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Und der Liftboy sagte, die Züge in der Metro halten nie an; man springt während der Fahrt auf und ab, und an der Grande Roue und auf dem Eiffelturm wurden Laterna-magica-Bilder und Kinofilme gezeigt ... aber das muss Jahre später gewesen sein, denn ich hatte Angst hinaufzusteigen.

Ich habe oft an die anderen gedacht, die in jenem ersten Jahr des Jahrhunderts eine Eintrittskarte für den unbeweglichen Zug der Transsibirischen bekamen, deren Kindheit erfüllt war von Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer und Jules Vernes Sportlern und Globetrottern (wenn das Eis auf dem Baikalsee nur hält) und China-Gordon, der in Khartum seine letzten Worte über den Telegraphen stottert, und Carlotta, die verrückt aus Mexiko zurückkehrt und in Tervuren[33] ein Schloss anzündet, in dem kongolesische Kuriositäten gezeigt werden, Fetische aus Menschenhaar, ithyphallische Idole mit Muscheln als Zähnen und die Arme in die Seite gestemmt, Rohkautschukproben in Gläsern; und diese Magnaten mit Panamahut, die, nach Pfefferminz und altem Bourbon riechend, langsam in privaten Waggons auf neuen Strecken jenseits des Rio Grande dahinschaukeln und von der hinteren Plattform Hasen, Präriehunde und gelegentlich einen Mexikaner schießen, und das zwanzigste Jahrhundert und Harvey Lunchrooms und Buffalo Bill und die Indianer, die die Bühne besetzen, und Schnelldampfer, die nach Bishop’s Rock rasen, und Zigarettenbildchen mit den berühmtesten Lokomotiven der Welt. O Thos. Cook & Son, das ist Wasser auf eure Mühlen. Uniformierte Angestellte nehmen alle wichtigen Züge in Empfang. Nachdem Peary und Amundsen die Welt oben und unten versiegelt haben und es in Bagdad eine American Bar gibt und der Großlama von Tibet Paul Whiteman mit dem Blue Danube Blues hört und Citroëns raupengleich auf den Sandpisten von Timbuktu entlangschlingern, gibt es keinen anderen Ort für die Rover Boys als die Statler Hotels und die weltweit verkehrenden Schiffe der Dollar Line (jede Nacht in ihrem eigenen Messingbett).

Dieser unbewegliche Zug der Transsibirischen, vor dem stündlich das asiatische Panorama vorbeizog, war das letzte Relikt des homerischen Zeitalters der Eisenbahn. Jetzt ist Zeit für die Gesänge und die Schiffskataloge. Das Fällen und das Hacken und Hauen, die großen Odysseen sind Vergangenheit. Die legendären Namen, die mit ihrem Schatten und Gerumpel unsere Kindheit bewegten, sind nur noch kleingedruckte Stationen im Kursbuch. Und doch ... Oder ist es bloß der Mythos, der in unseren nostalgischen Gedanken herumschwirrt?

Wozu soll dieses unablässige Schleppen eines ramponierten Koffers vom Kai zum Bahnhof und vom Bahnhof zum Kai gut sein? Alle Weisen sagen, es sei sinnlos. In den Ländern des Islam wissen die Leute, dass man verrückt ist.

In den Ländern des Islam wissen die Leute, dass man verrückt ist, aber sie begegnen dem Verrückten mit wehmütigem Respekt. Heute Mittag erst wurde ich zu Rindfleisch mit Oliven und sauren Orangen, Couscous, Gebäck, sieben Gläsern Tee und einer Pfeife Kif eingeladen von dem extrem hässlichen Mann mit einem Augenfehler und einem Gesicht wie eine Schnappschildkröte, der im Suk Fuchsfelle ankauft im Beisein seines Freundes, des Schneiders, eines fröhlichen und philosophischen Mannes wie ein Schneider aus Tausendundeiner Nacht, und zwar nur deswegen, weil ich in Bagdad gewesen war, wo unser hochverehrter Sidi Abdel Kader el-Dschilani[34] begraben ist (jetzt hebt man die Hand an die Lippen und murmelt etwas von Frieden und Gottes Segen), und weil in ihren Augen selbst ein Kafir, der an dem Grabmal vorbeigeht, einen Hauch von der Heiligkeit des Marabut mitbringt. Für sie hat ein Pilger also eine gewisse Bedeutung.

Vielleicht haben sie recht, aber diese Begeisterung für das Reisen, für Dampfer, Züge, Autobusse, Maultiere, Kamele ist höchstwahrscheinlich nur eine tückische und raffinierte Droge, eine in der Kindheit angenommene schlechte Gewohnheit, die höchstens einen Psychoanalytiker erfreut, der sich mit manischen Zuständen beschäftigt. Wie bei allen Drogen, muss die Dosis ständig gesteigert werden. Ein tröstlicher Gedanke: während unsere Körper wie Eichhörnchen im Käfig der Meridiane gequält werden, wie Blaise Cendrars es nennt, sitzen unsere Seelen vielleicht ruhig in jenem unbeweglichen Zug, in der dunkellackierten, neu riechenden Transsibirischen, und sehen das endlos abrollende Panorama von Flüssen und Seen und Bergen.

Jetzt ist es Zeit für die homerischen Eisenbahngesänge. Blaise Cendrars hat einige geschrieben in geistreichem Französisch, sonor und direkt wie das Rattern der großen Expresszüge. Carl Sandburg hat ein, zwei geschrieben. Ich werde im Folgenden einige Fragmente aus der Prose du Transsibérien et de la Petite Jehanne de France zusammenstellen. Das passt irgendwie in dieses Hotelzimmer mit den lackierten Kiefermöbeln und dem blauen Nachttopf und den ausgeblichenen, staubzerfressenen Gardinen. Unter dem Balkon sind Bäume, deren Namen ich nicht kenne, das leere Gleis der Schmalspurbahn, eine Straße, von Lastwagen zerwühlt. Es regnet. Eine Kröte lärmt im Gebüsch. Die alten erderschütternden Maschinen werden eine nach der anderen ausgemustert, und schon sind die Mythenproduzenten am Werk. Am Ende werden sie alle dastehen wie Homers[35] umherwandernde Götter im rosigen Licht eines ordentlichen Olymp. Hier ist der Gesang der Transsibirischen Eisenbahn:

Damals wuchs ich heran

War kaum sechzehn und hatte schon die Erinnerung an

   meine Kindheit verloren

Ich war 16 000 Meilen weit weg vom Ort meiner Geburt

War in Moskau, in der Stadt der tausendunddrei Kirchtürme

   und der sieben Bahnhöfe

Und ich konnte nicht genug bekommen von diesen

   tausendunddrei Türmen und sieben Bahnhöfen

Denn meine Jugend war damals so leidenschaftlich und

   so verrückt

Dass mein Herz abwechselnd brannte wie der Tempel von

   Ephesus oder der Rote Platz von Moskau

Wenn die Sonne untergeht

Und meine Augen leuchteten alte Wege aus

Und ich war bereits ein so schlechter Dichter

Dass mir nicht gelang, etwas zur Vollendung zu bringen

............

Ich verbrachte meine Kindheit in den Hängenden Gärten

   von Babylon

Und schwänzte die Schule auf den Bahnhöfen, wo die Züge

   zur Abfahrt bereitstanden

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33

Tervuren Vorort von Brüssel, 1897/98 wurde dort das Königliche Afrika-Museum gegründet

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34

Abdel Kader el-Dschilani Islamischer Mystiker im 12. Jh.

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35

Der Homer der Transsibirischen Eisenbahn Die folgenden Gedichtpassagen aus «Die Prosa der Transsibirischen Eisenbahn und der Kleinen Jehanne von Frankreich», «Panama oder Die Abenteuer meiner sieben Onkel», «Strom/Mississippi» und «Im Herzen der Welt» werden zitiert nach: Blaise Cendrars, Ich bin der Andere. Gesammelte Gedichte. Herausgegeben von Claude Leroy. Aus dem Französischen von Peter Burri. Baseclass="underline" Lenos 2004