Nachmittags vorbei an einem kleinen eckigen steinernen Turm.
Ging nach dem Abendessen, in der Zeit, in der die Kamele heimgebracht werden, nach draußen. Ein Bedawi, den ich schon zuvor auf einem weißen Dromedar gesehen hatte, kam auf mich zu und sagte, er sei ein Freund von Malik Faisal. Wir gingen in die Wüste hinaus, er schnupperte die Luft und sagte, die Wüstenluft sei süß. Sein Name war Nawwaf. Seine Zelte sind in El Gharra, auf halber Strecke nach Damaskus. Ich brachte ihm die Wörter Norden, Süden, Osten und Westen bei, die er sofort perfekt aussprach. Meine Aussprache der arabischen Wörter war dagegen so komisch, dass er lachte, bis ihm die Tränen in die kajalumrandeten Augen traten. Wir tranken dann Kaffee bei den Leuten, die die jungen Kamele nach Syrien bringen, wo sie verkauft werden sollen. Der Hadschi, der alte Herr mit dem Regenschirm, saß am Lagerfeuer und ließ sich über irgendetwas aus.
Bei der Rückkehr in mein Zelt fand ich Bagdad-Saleh und Jassems Jungen vor, die Zigaretten für mich drehten. Sie berichteten von irgendeiner schlimmen Sache, die die Kamele beinahe erwischt hätte, aber so richtig habe ich sie nicht verstanden, außer dass Bagdad-Saleh die Katastrophe mutig abgewendet hat. Wenn Saleh Englisch spricht, ist kaum zu verstehen, was er sagen will, weil er, als ehemaliger Boy im anglo-indischen Militärcamp in Bagdad, die beklagenswerte Vorstellung hat, dass Hindustani und Englisch ein und dieselbe Sprache sind.
Es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als keine Uhr und kein Geld zu haben und für nichts verantwortlich zu sein. Wie ein Derwisch oder ein kleines Kind.
Siebter Tag. Das Postflugzeug flog in großer Höhe über uns hinweg. Alle beobachteten es verächtlich und kommentarlos. Furchtbar kalt, Regenschauer klatschen uns ins Gesicht. Alles mehr oder weniger nass. Habe noch nie ein Tier gesehen, das sein Missfallen so deutlich zeigen kann wie Malek im Regen. Bei Sonnenuntergang wird sich inschallah auch der Wind legen. Sitze in kalter Pracht in meiner goldbestickten Abaya in meinem Herz- und Karozelt, das trotz des karminroten Futters auf ganz abscheuliche Weise den Wind hereinlässt. Aber wer hat je in stärkerem Wind gefroren?
Mit dem Ansehen des Sajjid in der Karawane scheint es nicht zum Besten zu stehen. Bagdad-Saleh berichtet jedenfalls, dass Suleiman Streit mit ihm hatte, ihm ins Gesicht schlug und auf seinem Kamel in Richtung Bagdad davonritt. Ich werde das leise Klagen seiner Laute vermissen, das sich neben dem Brummen und Grummeln der Kamele durch das nächtliche Camp zog.
Achter Tag. Es gibt keine entspanntere, gemächlichere Form des Reisens. Das Kamel schaukelt gerade so sehr, dass man allmählich in eine leise Schläfrigkeit sinkt. Man treibt es gerade so sehr an, dass die Gedanken in einem leichten Dämmerzustand verharren. Man reitet erst mit diesem, dann mit jenem und blickt zurück auf die Karawane, die sich wie ein Drachenschwanz hinter einem herzieht. Manchmal verschwindet ein Teil in einer Senke oder hinter einem Hügel. So treiben Wolken dahin, fließen Ströme. Niemand erteilt Befehle. Jeder weiß, was zu tun ist, wie bei den Zugvögeln.
Der Himmel ist eine riesige Sphäre aus mattem Glas, die auf der Teigkruste namens Erde ruht, heute hier und da mit rötlichen Tupfern der Wintersonne versehen.
Gegen Abend, in der Stunde, wenn die Beine schmerzen und der Magen vor Hunger wie ein Hund knurrt, kamen wir zu einem weiten Tal, das in nordsüdlicher Richtung verläuft. Gegenüber auf der anderen Seite zeichnete sich eine Reihe schwarzer käferartiger Objekte ab, die Zelte der Delaim.
Neunter Tag. Angenehmer Wind, klarer Himmel. Einige Agail mit einem Dutzend Lastkamele zogen, von Aleppo kommend, an uns vorbei. Es war wie die Begegnung zweier Schiffe auf See.
Wir saßen den ganzen Tag in unseren Zelten, o Israel.
Streifte rastlos umher, versuchte, mit Nawwaf ein Gespräch auf Arabisch zu führen, und las Molière. Es scheint ein Problem zu geben. Der dicke Scheich aus Kubaisa wirkt ziemlich bedrückt. Alle reden von einem Scheich Mohammed Turki von den Kubain, der eine unglaubliche Summe Schutzgeld verlangt.
Zehnter Tag. Noch immer am selben Ort. Ständig tauchen merkwürdige Leute im Lager auf, weißgekleidete Delaim, hochgewachsene, weiße Männer mit gewachsten Schnurrbärten, die Haare in Zöpfen über den Ohren. Sie sind mit den Agail befreundet, die Karawane steht mehr oder weniger unter ihrem Schutz.
Schon in aller Frühe begann am Lagerfeuer von Jassem er-Rawwaf ein lautstarkes Hin und Her, das den ganzen Tag andauerte; Männer springen hoch und brüllen und gestikulieren. Der dicke Scheich fungiert offenbar als Vermittler. Jassem er-Rawwaf ist groß, mit markanten Zähnen und einem ungleichmäßigen Bart wie der von Moses; er trägt zwei Kopftücher, die ihm weit über die Schulter fallen, das eine weiß, das andere purpurrot, und meistens sitzt er schweigend da, dirigiert mit knappen Bewegungen seiner langen Hände die Zubereitung von Kaffee oder lässt eine bernsteinfarbene Gebetskette durch die Finger gleiten. Einmal beugte er sich zornerfüllt über das Feuer und sprach so langsam und bedächtig, dass alle verstummten und nickten. Später fragte ich ihn, worum es bei dem Streit gegangen war. Er lächelte, zog die Schultern hoch und rieb dabei Daumen und Zeigefinger in dieser unglaublich semitischen Geste und sagte leise «Fluus», Geld.
Die ganze Wüste scheint gierig herumzustreichen und einen günstigen Moment abzuwarten, um sich auf die Ballen persischen Tabak und die verlockende Herde junger Kamele zu stürzen.
Nawwaf kam in mein Zelt und sprach lange darüber, dass die Ingliz sich vertragen und ihre Gewehre nur im Kampf gegen Fremde einsetzen, während die Araber immer streiten, zu Fremden aber sehr höflich sind. So zumindest verstand ich ihn. Ich stimmte ihm ausdrücklich zu.
Überall werden Gewehre gereinigt.
Elfter Tag. Gestern Abend war der erste große Tumult.
Ich war in mein Zelt gegangen, um bei Kerzenschein zu lesen, als sich im Lager großer Lärm erhob. Alle lief hin und her und stolperte über meine Zeltschnüre. Bagdad-Saleh kam hereingestürmt, um das Gewehr zu holen, das er sicherheitshalber bei mir deponiert hatte. Fahd schien ungeheuer erregt, er rief etwas, das sich wie «Alle Mann in die Boote» anhörte. Ich stand in der Zelttür, konnte aber nichts sehen, weil es stockdunkel war, doch Fahd schickte mich wieder hinein und schüttelte sorgenvoll den Kopf. Unterdessen war die Kerze umgefallen, so dass ich zunächst im Dunkeln auf meinem Feldbett saß und dem zunehmenden Lärm draußen lauschte. Dank der Horrorgeschichten, die mir in Bagdad reichlich vorgesetzt worden waren, stellte ich mir die Wachsfigur von Gordon Pascha[30] im Kabinett von Madame Tussaud vor. Ich erinnerte mich aus meiner Kindheit an Lithographien von Entdeckern mit Tropenhelm, die von Assegais durchbohrt werden. Der unglückliche Tod des Prinzen Napoleon. Gut, dass ich keinen Tropenhelm trug.
Ich stellte fest, dass ich zitterte und fror, ging wieder zur Zelttür und zündete mir eine Zigarette an. Sofort kam ein Unbekannter herbeigelaufen und rief mir etwas zu. Ich gab ihm die Zigarette. Er verschwand mit ihr, schien sehr ermutigt. Dann kam der Sajjid an, barhäuptig und erregt und atemlos und sagte etwas von einem Gewehr. Nein, ich hatte kein Gewehr, aber ich gab ihm eine Zigarette. Nachdem ich eine Handvoll Zigaretten verschenkt hatte, legte sich das Gebrüll in der Ferne. Ich fragte mich, wann die Schießerei beginnen würde, denn mir war nicht klar, dass die Araber im Umgang mit Feuerwaffen äußerst umsichtig sind. Dann kamen viele Leute und erklärten, was vorgefallen war, alles mehr oder weniger unverständlich. Gewann jedoch den Eindruck, dass der Streit angefangen hatte, weil einer von Ibn Kubains Männern das Gewehr des Sajjid hatte stehlen wollen. Das Gewehr war wieder da, aber es hatte einen Kampf gegeben, und der eine oder andere Schädel war eingeschlagen worden.
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