Ich kehrte hungrig zu meinem Zelt zurück und bat Fahd, mir die letzte Dose koschere Würstchen zuzubereiten. Der Wind bläst das Zelt auf wie einen Luftballon.
Fünfzehnter Tag. Die Sterne knisterten vor Kälte, als ich Stunden vor Tagesanbruch aus meinem Kokon kroch. Alles war abgebaut, das Lager ein einziges Durcheinander von Treibern und Kamelen, deren Hälse am Boden gehalten wurden, während die Männer ihnen die Lasten aufluden. Die Kamele sträubten sich, stöhnten und knurrten, die Kameltreiber fluchten und traten. Jassem, die Ruhe in Person, beugte sich über das letzte bisschen Feuer und wärmte sich die Hände. Er lachte still in sich hinein, als ich mich neben ihn setzte. Er gab mir einen letzten Schluck Kaffee in einer seiner winzigen Tassen und verstaute dann drei Kannen und die Tassen sowie Mörser und Stößel in seinen roten Satteltaschen. Malek wurde von Fahd herbeigebracht, kniete nieder und stand so ruckartig auf, dass sich mein Kopf fast im Orion verhedderte. Langsam setzte sich die Karawane in Bewegung, immer in Richtung Großer Bär. Wunderbarer Ritt durch die Morgendämmerung, über grasschimmerndes Hochland bis zur großen Schlucht des Sheib Hauran, vorbei an roten Sandsteinfelsen. Malek sprang wie eine Bergziege von Fels zu Fels, hinunter zum Wasserlauf, wo sich von letzter Woche noch ein paar braune Tümpel gehalten hatten. Dort wurden die Kamele rasch getränkt, und gleich ging es weiter, den steilen Hang an der Nordseite hinauf. Ich ritt neben dem alten Hadschi mit dem Regenschirm, der mit den Augen rollte und jedes Mal, wenn sein Kamel einen Satz machte, laut aufstöhnend «Hamdulillah» rief. Und nachdem wir das letzte Stück der Schlucht hinaufgeklettert waren, ging es los, unter Funkelschauern über das weiteste und flachste Stück Wüste, durch das wir bislang gekommen sind. Elf Stunden in höchstem Tempo geritten und im Dunkeln das Lager aufgeschlagen, bärenhungrig und hundemüde. Toll!
Sechzehnter Tag. Liege nach Art der alten Römer auf meiner Couch und schaue hinaus durch die hochgeschlagene Zelttür, sehe Fahd müde und mürrisch mit seinen Kochtöpfen hantieren, aus denen silbriger Dampf vor einem pistaziengrünen Dämmerlicht aufsteigt. Am Himmel über uns verlieren sich platinfarbene und zartviolette Wolkenschnörkel. Der barfüßige Ali geht langsam hinter dem Feuer vorbei, führt ein verirrtes Kamel heim. Er, der beste unserer Kameltreiber, ist wie eine Buche gebaut, sagt nie ein Wort und bewegt sich unglaublich majestätisch.
Es war eine lange, wunderbare Tagesreise. Gazellen wurden gesichtet. Wir kamen an Dornbüschen voller Lerchen vorbei, manchmal schreckte ein Karnickel vor einem Kamel auf, blieb eine Sekunde mit bebender Nase sitzen, bevor es wieder im blauen Ruetha-Kraut verschwand. Weißes Tafelland im Norden, das am Nachmittag einen rosa-amethystfarbenen Ton annahm. Und nun das abendliche kapalluaaap-kapalluaaap der Treiber, die die Kamele von der Weide zurückrufen.
Nach acht Stunden im Sattel schliefen mir langsam die Beine ein.
Im Nedschd wird anscheinend nicht mehr gekämpft. Ibn Saud hat Ha’il und Ibn Raschid mit all seinen Frauen und Anhängern eingenommen und ist nun oberster Herrscher von Zentralarabien. In unserer Karawane ist ein Schammar, ein schlanker Mann mit irren Augen, der sich jeden Abend nach dem Gebet neben seinem Lagerfeuer hinstellt und alle Männer, die Feinde seines Stammes sind, zum Kampf herausfordert. Jeden Abend erhebt sich seine Stimme zu einem Ruf, der sich wie ein Spruchband über der Geschäftigkeit und dem Kamellärm des Lagers entfaltet.
Siebzehnter Tag. Noch immer in nordwestlicher Richtung, durch Schluchten und kahles Tafelland. Nachmittags in der Nähe einer Wasserstelle in einem trockenen Bett eines Shaib das Lager aufgeschlagen. Südlich von uns liegen hohe Mesetas wie die zwischen Madrid und Toledo. Warmer, sonniger Nachmittag. Die Leute ziehen sich zum Waschen und Umkleiden schamhaft hinter Felsen zurück. Wanderte über eine Anhöhe und lag auf einem breiten Stein in der Sonne und las Martial. Ich bin noch nie so glücklich gewesen. Saß abends an Jassems Lagerfeuer lange Zeit neben Hassun, sah das brennende Ruetha, lauschte den Gesprächen, die ich nicht verstand, und schaute durch den aromatischen dunkelgrünen Rauch zum Mond. Trank endlose Tässchen Kaffee, den schwarzen ungesüßten Kaffee der Wüste, dreimal aufgekocht, mit einem Gewürz versetzt, das ihm einen chininbitteren Geschmack gibt, so kraftvoll wie ein mächtiger Wagnerscher Akkord, so beruhigend für den windgepeinigten Körper wie morgendlicher Schlaf. Diese Männer aus dem Nedschd, Jassem und Hassun und Ali und die beiden kleinen schwarzen Männer mit den Kameljungen sind die feinsten Leute der Welt. Später lag ich wach da und schaute hinaus in das Mondlicht, hörte das Mahlen der wiederkäuenden Kamele und das leise Blubbern von Fahds Wasserpfeife. Wenn ich halbwegs bei Verstand wäre, würde ich bei Nawwaf in El Gharra bleiben. Es ist mir egal, wenn es bis nach Damaskus tausend Jahre dauert.
Achtzehnter Tag. Heute sind Nawwaf und sein Freund auf ihren großen weißen Dromedaren losgeritten. Tagelang war darüber debattiert worden, ob die Karawane den Weg über El Gharra nehmen sollte. Ich nehme an, Nawwaf wollte ein fettes Schutzgeld kassieren. Jedenfalls geht es weiter in Richtung Norden, wahrscheinlich nach Aleppo statt nach Damaskus. Die beiden zogen wütend los, ohne etwas gegessen zu haben. Ich hätte mit ihnen gehen können. Ich sah die beiden weißen Punkte in der zerklüfteten Hügellandschaft sich immer weiter entfernen und bedauerte meine Entscheidung außerordentlich. Es war während der Mittagsrast. Ich saß mit dem Sajjid und Saleh inmitten von Schih-Büschen und aß Reis aus der Schüssel des Sajjid. Unsere drei angebundenen Kamele standen über uns, grüner Geifer tropfte ihnen von den Lippen, während sie die saftigen Schih-Triebe kauten.
Am Nachmittag hielten wir mehr nach Westen, einem Wind entgegen, der kalt wie eisige Rasierklingen war. Wir durchqueren eine flache rostrote, feuersteinübersäte Ebene, auf der sich die Trampelpfade schnurgerade dahinziehen wie ein Schiff auf dem Meer. Am Abend vergnügte ich mich mit einem Anflug dieses verdammten Teheraner Fiebers. Zum Abendessen gab es Chinin in rauhen Mengen.