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Es war bereits sehr hell geworden. Die Sonnenscheibe war noch nicht über den Horizont heraufgestiegen, und der östliche Teil des Himmels glühte im rosafarbenen Licht des Morgens. Unsere Gesichter waren dieser Helle zugewandt, und so schienen wir den Akawois wie von einem magischen Schein umgeben. Vor ihren Augen schwärmten mehr als ein und ein halbes Hundert Feinde, während sie selbst kaum mehr sechzig zählten.

Trotz allem hätte dieser Haufe unerschrockener Kämpfer noch eine kaum zu bezwingende Macht dargestellt, wenn die Überraschung den Akawois nicht die Überlegung genommen hätte. An Mut fehlte es ihnen nicht, aber die nüchterne Urteilskraft hatten sie eingebüßt. Sie wußten, daß die Boote und damit die Freiheit hinter unseren Reihen lagen, und sie sahen, daß in unsere Linie zwei Lücken klafften, eine zwischen der Schar Waguras und meiner Abteilung und die andere zwischen mir und den Kriegern Jakis und Konauros. Anstatt mit vereinter Kraft auf eine dieser Breschen loszustürmen, verloren sie den Kopf, teilten sich in zwei Gruppen und versuchten an beiden Stellen durchzubrechen.

Die kleinere Schar griff einige Sekunden früher an als die große. Die Akawois rannten genau auf die Gruppe Waguras zu, als wollten sie diese erschrecken oder überrennen, doch war dies nur eine plumpe List, denn sobald sie auf Pfeilschußweite herangekommen waren, bogen sie plötzlich nach rechts ab, um die Lücke zwischen Wagura und mir zu erreichen. Wagura aber ließ die Gelegenheit nicht vorübergehen. Sofort stürzte er sich mit seinen Kriegern in das Loch und zog die Warraulen Kuranajs hinter sich her.

Der freie Raum zwischen unseren beiden Abteilungen war höchstens noch einhundertfünfzig Schritt breit und wurde zusehends enger. Trotzdem waren die Akawois entschlossen, um jeden Preis durchzubrechen. Sie beschleunigten ihre Sprünge, um Wagura zuvorzukommen. Ihre Kräfte waren bis zum äußersten angespannt.

Zu spät! Eingedenk meiner Belehrungen ließ Wagura sie so nahe wie möglich herankommen. Erst als sie nur noch vierzig Schritt entfernt waren, eröffnete er das Feuer aus den mit gehacktem Blei geladenen Büchsen. Die Wirkung war verheerend. Eine ganze Anzahl der Stürmenden fiel getroffen zu Boden, die übrigen blieben ruckartig stehen, wie vor den Kopf gestoßen, nur zwei liefen starrsinnig weiter. Es waren Selbstmörder. Nach kaum fünfzehn Sprüngen brachen sie unter einem Hagel von Pistolenkugeln und Speeren zusammen.

Gleich darauf warfen sich die Arawaken und die Warraulen mit unwiderstehlicher Gewalt auf den von der mörderischen Salve halb betäubten Rest der Feinde. Diese nahmen den Kampf nicht auf, sondern wandten sich zur Flucht und rannten zurück ins Dorf. Die Verfolger blieben ihnen auf den Fersen und sandten ihnen unaufhörlich ihre Geschosse nach.

Da ich von Anfang an überzeugt war, daß bei Wagura alles nach Wunsch verlaufen werde, richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit auf die zweite Gruppe der Akawois. Sie bestand aus mindestens vierzig Kriegern und strebte der Lücke zu meiner Linken zu. An der Spitze lief ein großer starker Bursche. Seinen Hals zierte eine Kette aus Raubtierzähnen, und auf seinem Kopf wippten mehrere bunte Federn. Ohne Zweifel war er der Häuptling. Rasch zog ich meine Abteilung mehr nach links, um ihnen besser den Weg zu verlegen. Auch Jaki und Konauro schoben sich mit ihren Leuten zu mir herüber.

Ich besaß eine treffsichere, weittragende Muskete, und mir stand immer noch das Bild vor Augen, wie prachtvoll sich Miguel vor einigen Minuten im Zweikampf mit dem Akawoi geschlagen hatte. Wollten mich meine Sinne zum Wettbewerb herausfordern? Es muß wohl so sein, denn ich vergaß alle Warnungen, die ich anderen gegeben hatte, und wollte durch einen außergewöhnlichen Schuß Ruhmeslorbeeren ernten. Schnell legte ich die Muskete auf die Gabel und nahm den stattlichen Anführer aufs Korn. Ich kannte die Tragweite meiner Waffe und wußte, daß das Ziel noch zu weit war, doch plagte mich die Versuchung allzusehr. Also zielte ich etwas über den Kopf des Häuptlings, verbesserte noch einmal und krümmte den Finger. Getroffen! Der Anführer schleuderte die Arme hoch und stürzte wie vom Blitz gefällt zur Erde, wo er sich noch einmal überschlug. In das entsetzliche Wutgebrüll der Akawois mischte sich das Freudengeschrei aus unseren Reihen, und ich — ich will es nicht verhehlen — war über alle Maßen erstaunt.

Die Heranstürmenden ließen sich durch den Tod des Häuptlings nicht aufhalten. Unsere drei Abteilungen verfügten ungefähr über zwanzig Büchsen, die gute Hälfte davon lag in sicheren Händen. Wie geblendet liefen die Akawois direkt in unseren Schußbereich hinein. Als die Feuerwaffen ihr Werk getan hatten, als die Sehnen der Bogen surrten, die Speere durch die Luft sausten und gleich darauf die Pistolen krachten, war das letze Gericht über die bisher unbesiegten Krieger gekommen.

Dem Rest des kläglich zugerichteten Haufens war die Lust am Kampf vergangen. Sie machten kehrt und rannten Hals über Kopf den Hütten zu, genau wie die Überlebenden am rechten Flügel, denen Wagura auf den Fersen war.

Es waren kaum mehr zwanzig, die jetzt gehetzt wurden, mehr waren von der Expedition nicht übriggeblieben. Auch zwischen den Hütten fanden die Fliehenden keine Ruhe, denn hier warfen sich ihnen Arnaks Leute und die bewaffneten Warraulen entgegen. Die Akawois wurden von vorn und von hinten bedrängt und verschanzten sich in einer großen, auf Pfählen errichteten Hütte, deren Wände aus festem Flechtwerk bestanden. Es war Oronapis Speicher. Wir bildeten einen dichtgeschlossenen Kreis um diese letzte Zufluchtsstätte und waren nun sicher, daß die wütende Ratte fest in der Falle saß. Noch biß sie aber verzweifelt um sich. Als einige Warraulen allzuweit vordrangen, schwirrten viele Pfeile aus dem Versteck, und die Kühnen bezahlten ihre Unachtsamkeit mit dem Leben.

Unter den an der Seite Arnaks kämpfenden Warraulen befanden sich Oronapi und Manduka, der erst kurz vor dem Morgengrauen in Kaiiwa eingetroffen war. Kaum hatte er den Oberhäuptling geweckt, als die Akawois bereits über das Dorf herfielen. Der Häuptling selbst war äußerst betrübt über das Unglück, das den Stamm betroffen hatte, und zutiefst gerührt über unser Kommen. Er preßte mit beiden Händen meine Rechte und erging sich in überschwenglichen Darikesbeteuernngen Ich aber unterbrach freundschaftlich seinen Redeschwall, deutete auf den Speicher und gab ihm zu verstehen, daß die widerwärtige Arbeit noch nicht zu Ende sei.

„Die räuchern wir aus”, erwiderte er und gab sofort die entsprechenden Befehle.

An dem, was nun folgte, wollte ich keinen Anteil haben. Ich ging mit Lasana etwas zur Seite, und wir sahen von weitem dem Ende des Kampfes zu. Durch Pfeile, an denen brennende Strohbüschel befestigt waren, wurden Wände und Dach des Speichers in Brand gesetzt, doch die Akawois verließen ihn nicht. Das dürre Astwerk stand bald in hellen Flammen. Die Belagerten suchten hinter altem Gerümpel und vollen Körnersäcken Schutz. Einige gewandte Warraulen krochen unter die Hütte und entfachten zwischen den Pfählen ein Feuer aus Reisig. Der ausgetrocknete Holzfußboden des Speichers begann sofort zu brennen. Damit war das Schicksal der Eingeschlossenen besiegelt. Da sie nicht zu Tode geschmort werden wollten, sprangen sie ins Freie. Aber auch hier erwartete sie der sichere Tod — sie fielen den Kugeln, Pfeilen und Speeren zum Opfer oder wurden mit Keulen erschlagen, so wie giftige Schlangen durch Stockschläge ihr Ende finden. Manchmal erschienen mehrere zugleich, um sich besser verteidigen zu können, doch es half ihnen nichts.