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„So schlimm ist es? Dann sind also die Feinde bedeutend zahlreicher als ihr?”

Oronapi versicherte, daß sie bestimmt zahlreicher seien, doch Jekuana und Fujudi widersprachen und erklärten, daß die Aka-wois ihre Raubzüge meistenteils in kleinen Gruppen durchführten, die kaum zwanzig Krieger zählten. Entscheidend seien ihre katzenartige Gewandtheit und unermeßliche Blutgier, denen man nichts entgegenzusetzen habe.

„Wurden die Arawaken am Itamaka auch schon überfallen?’ wollte Manauri wissen.

„Bisher noch nicht’, antwortete Fujudi, „doch sind in der letzten Trockenzeit einige unserer Jäger auf geheimnisvolle Weise verschwunden, als sie in den Itamakabergen auf der Jagd waren.

Später erfuhren wir, daß sich zu dieser Zeit eine Bande Akawois in der Nähe aufgehalten hatte.”

„Die Trockenzeit hat bereits begonnen”, ergriff Oronapi wieder das Wort. „Von Tag zu Tag regnet es weniger, der Wasserspiegel der Flüsse sinkt. Das ist die geeignete Zeit für Raubzüge. Wir haben Nachrichten erhalten, daß sich die Akawois am Cuyuni auf einen Raubzug in unser Gebiet vorbereiten.”

„Vielleicht sind sie bereits unterwegs?”

„Auch das ist möglich.”

Kaum hundert Schritt hinter den letzten Hütten begann der dichte Urwald. Die Felder der Bewohner Kaiiwas lagen also irgendwo anders. Wie leicht konnte sich der Feind unter solchen Bedingungen im Dickicht anschleichen und das Dorf überraschend angreifen.

„Hast du Späher ausgesandt, Oronapi?” fragte ich.

„Was meinst du?” erwiderte er verwundert.

Der Oberhäuptling hatte keine Ahnung davon, daß in unruhigen Zeiten Kundschafter ausgeschickt werden, und als ich es ihm endlich klargemacht hatte, schüttelte er den Kopf, zuckte die Achseln und sagte: „Nein!”

„Es ist aber notwendig, daß du Posten aufstellst”, riet ich ihm. „Meinst du?” brummte er und war immer noch nicht überzeugt.

Es wurde fröhlich weitergeschmaust, aber Sicherungsmaßnahmen wurden nicht getroffen.

Als ich die Berichte über die Akawois hörte, kamen mir die kriegerischen Irokesen Nordamerikas in den Sinn. Die Akawois konnte man nach all dem, was ich gehört hatte, wohl als die Irokesen des Südens bezeichnen. Am meisten mußte ich mich über den unbegreiflichen Leichtsinn unserer Gastgeber wundern, die durch ihre Unachtsamkeit das Schicksal geradezu herausforderten.

An diesem Tag wurde zwischen Oronapi, Manauri und mir ein Bündnis geschlossen. Wir gaben gegenseitig die feierliche Versicherung ab, daß wir uns in jeder Gefahr beistehen wollten. Zur

Besiegelung des Bündnisses schenkte uns Oronapi zwei Boote, ein großes, eine Itauba, so genannt nach dem Baum, aus dessen Stamm es ausgebrannt wird, und ein Jabota, ein kleines Boot aus Baumrinde, damit wir schneller zu Hilfe eilen könnten, wenn es notwendig sei. Ich überreichte dem Oberhäuptling einen noch reicher verzierten spanischen Degen, als ihn Jekuana erhalten hatte. Außerdem überließen wir ihm eines der spanischen Boote.

Die Nacht verbrachten wir in Kaiiwa, doch ordnete ich vorsichtshalber an, daß alle Gefährten auf dem Schoner schlafen mußten und Wachen ausgestellt wurden. Unser Schiff war uns schon längst zum treuen Freund geworden: es war unsere kleine Festung, unser zuverlässiger Beschützer.

Als ich in der Nacht aufwachte, kontrollierte ich die Wache. Leider mußte ich feststellen, daß der Indianer, der unseren Schlaf bewachen sollte, selbst schlief. Genausofest schliefen alle Einwohner von Kaiiwa, nur die Hunde ließen ab und zu ein kurzes Bellen hören, und der Urwald veranstaltete wie üblich seinen nächtlichen Spektakel.

Sobald am Morgen die Flut einsetzte und das Wasser des Flusses zu steigen begann, setzten wir unsere Fahrt fort. Die Warraulen winkten uns vom Ufer aus herzlichen Abschied zu.

Der Stammeshäuptling und der Zauberer

AIs ich noch ein Kind war, erzählte mir meine Mutter von dem griechischen Helden Odysseus, der lange auf den Meeren umherirrte, bis er endlich ins Vaterland zurückfand. So wie dieser Odysseus erschienen mir jetzt meine arawakischen Gefährten, die nach vielen Jahren aus der Sklaverei zu ihren Familien zurück-kehrten. Alle waren sie von der Vorfreude des baldigen Wiedersehens erfüllt und weilten in Gedanken bei ihren Verwandten und Freunden. So mancher war auch nachdenklich gestimmt. 

Am zweiten Tage nach der Abreise aus Kaiiwa kamen wir zu einer letzten gemeinsamen Aussprache zusammen. Ich sprach möglichst wenig. Dafür führte Manauri das große Wort; er litt ja auch am meisten unter der Unsicherheit des Morgen. Es fiel ihm nicht schwer, seine Zuhörer davon zu überzeugen, daß das in Gestalt der grausamen Akawois von Süden her drohende Unheil schon bald über die Ufer des Orinoko hereinbrechen könne. Der beste Beweis dafür seien nicht nur die Warnungen der Warraulen, sondern auch ihr freundschaftliches Verhalten uns gegenüber. Welche Schlußfolgerungen ergäben sich daraus für uns? Wir müßten zusammenhalten wie bisher und dürften einander nicht im Stich lassen. Wir müßten uns wie eine Familie fühlen, um so mehr, da der Ruhm des siegreichen Kampfes mit den Spaniern uns allen gemeinsam gebühre und uns die Kunde vorauseile, daß wir im Besitz unbesiegbarer Waffen seien.

Die Worte Manauris fielen auf fruchtbaren Boden. Der Gedanke, sich zu einer Sippe zusammenzuschließen, der selbstverständlich auch die am Itamaka lebenden Blutsverwandten angehören sollten, wurde freudig begrüßt.

„Aber welches Zeichen soll die Sippe haben?”

„Es soll die Sippe des Seglers sein!” rief jemand.

„Unsinn!” widersetzte sich der Häuptling. „Unsere Sippen tragen alle Tiernamen.”

„Es gibt nur einen guten Namen”, warf Arasybo ein. „Die Sippe des Jaguars.”

„Auch das ist unmöglich.” Manauri schüttelte den Kopf. „Die Sippe des Jaguars gibt es bereits. Ihr Haupt ist Koneso, unser Oberhäuptling.”

„Ich weiß, war wir tun”, schaltete sich Arnak ein. „Wir nennen unsere Sippe die des Weißen Jaguars.”

„Das ist der beste Vorschlag”, stimmte Arasybo eifrig zu.

Die Indianer blickten mich fragend an, denn sichtlich hing der Name Weißer Jaguar eng mit meiner Person zusammen. Ich hatte nichts dagegen. Von mir aus sollten sie ihre Sippe nennen, wie sie wollten, die Hauptsache war, daß es ihnen selbst und dem ganzen Stamm zum Nutzen gereichte.

„Auf jeden Fall wird es von Nutzen sein!” schrie Arasybo.

Auch die anderen teilten die Meinung des Hinkenden, denn ähnlich wie Manauri wußten auch sie nicht genau, was sie am Itamaka erwarten würde, während unsere Gruppe eine herzliche und allen Anzeichen nach auch dauerhafte Gemeinschaft darstellte.

Und doch war einer auf dem Schoner, der ein finsteres Gesicht machte und über das Geschehen die Nase rümpfte — es war Fu-judi. Da er erst wenige Tage auf dem Schiff weilte, würde er aller Voraussicht nach nicht der Sippe angehören. Mit scharfen Worten, in denen ein fast drohender Unterton lag, warnte er, daß diese Art, eine neue Sippe zu gründen, die durch Generationen bewährte Ordnung und Einheit ihres alten Stammes gefährden könnte.

„Ihr werdet nur den Zorn der Ältesten auf euch laden”, ermahnte er mit strenger Miene. „Koneso wird es nicht billigen, schon gar nicht, wenn der Name dem seiner Sippe so ähnlich ist.” „Es ist ein guter Name!” schrie Arasybo dazwischen und machte ein hochmütiges Gesicht.

Fujudi bedachte ihn mit einem langen, durchdringenden Blick und zischte dann giftig: „Du Sohn eines Kaimans solltest besser schweigen. Glaube nicht, daß deine Taten vergessen sind!”

Diese Worte machten einen unerwarteten Eindruck auf den Hinkenden, sie trafen ihn wie ein Peitschenschlag. Einen Augenblick saß Schrecken in seinen schielenden Augen, und sein ganzer Körper schien zusammenzuschrumpfen.