Und so saß ich allein in meinem Zelt und aß Reis und Dosenwürstchen, noch dazu koschere. Ich spähte durch den Türschlitz – Fahd fand, dass ich im Verborgenen essen solle, und schloss mich jedes Mal sorgfältig ein, wenn er hinausging – und versuchte, mir ein Bild von den anderen Teilnehmern der Karawane zu machen. Um Jassem er-Rawwafs Lagerfeuer waren mein Zelt und das der Tanzmädchen, aus dem leises Babygeschrei erklang, und die kleineren Lagerfeuer von Leuten mit nur wenigen Kamelen, die sich Jassem offenbar angeschlossen hatten. Gegenüber das khakifarbene Zelt des Sajjid und das große Zelt des Kaufmanns aus Damaskus und die beiden Sänften, in denen ein kleiner türkischer Händler und seine Frau unbeweglich saßen. Am einen Ende des Ovals war das Lager der Männer, die die jungen Kamele nach Syrien überführen, wo sie verkauft werden sollen, und am anderen Ende die Gruppe, in der besonders ein würdiger alter Herr mit grünem Turban und einem Bart wie Schnee und einem dunkelblauen Regenschirm auffiel.
Blaue Rauchspiralen ziehen von den Lagerfeuern durch das amethystfarbene Dämmerlicht. Kamele nähern sich in dichter Schar dem Lager, schnuppern die Luft, knabbern hier und da an Zweigen, werden von dem langgezogenen labialen Kommando des Treibers weitergedrängt. Der Mollah singt das Abendgebet. Die Männer stehen barfuß in einer langen Reihe, das Gesicht nach Südwesten, und werfen sich wie im Gleichklang langsam zu Boden. Allmählich füllen die Kamele das weite ovale Areal zwischen den Lagerfeuern, bekommen ihre Fußfesseln angelegt und falten sich kauend und stöhnend der Reihe nach zusammen. Die Sterne zeichnen sich wie deutliche Flecken am leuchtend kristalldunklen Himmel ab. Meine Decken riechen nach Kamel und Qualm. Zwei Schüsse reißen mich aus dem Schlaf, als hätte jemand mitten in der Nacht geklingelt. Stimmen sind zu hören und das Knirschen von Kieselsteinen unter nackten Füßen. Saleh schaut zum Zelt herein und sagt stolz: «Harami, peng peng, imschi, gehen fort.» Und dann wiegt mich das leise, undeutliche Grummeln von fünfhundert Kamelen wie auf Wellen wieder in den Schlaf.
Dritter Tag. Nach mehreren Stunden Ritt sahen wir Palmen in einer flachen Senke und erreichten den kleinen Wüstenhafen Kubaisa, zusammengekauert in Lehmmauern zwischen Felswänden und Sandhügeln. Stattete dem Mudir einen Besuch ab und vertrödelte den halben Tag mit Ergebenheitsadressen, Kaffee und Nettigkeiten. Vor dem Stadttor spielten Kinder mit einer zahmen Gazelle. Wurde von einem angenehmen dicken Scheich zu sich nach Hause abgeschleppt, wo es ein wundervolles Essen gab, Eier und Reis und gebratene Datteln und Huhn. Der dicke Scheich wird uns begleiten, um durch die Majestät seiner Erscheinung die Badawi abzuschrecken. «Alles Freunde», sagte er und schlug sich an die Brust. Musste neun oder zehn verschiedene Dattelsorten probieren und durfte nicht auf den Basar gehen, stattdessen wurden alle möglichen Bediensteten entsandt, die mir das Gewünschte besorgen mussten. Diese ganze vornehme Gesellschaft ist ziemlich anstrengend. Flüchtete schließlich mit einem Buch durch eine lange Felsschlucht zu einer tiefen Bergsenke voller mineralischer Quellen, die in gelbem Gestein dampften und brodelten. Ganz wie auf dem Sinai. Jehova war oft hier damals.
Vierter Tag. Heillose Komplikationen. Der Mudir kam, um Jassem und dem Amerikai seine Aufwartung zu machen, ließ sich aber in das Zelt von Sajjid Mohammed locken, der ein ziemlicher Wichtigtuer ist. Erregung und finstere Blicke. Dann Entschuldigungen. Abermaliger Besuch, endloser Austausch von Höflichkeiten. Ich hockte da und grinste und nickte wie eine blöde Porzellanfigur. Aber der Sajjid zog seine Infamie in großem Stil durch, breitete Teppiche und Abayas auf der Erde aus und präsentierte mit grandioser Geste einen Korb mit Datteln und eine Tüte mit türkischen Süßigkeiten, die der Mudir unter seinen Dienern und den Krüppeln und Lahmen und Blinden in seiner Umgebung verteilte. Ein prächtiger Tag für den Sayyid. Bukra inschallah brechen wir auf.
Fünfter Tag. Malek, mein Kamel, hat lange Wimpern und buschige Augenbrauen, die es hochziehen kann. Bemerkenswert, wie wählerisch Kamele in puncto Essen sind. Manche saftig aussehende Büsche werden ignoriert, aber hin und wieder gibt es kleine Rosetten mit distelartigen Blättern, die sie gierig anstieren, und wie sehr man das Tier auch antreiben mag, man bekommt es nicht von der Stelle.
Aufbruch am frühen Morgen mit beträchtlichem Tamtam, die Sonne steht uns im Rücken, die Schatten sind unglaublich lang und enden in hellen Lichtkronen. Ritt gemeinsam mit dem dicken Scheich, der aus seinen Satteltaschen immer neue Hühnchenkeulen hervorholte. In unserer Karawane besteht folgende Ordnung: Die einzelnen Gruppen reiten separat los, Jassems Trupp gewöhnlich zuerst, und bilden allmählich eine Linie, und sobald die Granden sich den Schlaf aus den Augen gerieben haben und die Sonne ihre Dromedare zum Leben erweckt hat, reiten sie voran. Ein, zwei Agail kann man immer bei ihren Erkundungen auf den steinigen Hügeln am Horizont sehen. Mittags versammeln sich die Granden um Kochtöpfe mit Reis und trinken Kaffee, während die Karawane weiterzieht, die sie im Laufe des Nachmittags wieder einholen.
Heute Abend kampieren wir in einer flachen Senke, bedeckt mit kleinen aromatischen Pflanzen, Schih und Ruetha. Ruetha, wahrscheinlich das wohlriechende Kraut, von dem Xenophon in seiner Anabasis wiederholt berichtet, scheint den Kamelen ganz besonders zu schmecken. In der Regenzeit muss es hier viel Wasser geben. Übrigens scheint die Regenzeit bevorzustehen, da sich im Norden mächtige Regenwolken auftürmen, worüber alle hocherfreut sind, denn hier sagt man, dass ein Tag Regen reichlich Nahrung für die Kamele bedeutet. Und außerdem bleiben die Badawi dann in ihren Zelten.
Saß im Zelt des Sajjid, ungeachtet der Vorwürfe von Bagdad-Saleh – «Sajjid verdammter Lockervogel», was immer das heißen mochte –, und trank Tee mit Kondensmilch, die ich dem Sajjid in einem Moment von Überschwang geschenkt hatte, und hörte Suleiman zu, dem Mann, der mit «Hilleby» im Nedschd gewesen war und nun auf einer winzig kleinen Laute klagende Melodien spielte.
Sechster Tag. Enteuthen exelaunei[28] etliche Parasang[29], wie es aussieht, in eine Hochebene hinauf. Der Trampelpfad, über Jahrhunderte von Kamelfüßen ausgetreten, wand sich um rosafarbene, gelegentlich mit Trockenpflanzen gesprenkelte Felssimse. Einmal kamen wir an den üblichen Skeletten vorbei. In einer Schlucht fanden wir die Spuren eines Ford, Leachmans Auto, wie mir erklärt wurde. Leachman wurde während des Aufstands vom Sohn eines alten Mannes erschossen, den er beleidigt hatte. Schließlich ein schöner Lagerplatz am Rand einer Senke, wo das trockene Schih hüfthoch stand. Als wir unsere Kamele festbanden, stürzten drei Karnickel aus ihrer Deckung, großes Hallo, und jeder knallte munter darauflos.
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