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Ich ließ mich vorläufig in Manauris Hütte nieder, während die Gefährten sofort darangingen, eine neue Unterkunft für mich zu errichten. Auch viele Bewohner Serimas beteiligten sich frei-willig am Bau. In fröhlicher Stimmung ging die Arbeit schnell

von der Hand, und gegen Mittag war unweit der Behausung Konesos ein geräumiges Haus mit einem mächtigen Dach aus Palm-blättern entstanden, das jedem Sturm standhielt. Drei Seiten hatten Wände aus Bambusrohr, die vierte war offen, wurde aber durch das vorspringende breite Regendach gegen Wetterunbilden geschützt. Das Haus oder, besser gesagt, die sehr geräumige Hütte bot so viel Platz, daß ich meinen unzertrennlichen Freunden Arnak und Wagura sowie Pedro den Vorschlag machte, mit mir hier zu wohnen.

Die übrigen Gefährten erbauten sich ähnliche Hütten, aber nicht verstreut, sondern eine dicht neben der andern. Es war zu merken, daß unsere Sippe auch weiterhin zusammenbleiben wollte. Die Anlage der Hütten bot außerdem ein Spiegelbild der verschiedenen Empfindungen und persönlichen Bande. So schlugen die Neger ihre Behausungen ganz in der Nähe Manauris auf, gewissermaßen als Leibwache ihres Häuptlings. Arasybo suchte an meiner Seite Zuflucht und wurde mein unmittelbarer Nachbar; auch Lasana mit ihrem Kind ließ sich ganz in meiner Nähe nieder.

Als uns Koneso gegen Abend einen Besuch abstattete, um nachzusehen, wie wir uns eingerichtet hatten, benutzte ich die Gelegenheit, um ihm meine Meinung über die Hütte mit dem Totenhügel zu sagen. Ich erklärte ihm unzweideutig, daß ich von Natur aus jähzornig sei, Beleidigungen nur schwer ertragen könne und zugefügtes Unrecht nicht immer so hingehen lasse.

„Unrecht?” fragte er mit unschuldiger Miene. „Das war kein Unrecht!”

„Was dann? Sollte es alberner Schabernack sein oder eine böswillige Falle?”

„Vielleicht war es eine Falle”, gab er zu, machte ein pfiffiges Gesicht und verzog die Lippen zu einem abstoßenden Lächeln, „aber keine böswillige. Es war eine Kraftprobe!”

„Der eine reicht mir in der Pfeife Gift, der andere schickt mich in eine beschworene Hütte!” warf ich ihm vor.

„Du wunderst dich darüber?” Sein Mund lächelte noch immer, die stechenden Augen aber wurden ernst und nahmen einen lauernden Ausdruck an.

„Allerdings, ich wundere mich sehr. Schließlich bin ich euer Gast, oder bin ich es nicht?”

„Natürlich bist du unser Gast, aber ein ungewöhnlicher! Ein ganz anderer als sonstige Gäste, du bringst eine geheimnisvolle Kraft mit, und die wollen wir erproben!”

„Und deshalb gebt ihr mir Gift?’

„So ist es! Das Gift hat auf dich gewirkt, das wissen wir jetzt. Wir wissen nun auch, daß der Geist des Toten mächtiger ist als du. Du fürchtest dich vor ihm.”

„Da irrst du dich, Koneso!”

„Bist du nicht aus der verbotenen Hütte weggelaufen?”

„Ich habe die Hütte verlassen, das stimmt, aber nicht aus Angst vor dem Geist, das kannst du mir glauben!”

„Oho!” Sein aufgedunsenes Gesicht überzog sich mit höhnischem Mißtrauen.

„Ich achte eure Sitten und euren Glauben”, sagte ich betont. „Ich will die Hütte eines Toten nicht entehren, das ist alles.”

Koneso maß mich von oben bis unten mit einem forschenden Blick, und ich erkannte, daß seine Zweifel nicht schwanden. „Man erzählt, daß die Kugeln aus einer Büchse von dir abprallen”, sagte er dann.

„Das ist albernes Geschwätz!”

„Und daß die Pfeile deinen Körper nicht zu durchbohren vermögen. Ist das wahr?”

„Das ist Unsinn!” Nun wurde ich wütend. „Ich bin genauso sterblich wie jeder andere, überhaupt ist alles an mir so wie bei jedem anderen!”

Er glaubte mir nicht ganz, das bewies sein argwöhnischer Blick, mit dem er mich betrachtete. Mißtrauisch legte er den Kopf auf die Seite und schüttelte ihn ab und zu.

„Du wirst doch aber nicht leugnen, daß du irgend etwas hast, was die anderen nicht haben?”

„Das ist wahr”, bestätigte ich lebhaft.

„Also siehst du?”

In seiner Stimme lag Triumph, den ich ihm aber sofort nahm, indem ich fortfuhr:    „Was ich habe, sind die größeren

Erfahrungen. Ich habe viel von der Welt gesehen und bin vielen Feinden begegnet. Die einen habe ich geschlagen, andere haben mich besiegt — und von diesen habe ich am meisten gelernt. Gelernt habe ich, hörst du, das ist mein ganzes Geheimnis.” „Wann bist du mit Jaguaren zusammengestoßen?’ fragte er plötzlich mit veränderter Stimme, als ob er mich überraschen wolle.

Ich antwortete völlig ungezwungen: „Ein einziges Mal bin ich dem Jaguar begegnet! Es war auf der Insel der Verwegenen. Ar-nak, Wagura und ich haben ihn nach schwerem Kampf getötet.” „Das war der König der Jaguare”, murmelte Koneso bedeutsam. „Der Teufel soll es wissen!”

„Und ist der Jaguar des Nachts im Traum zu dir gekommen?” Er hielt den Atem an und beobachtete mich lauernd wie ein U ntersuchungsrichter.

„Und ob er mir erschienen ist! Ich habe sehr oft von Jaguaren geträumt, nachdem ich den einen getötet hatte.” Ich mußte laut lachen. „Hast du keine Träume?”

„Auch ich habe Träume”, antwortete er mürrisch, „aber andere, gesunde.”

Während des Gesprächs saßen wir vor meiner Hütte, im Schatten des vorspringenden Regendaches. Ich wußte nicht, ob es mir gelungen war, sein Mißtrauen und seine Zweifel zu zerstreuen. Mein Gefühl sagte mir; daß Koneso noch lange nicht von meiner guten Absicht überzeugt sei.

Plötzlich erblickten wir Lasana, die einen großen Flaschenkürbis auf dem Kopf trug, in dem sie Wasser vom Fluß geholt hatte. Beim Anblick der wohlgestalteten Indianerin weiteten sich die Augen Konesos vor Begierde, es sah aus, als wolle er sie lebendig verschlingen.

„Du bist hier?” rief er verwundert aus.

„Ich bin hier”, brummte sie kurz und beachtete uns nicht weiter. „Bleib stehen, Lasana”, forderte er sie auf. „Ich habe dir etwas zu sagen. Dein Platz ist nicht hier!”

„Wo sollte er sonst sein?” Sie hielt inne und wandte ihm ihr zorniges Gesicht zu.

„Du gehörst in meine Hütte”, erklärte er. „Geh sofort hin und melde dich dort!”

Lasana bedachte ihn mit einem nicht gerade freundlichen Blick, doch konnte sie ihren Schrecken nicht ganz verbergen.

„Was fällt dir ein?” fauchte sie ihn an.

„Werde hier nicht frech, Mädchen. Gehorche und geh!”

„Ich gehe nicht!” widersprach sie entschieden. „Ich gehöre zur Sippe des Weißen Jaguars, mein Platz ist hier. Und nur hier.” „Und du wirst gehen!” schrie der Häuptling mit schneidender Stimme. „Los! Beeile dich!”

Ihr Widerstand erbitterte ihn. Die anziehende junge Frau gefiel ihm sichtlich außerordentlich, und er wollte sie besitzen. „Warte, Koneso”, sagte ich freundschaftlich und ergriff ihn am Arm. „Sprechen wir in Ruhe darüber. Mir wurde gesagt, daß die Frauen bei den Arawaken gewisse Rechte haben und nicht Sklavinnen der Männer sind.”

„Was soll das? Was hat das damit zu tun?’ Der Häuptling brauste entrüstet auf.

„Daß sie tun und lassen kann, was ihr gefällt.”

„Ganz so ist es nicht! Sie ist jung, hat ihren Mann verloren und hat ein Kind. Man muß sich um sie kümmern. Der Stamm ist verpflichtet, sie unter seinen Schutz zu nehmen.”

„Sie hat bereits einen Beschützer”, erklärte ich.

„Wen?”

„Mich.”

Koneso kniff angriffslüstern die Augen zusammen und fragte: „Willst du vielleicht behaupten, daß du ihr Mann bist? Ich weiß, daß es nicht so ist.”

„Ich bin nicht ihr Mann, aber ich habe sie unter meinen Schutz genommen, und das ist fast das gleiche.” „Und sie wollte diesen Schutz?”

„Ich habe ihn gewollt’, bestätigte Lasana laut und schüttelte den Kopf so kampfeslustig, daß ihre schwarzen Locken nach allen Seiten hin flogen. „Und ich will, daß es auch weiterhin so bleibt!” Wir waren nicht allein. Außer Arnak waren mehrere Indianer aus unserer Sippe sowie einige in der Nähe sitzende Arawaken Zeugen des Vorfalls. Besonders die letzten waren durch die anmaßende Forderung Konesos sehr verärgert. Der Häuptling merkte es und entschloß sich, den Ton zu ändern.