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„Die Art dieser Gastfreundschaft ist ungewöhnlich, das stimmt”, antwortete er.

„Waren denn die Warraulen immer so herzlich und gastfreundlich?”

„Ich habe sie nie kennengelernt, doch behauptet Manauri, sie seien es früher nicht gewesen.”

„Dann muß das doch etwas zu bedeuten haben? Vielleicht fürchten sie einen Kampf?”

„Anders kann es kaum sein, es muß ihnen irgendein Überfall drohen.”

Er sprach diesen Satz so ruhig und bestimmt aus, daß ich lachen mußte, aber nicht nur seinetwegen, sondern weil mir der Gedanke kam, was wohl für ein Krieg drohen könne, wenn die Menschen imstande waren, so fröhlich zu sein und sich so unbeschwert zu unterhalten?

Im Gegensatz zu dem jovialen Dickwanst Jekuana war Oronapi ernster und in seinem Gehaben barscher; doch bemühte er sich, an diesem Tage so höflich wie nur möglich zu sein. Er überschüttete uns mit Wohlwollen und war bemüht, uns um jeden Preis zu gefallen. Man merkte nur zu deutlich, wie sehr ihm an uns gelegen war, und seine krampfhaften Bemühungen reizten mich manchmal zum Lachen. Da ich mich selbst in rosiger Laune befand, ein wenig Kaschiri hatte ich doch getrunken, ließ ich den Oberhäuptling ohne Umschweife fragen, welchem günstigen Umstand wir seine ungewöhnliche Gastfreundschaft und Höflichkeit zu-zuschreiben hätten.

Durch diese Frage überrascht, blickte Oronapi unsicher zu mir herüber. Bald aber bezwang er seine Verwirrung und sah gedankenvoll in den mit Kaschiri gefüllten Flaschenkürbis, den er in der Hand hielt. Schließlich gab er sich einen Ruck und goß das Getränk in weitem Bogen aus, zum Zeichen, daß er jetzt nicht trinken wolle.

„Mir liegt daran, euch zu Verbündeten zu haben”, sagte er dann mit Nachdruck und blickte mir fest in die Augen. „Mir ist sehr viel an deiner Freundschaft gelegen, Weißer Jaguar!”

„Das habe ich vermutet’, antwortete ich leichthin, ohne auf seinen feierlichen Ton einzugehen. „Aber warum ist dir soviel daran gelegen?”

„Du willst wissen, warum? Weil du zu kämpfen verstehst! Weil ihr gute Krieger seid!

„Ist die Situation wirklich so ernst?’

„Ja, sie ist sogar sehr ernst.”

Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann sprach der Häuptling: „Hör zu, Weißer Jaguar, was ich dir nun erzähle!”

Oronapi machte den Vorschlag, der weniger an mich als an Manauri gerichtet war, daß wir nicht weiterfahren und uns in der Nähe seines Dorfes niederlassen sollten, wo auf erhöhtem Ufer starker Wald wachse und viel fruchtbare Erde vorhanden sei, um Felder anzulegen. Er verpflichtete sich, jede Hilfe zu gewähren, damit wir uns gut einrichten könnten; außerdem habe er beschlossen, da wir nur wenige Frauen bei uns hätten, die gesündesten Mädchen des Stammes den ledigen Männern auf unserem Schiff als Frauen und Gefährtinnen zuzuteilen.

Einigen Arawaken kamen diese Worte sehr gelegen, denn der Kaschiri hatte ihre Gemüter bereits in Wallung gebracht, und die sich in der Nähe tummelnden Warraulenmädchen boten keinen häßlichen Anblick; doch Manauri dankte in höflicher Form für die Freigebigkeit des Oberhäuptlings und erklärte, daß er die Einladung nicht annehmen könne, da er verpflichtet sei, sich bei seinem Stamm zu melden.

„Doch werde ich mich stets deiner Worte erinnern”, schloß er seine Rede. „Solltest du, Häuptling Oronapi, uns in Zukunft jemals um unsere Dienste ersuchen, so werden wir sie dir nie versagen, wenn es sich um die Abwehr eines Feindes handelt. Dies erkläre ich vor einem so würdigen Zeugen, wie es der Weiße Jaguar ist. Andererseits rechnen auch wir damit, wenn wir in Bedrängnis geraten, bei dir Hilfe zu finden.”

„Zu dieser Hilfe sind wir immer bereit!” beeilte sich Oronapi zu versichern.

Da ich genug Andeutungen und feierliche Versicherungen gehört hatte, forderte ich den Häuptling auf, er solle mir offen sagen, was eigentlich los sei, was er erwarte; denn ich sei gewöhnt, stets und in allen Dingen Gewißheit zu haben.

„Du hast recht, ihr sollt wissen, was uns hier bedroht”, erwiderte Oronapi.

Während der Gesang anschwoll und die Tänze unter dem Wirbeln der Trommeln immer wilder wurden, rückten Jekuana, Ma-nauri, Arnak, Wagura und ich zusammen, um besser zu hören, was der Oberhäuptling zu berichten hatte. Fujudi übersetzte dessen Worte ins Arawakische.

Weiter nach Westen zu lagen am Orinoko die Niederlassungen der Spanier, die sich aber ruhig verhielten. Im Süden dagegen, in der Nähe des Meeres, an den Flüssen Essequibo, Demerara, Ber-bice und Cajena saßen Holländer, Engländer und Franzosen. Sie waren als Händler gekommen, um ihre Waren gegen die Produkte

der Indianer einzutauschen, und solange sie sich nur mit dem Handel befaßt hatten, war alles gut gegangen.

Am zahlreichsten waren die Holländer, und sie waren auch die ersten, die neben den Faktoreien Plantagen angelegt hatten, in denen sie verschiedene wertvolle Pflanzen anbauten. Für die Arbeit auf den Plantagen benötigten sie die Arbeitskraft der Eingeborenen, die aber wenig Lust zeigten, für die weißen Herren zu schuften. Da sich die Plantagen vermehrten wie die gefräßigen Sipari-Fische im Fluß, begannen sich die Holländer umzusehen, wie sie ihren Bedürfnissen gerecht werden könnten.

Dort im Süden lebten verschiedene Indianerstämme: an der Küste die Arawaken, im Innern des Urwaldes die ihnen verwandten Wipisanas, die Atorais und die Tarumas, ein Nebenzweig der Wipisanas. Außer diesen friedliebenden Stämmen, die in der Hauptsache vom Ackerbau lebten, gab es dort auch karibische Stämme, die mit Vorliebe Streit suchten und auf Raub ausgingen. Besonders gefährlich für ihre Nachbarn waren die Akawois und die Karibisen, die beide in der Nähe der Küste ihr Unwesen trieben, während die Makuschis und die Arekunas, auch Taulipangen genannt, weiter im Innern des Landes hausten, zum Teil im Urwald, zum Teil bereits in den Llanos.

Das Verhalten der Holländer gegenüber den Indianern war sehr unterschiedlich gewesen; zeitweise hatten sie sich gut mit ihnen vertragen, dann wieder waren sie in Kämpfe mit ihnen verwickelt. Als aber der Mangel an Sklaven auf den Plantagen immer spürbarer geworden war, hatten sie sich mit den kriegerischsten karibischen Stämmen verständigt und sie in einem Abkommen verpflichtet, ihnen Gefangene, also Sklaven, zuzubringen. Die wilden Horden wurden von den Holländern mit Waffen versehen und unternahmen verwegene Überfälle auf die benachbarten Stämme. Die Akawois gingen im Westen und im Norden auf Sklavenjagd, wobei sie bis an den Orinoko kamen; im Westen und im Süden drangen die Karibisen bis an den Rupununi und an den Oberlauf des Essequibo vor. Manche Gebiete hatten sie bereits in unbewohnte Wildnis verwandelt. Überall, wo sie auftauchten, säten sie Schrecken und hinterließen Blut und Tränen; alle, die lebend in ihre Hände gerieten, schleppten sie als Sklaven auf die Plantagen der Holländer.

„Und wie lange wüten sie bereits so?” fragte ich.

„Schon viele, viele Jahre. Aber in der letzten Zeit ist es besonders schlimm.”

„Setzen sich die Überfallenen nicht zur Wehr? Lassen sie sich abführen wie verängstigte Hirschkälber? Haben sie keine Keulen, Speere und Pfeile?”

„Die haben sie, doch sind die anderen geübter im Kriegführen, schneller und gewandter im Blutvergießen; denn die überfallenen Stämme befassen sich mit Ackerbau und Fischfang, so wie wir, und sind nicht so grausam. Die Akawois verstehen es besser, die Waffen zu gebrauchen, zumal sie von den Holländern Feuerwaffen erhalten haben. Wer sollte ihnen da gewachsen sein?”

„Und ihr habt nicht mit ihnen gekämpft?”

„Wir haben gekämpft, aber sie waren stärker. Es ist ärgerlich, das zugeben zu müssen, doch war es so. Ein Teil unserer Krieger wurde getötet, die übrigen wurden in die Sklaverei verschleppt. Jetzt kann uns nur noch die Flucht retten.”