen, gurgelte ein Inschallah und verschwand. Ich saß auf meinem Feldbett und sah mich um. Das Zelt war innen karminrot, kleine Herzen und Karos zierten die Türklappen. Es war oben rund, lief spitz auf eine einzige Stange zu, der Boden war achteckig. Ich fühlte mich wie ein Wurm in einer Fuchsie. Regen war aufgekommen, der leise auf das Dach trommelte. Ich zog mich langsam aus und lauschte dabei dem ungewöhnlichen Knurren und Stöhnen der Kamele. Hier war endlich Schluss mit den Kolonien und Whisky-Soda und dem Strand und Konservendosen und der American Bar am Tigris und den soldatenübersäten, schienenzerfurchten Müllkippen des Westens. Ich wickelte mich in meine Täbris-Decke und blies die Kerze aus. Der Regen trommelte jetzt lauter auf das Zeltdach über mir. Männer, die das Camp bewachten, riefen sich in Abständen einen langen rauhen Ruf zu. Einmal fielen Schüsse irgendwo in der Ferne. Und vor meinem Zelt sang jemand eine leise Melodie, immer wieder dasselbe. Etwas von Ali Asgar, Ali Afgar, tot in Kerbela. Das Wort mayyit, tot, erkannte ich wieder, weil wir, auf dem Weg von Bagdad, an einem kleinen Hindujungen vorbeigekommen waren, der mit steinernem Lächeln am Straßenrand lag, Jassem hatte ihn sich angesehen und war zum Auto zurückgekommen, hatte das bärtige Gesicht geschüttelt und mayyit gesagt, und dann waren wir weitergefahren. Ich lauschte dem Lied und dem Grummeln der Kamele und dem Regen und schlief ein.

Erster Tag. Kroch frühmorgens aus meinem Zelt und sah, dass alle anderen schon abgebaut waren und jedermann geschäftig und laut rufend umherlief. Das Dromedar, dem ich tags zuvor vorgestellt worden war und das, wenn ich richtig verstanden hatte, auf den Namen Malek hörte, wartete bereits, und oh, die quastenverzierten Satteltaschen schleiften auf der Erde! Die Dattelpalmen von Ramadi standen knietief im Dunst, der sich in Erwartung des Sonnenaufgangs golden zu verfärben begann. Während ich nach dem silberverzierten Sattelknauf griff, kamen alle neugierig herbeigelaufen, um zu sehen, ob ich herunterfallen würde, wenn Malek sich schaukelnd erhob. Die Fußfessel wurde gelöst. Malek grunzte und klappte sich auf wie ein Taschenmesser. Mein Kopf ragte nun über den Dunst in das Sonnenlicht, das mir rot in die Augen stach. Dann machten wir kehrt und folgten der langen Reihe von Lastkamelen, die rötliche Piste entlang, die in nordwestlicher Richtung nach Kubaisa führte, und zum ersten Mal bemerkte ich um die Schatten, die mein Kopf und Maleks nickender Kopf und Fahds Kopf warfen, den Halo, der Cellini in solches Entzücken versetzt hat.

Schon jetzt reden alle von Schutzgeld. Man rechnet damit, dass gewisse Toman-Badawi uns angreifen werden, wenn wir nicht fünf türkische Pfund pro Tier bezahlen. Wir werden von einigen prächtigen kampferprobten Männern auf Ponys begleitet, Gefolgsleuten eines gewissen Abdul Aziz, wenn ich den Namen richtig verstanden habe, Oberscheich der Delaim. Kaum waren wir außer Reichweite des Serais von Ramadi, waren wir auf uns allein gestellt. Am Nachmittag ließ ich mich hinter den Hauptteil der Karawane zurückfallen und war gerade dabei, mit dem Sajjd Mohammed, seinem Koch Hadschi Mohammed und einem rehäugigen braunen Jungen aus Damaskus namens Saleh über einem Feuer aus Bitterkrautzweigen Tee zu machen, als plötzlich auf einer steinigen Anhöhe im Westen dahinpreschende Kamelreiter auftauchten. Als sie uns sahen, hielten sie an und saßen ab, im Wind war das Stöhnen und Knurren der Tiere zu hören, der Sajjid griff nach seinem Gewehr und spuckte große Töne, der Koch packte rasch das Teezeug zusammen, und dann ritten wir so eilig der Karawane hinterher, dass die Satteltaschen flogen und klapperten und die Dromedare geiferten und schnaubten. Wunderbar, wie alle Verantwortung von einem genommen wird, wenn man die Sprache nicht versteht. Ich folgte den anderen, ohne die leiseste Vorstellung, wer Freund oder Feind war, und da ich meine Uhr per Luftpost geschickt hatte, war ich ganz unbesorgt. Natürlich war es ein falscher Alarm, aber der Schreck fuhr einem trotzdem in die Glieder. Fast wie bei den Lerchen, die vor den Kamelen singend aufflatterten, und bei dem Karnickel, das in den Dornbusch davonhoppelte.

Zweiter Tag. Wir kampierten an einem Ort namens Sheib Mohammedi in der Nähe einer Wasserstelle. Am nördlichen Horizont sind schwarze Rauchtupfer von den Asphaltgruben von Kubaisa. Heute Morgen musste ich Abaya und Kefiya anlegen, da Saleh mir im Auftrag von Jassem mitteilte, dass eine europäische Kopfbedeckung dem Ansehen der Karawane schade – «Englisch Hut nix gut, Mann. Arabisch Hut gut.» Also liege ich in der ganzen Pracht einer neuen Bagdader Abaya auf einem Teppich vor meinem Zelt, über mir ein leuchtender Himmel, gestreift wie eine türkisblaue Gesteinsschicht. Neben meinem Zelt werden die großen Ballen, die auf Jassem er-Rawwafs Kamelen transportiert werden, im Halbkreis um ein Feuer gestapelt, an dem die würdevollsten Leute der Karawane sitzen und Kaffee trinken. Gegenüber ist das englische Zelt von Sajjd Mohammed, offenbar Treffpunkt der Jeunesse dorée. Komplettiert wird der Kreis durch die Ballen der sechs, sieben anderen Gruppen, die noch zur Karawane gehören, aufgebaut in einem Halbmond windwärts zum Feuer, wie die von Jassem. Außer dem Sajjid und mir und den Tanzmädchen mit Ziel Aleppo ist nur ein Kaufmann aus Damaskus so erschöpft, dass er sein Zelt aufbaut. Alle anderen sitzen im Freien auf Teppichen um die Feuer. Die Kamele weiden auf den Hügeln an der Wasserstelle, zeichnen sich dunkel in eigentümlichen Silhouetten gegen den Himmel ab. Gelegentlich sieht man einen Wächter mit einem Gewehr über dem Rücken bewegungslos auf einem der gelbbraunen und stahlvioletten Hügel stehen, die sich wie ein Durcheinander von Meereswellen in alle Richtungen entfernen.

An der Wasserstelle, wo ich gebadet habe, hatte ich eine lange Unterhaltung, bestehend aus sieben Worten und vielen Gesten, mit einem von Sajjid Mohammeds Leuten, einem hochgewachsenen Mann namens Suleiman, der sehr schlanke Füße und Hände hatte. Er fragte nach einem Engländer namens «Hilleby», unter dessen Kommando er im Nedschd Kamelführer gewesen sei. Meine Antwort, dass ich von Hilleby wüsste, fand er hochinteressant. Auch er habe sich wie ein Araber gekleidet und sei ein Freund der süßen Wüstenluft gewesen. «Luft in Wüste wie Honig. Luft in Bagdad schlecht.» Suleiman pflückte einen Zweig von einer aromatischen Pflanze und ließ mich daran riechen, eine Art Rosmarin vielleicht. «Wüste so», sagte er und verzog dann das Gesicht zu einer Grimasse größter Abscheu, «Ingliz von Bagdad so. ‹Hilleby› Freund von Araber, keine Angst vor Wüste, sehr gut.» Dann nahm er mich bei der Hand und führte mich zum Zelt des Sajjid, wies mir den Ehrenplatz zu und brachte Kaffee und Datteln. Nachdem ich lange dort gesessen und versucht hatte, das eine oder andere Wort der Unterhaltung aufzuschnappen, in der es offenbar um den Nedschd ging und dass dort nicht geraucht werden dürfe und was für ein großer und edler Mensch Ibn Saud sei, den selbst die Engländer als Sultan anerkennen, tauchte Fahd auf, mein Kamelführer, und berichtete, dass das Abendessen fertig sei. Er und Bagdad-Saleh vermittelten mir den Eindruck, dass ich mich nach Ansicht von Jassem und seinen Leuten in schlechter Gesellschaft bewege, wenn ich so oft im Zelt des Sajjid Mohammed sei. Saleh sagte jedenfalls etwas in der Art, als er bei Sonnenuntergang die Kamele zurückholte: «Sajjid nix gut, Mann.» In der Wüste ist das gesellschaftliche Leben offenbar genauso kompliziert wie anderswo auch.