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Der Türke ließ kein gutes Haar an den Arabern, bezeichnete sie als niederträchtig und verschlagen. Auch an der Geschichte ließ er kein gutes Haar, ebenso wenig an den Deutschen oder Bagdad oder den Briten. Er war während des Krieges in der türkischen Armee gewesen, war desertiert und von den Bedawi dreimal bis auf die Haut ausgeraubt und, vermeintlich tot, zurückgelassen worden. Er hatte sich auf den Heimweg in sein Dorf in der Nähe von Bursa gemacht und war dabei durch die unglaublichsten Orte gekommen. Überall hatten die Leute zu viele Waffen, und es herrschte Gesetzlosigkeit.

Das alles ging eine ganze Weile so weiter, ohne dass irgendetwas Ernsthaftes passierte, bis Jassem sich schließlich auf den Steinhügel stellte und den Angreifern mit einem langen weißen Ärmel zuwinkte und jeder nunmehr sagte, dass es Freunde seien.

Die Angreifer kamen auf ihren trappelnden Ponys ins Lager, hagere, wettergegerbte Männer, die paarweise ritten und dabei sangen, mit zerschlissenen und dreckigen Sachen, Patronengürtel um den Leib geschlungen. Ibn Haremi ist ihr Name oder der ihres Scheichs, und sie gehören zu den Fede’an.

Ich sitze frierend inmitten meines Gepäcks in einem kalten Wind, der gerade aufgekommen ist, uns zu piesacken. Mir gegenüber bauen die Damaszener Kaufleute niedergeschlagen ihr Zelt auf. Großgewachsene Wüstenmänner stolzieren hochmütig durch das Lager. Sie entfernen sich mit einen Teppich, der den Damaszenern gehört und die jetzt lautes Protestgeschrei erheben. Fahd macht Abendessen für mich, flucht dabei leise vor sich hin. Jassem und Hassun sitzen ungerührt am Feuer und mahlen Kaffee, verfolgen mit funkelnden Augen unter den Kopftüchern jeden Schritt ihrer Freunde, der Ibn Haremi, so wie eine in die Enge getriebene Katze einen Hund beobachtet.

Dreiundzwanzigster Tag. Es ist wirklich zu dumm. Wieder hocken wir herum und verhandeln über Schutzgeld. Diese Ibn Haremi sind ein bemerkenswerter Haufen. Saßen in meinem Zelt und musterten mich und meine Decken und den Koffer und zahllose Dinge, die mir andere Leute zur sicheren Verwahrung anvertraut haben. Eine solche Ansammlung von schielenden, krummnasigen, finsteren, einäugigen, pockengesichtigen Gaunern und Spitzbuben habe ich noch nie gesehen. Sie untersuchen alle meine Sachen mit stechenden Augen, und ihre Hände kleben gierig an jeder einzelnen Faser meiner Decken. Ich habe einen fatalen Fehler gemacht: sie haben mich eingeladen, ihren Scheich zu besuchen, und aus irgendeinem Grund war ich sauer und habe abgelehnt. Ich weiß nicht warum, denn ich könnte mir vorstellen, dass es ganz anständige Burschen sind, wenn man sie erst einmal kennengelernt hat. Könnte aber unangenehme Folgen haben. Also sitze ich missmutig in meinem Zelt, eingewickelt in sämtliche Decken, und verfluche den Wind und dieses gottverdammte Plateau und denke an heiße Bäder und Steaks mit viel Zwiebeln. Aber ihren fröhlichen Gesang zu hören, als sie paarweise auf weißen trappelnden Ponys in das eroberte Zeltlager geritten kamen, das war schon etwas.

Vierundzwanzigster Tag. Fünf Kamele und fünf türkische Pfund wurden als Lösegeld für den Koffer festgesetzt, und nun sind die Ibn Haremi unsere Freunde und Brüder. Gestern Abend erschienen mehrere alte Frauen, saßen um das Feuer und schalteten sich laut in die Diskussion der Männer ein. Heute Morgen wurden wir von den fröhlichen Männern verabschiedet. Allseits große Erleichterung, dass unsere Freunde und Brüder zu ihren Zelten zurückkehren und uns nicht mehr beschützen. Im Laufe des Tages kamen wir über felsige, windzerklüftete Anhöhen zwischen flacher Sandwüste. Bei Sonnenuntergang schien mir, als lägen die syrischen Berge purpurrot vor der Sonne, aber bei Tagesanbruch war von ihnen nichts zu sehen.

Fünfundzwanzigster Tag. Heute Morgen kamen wir gut voran, dem ewigen Westwind entgegen, als ein paar von Abdullahs lächerlichen Maultieren sich unbedingt in einem Labyrinth von trockenen Flussbetten verirren mussten. Also ließen wir uns an einer Wasserstelle nieder, in einem angenehm windgeschützten Tal, dem Sheib War, obwohl wir erst einen halben Tag geritten waren. Wusch mich zum ersten Mal seit einer Woche in einer schicken sonnenerfüllten Felshöhle, lag lange auf den warmen Steinen, während meine Sachen auslüfteten, las Juvenal, mit dem ich nicht recht warm werde, trotz seiner wunderbar empörungsschwülstig dahinfließenden Bilderwelt. Es ist mir zu gewollt. Hoffe, dass ich ein paar Flöhe in der Höhle zurückgelassen habe. Frieren und gleichzeitig von Flöhen gebissen zu werden, ist wirklich blöd. Die Maultiere sind wieder eingefangen worden und kommen die Schlucht heraufgetrappelt. Bukra inschallah werden wir die syrischen Berge und den Dschebel Druze sehen.

Sechsundzwanzigster Tag. Fühle mich wie der namenlose Weise, der mit Weihrauch und Myrrhe zu spät kam. Gottverdammt kalt, es können ruhig alle wissen. Habe noch nie in meinem Leben dermaßen gefroren. Den ganzen Tag in einem scharfen Wind geritten, unter klarem Himmel über eine atemberaubende Ebene, übersät mit scharfen, glitzernden Feuersteinen. Eigentlich zum ersten Mal richtige Wüste. Keinerlei Vegetation. Unsere Lagerfeuer sind aus Jelle, getrocknetem Kameldung, aufgelesen auf einem alten Rastplatz, an dem wir vorbeikamen. Wir sind hier unter einer Anhöhe am Eingang des Wadi Mia, bis Damaskus sollen es noch vier, nach anderen Angaben acht Tage sein. Frösteln und Beten zum Abendessen. Flöhe.

Siebenundzwanzigster Tag. Habe den Verdacht, dass heute Weihnachten ist, da ich aber nicht sicher bin, an welchem Tag ich aus Bagdad abgereist bin, habe ich mich vielleicht verrechnet. Zum Mittagessen gab es Kastowi, zum Abendessen Reis mit meinen letzten Zwiebeln. Höllisch kalt. Langer, trostloser Ritt über purpurrote Hügel, übersät mit scharfen Feuersteinen, in einem Wind, kälter und schärfer als alle Feuersteine von hier bis Jericho. Dies muss der höchste Teil des Bergkamms sein, denn manchmal geht der Regen in Schneeregen über. Bin heute Abend furchtbar ins Fettnäpfchen getreten. Vor dem Abendessen machte ich meinen üblichen kleinen Spaziergang, hinauf zur höchsten Erhebung in der Umgebung des Lagers, stand auf dem Gipfel und schaute durch graue Dunstfetzen in die weite gipsgraue Ödnis. Vor mir zwei kopulierende Kamele, die sich im letzten silbrigen Licht wie Monster aus einer Eozän-Welt abzeichneten, die geschmeidigen Hälse aneinandergelegt, mit sabbernden aufgeplusterten Lippen und durch gelbe Zähne stöhnend. Schwerfällig, vorsichtig wurde der Akt im aluminiumschimmernden Dämmerlicht vollendet. Ich war auf einen Felsen gestiegen, um noch weiter sehen zu können, als ich Jassem mit dem Fernglas in der Hand heranstürmen und heftig winken sah. Ich ging ihm entgegen und stellte fest, dass er fuchsteufelswild war. Den ganzen Tag hatte sich die Karawane außer Sichtweite der schwarzen Zelte bewegt, die im benachbarten Tal waren, und da stand ich wie ein Denkmal auf der Anhöhe, weithin in alle Richtungen sichtbar. Jassem zeigte seinen Ärger, und ich meine Zerknirschtheit, indem wir mit Steinen auf die Kamele warfen und sie zurück ins Lager trieben.