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Den Gefährten gegenüber erwähnte ich nichts von meinem Verdacht; doch kamen auch sie gleich auf den Gedanken, daß hier die Hand eines Feindes im Spiele sein müsse. Aber wer kam für diese Tat in Frage? Das zu erraten war nicht allzuschwer. Auch die vielen Schlangen entlang unserem Pfad erschienen ihnen jetzt verdächtig.

„Da steckt er dahinter, das ist sein Werk”, behauptete Arnak mit düsterer Miene und blickte forschend umher, als suche er im Gebüsch einen verborgenen Feind.

„Jetzt ist er bestimmt nicht hier”, rief ich lachend. „Wenn er uns die Schlangen bringt, dann nur des Nachts.”

„Du meinst, die Schlangen würden von jemandem hergebracht?’ fragte Manauri. Seine Stimme ließ Zweifel erkennen.

„Natürlich. Sie können nur von Karapana sein.”

„Ohne Zweifel sind sie von Karapana! Nur, daß er selbst sie bringen sollte. . .?”

„Wenn nicht er selbst, dann eben seine Gehilfen.”

„Auch das ist zweifelhaft, Jan.”

„Das verstehe ich nicht. Wie sollten die Schlangen sonst hierhergelangen?”

Auf dem Gesicht Manauris malten sich Unruhe und Sorge. „Karapana ist ein Zauberer”, brachte er dann gewissermaßen als Erklärung vor.

„Du willst doch nicht behaupten, daß diese Bestien durch Zauberei hier auftauchen?’ rief ich aus.

„Karapana bringt manches zuwege. Er ist ein großer und gefährlicher Zauberer”, antwortete Manauri ausweichend.

Der Häuptling brachte also das Auftauchen der Schlangen mit bösen Zaubern in Verbindung, und die übrigen Gefährten, mit Ausnahme Arnaks, schienen diesen Glauben zu teilen. Jeder Zauber aber übt eine große Macht aus auf die Indianer, gegen die anzukämpfen ein hoffnungsloses Unterfangen ist, weshalb ich die Befürchtung hegte, daß mich meine arawakischen Freunde angesichts einer höheren Macht im Stich lassen oder zumindest mutlos werden könnten. Ich merkte jedoch bald, daß sie weder den Mut sinken ließen noch daran dachten, mich im Stich zu lassen. Die Ursache hierfür entdeckten sie mir nur zögernd: Karapana sei schrecklich, aber ich, ein Paranakedi, ein Engländer, noch dazu der Weiße Jaguar, verfüge auch über Zauber; meine Macht sei nicht geringer und werde die Beschwörungen Karapanas unschädlich machen.

„Ihr glaubt also, daß ich mit ihm fertig werde?” fragte ich.

„Du wirst mit ihm fertig, du wirst ihn überwältigen!” antworteten sie.

„Sein böser Wille muß mit einer zuverlässigeren Waffe überwunden werden, als es Zaubereien sind.”

„Es gibt keine besseren!” schrien mehrere Indianer betroffen. „Welche denn?”

„Unsere Wachsamkeit.”

Ihre Gesichter drückten Geringschätzung aus, dann aber antworteten sie: „Ja, natürlich.”

„Und ihr wollt mir dabei helfen?”

„Wie könnte es anders sein? Du bist unser Weißer Jaguar, unser Freund”, versicherten sie. „Wir helfen dir!”

„Ich gebe euch Büchsen, und wir werden dem Schuft auflauern. Wir wollen doch sehen, wie er unser Blei verträgt!”

Dieser Vorschlag fand jedoch keinen Anklang bei ihnen. Nächtliches Schießen war nicht nach ihrem Sinn; außerdem fürchteten sie, damit die geheimen Mächte zu erzürnen. Sie wollten des

Nachts nicht auf irgend etwas Geheimnisvolles Jagd machen, sondern schlafen, und so wurde lediglich beschlossen, daß sie ihre Aufmerksamkeit erhöhen und die Schlangen in größerem Maße austilgen würden.

Als ich am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang in Gesellschaft Pedros und Arnaks zur Jagd aufbrach, erlebten wir nach einigen Minuten Weges eine Überraschung. Dort, wo der Pfad den Rand des Urwalds erreichte, lagen mitten auf dem Weg, als sollten sie diesen versperren, einige kleine Lehmfiguren. Sie sahen aus, als hätte sie die ungeschickte Hand eines Kindes geformt. Arnak, der voranging, bückte sich blitzschnell und gab uns mit einer energischen Handbewegung zu verstehen, daß wir nicht weitergehen sollten. In seinem Gesicht zeichneten sich Entsetzen und Schreck ab, entgeistert starrte er die Figuren an und war so verblüfft, wie ich es nur selten an ihm bemerkt hatte.

Die Figürchen waren kaum größer als ein Finger und stellten verschiedene Tiere dar: eine Eidechse, eine kleine Kröte, eine junge Schlange, einen nicht genau zu erkennenden Vierfüßler, einen Vogel und endlich einen Skorpion. Alle diese Geschöpfe lagen so, daß sie uns die Köpfe entgegenstreckten. Als ich sie genauer in Augenschein nahm, fiel mir auf, daß jedes von ihnen einen mißgestalteten Körperteil aufwies; bei dem einen war es ein plattgedrückter Kopf, bei dem andern eine ausgerissene Pfote, ein zerfleischter Rücken oder ausgekratzte Augen.

„Geh nicht näher heran”, flüsterte Arnak mit bebender Stimme. Überrascht und bestürzt zugleich betrachtete ich den Freund. „Wieder ein Zauber?” fragte ich.

„Ja, ein Zauber”, bestätigte er.

„Nun hat es dich auch noch gepackt”, sage ich vorwurfsvoll. „Arnak, lieber Arnak! Das ist doch albernes Zeug!”

„Nein, Jan”, verteidigte er sich ernst. „Das ist kein albernes Zeug mehr. Wenn der Zauberer jemanden vernichten will, dann legt er ihm solche beschworenen Figuren auf den Weg.”

„Und weshalb?”

„Um seinen Willen zu schwächen, sein Herz zu verderben, um ihm die Sinne zu verwirren...”

„Ich werde diesen Zauber zertreten”, erklärte ich.

„Tu es nicht! Die Figuren könnten vergiftet sein und das Gift durch die Schuhsohlen in deinen Körper gelangen.”

Nach einiger Zeit erholte sich Arnak von der ersten Bestürzung, sein Gesicht hellte sich auf, und ein feines Lächeln erschien auf seinem Mund.

„Nein, Jan”, sagte er heiter, wie um mich zu beruhigen. „Du hast mich gelehrt, daß alle diese Dinge Aberglauben sind, und dein Bemühen war nicht fruchtlos. Aber das hier sind keine Hirngespinste, es ist ein Beweis, daß Karapana geradezu versessen auf deinen Tod ist, und das ängstigt mich.”

„Woher willst du wissen, daß er es gerade auf mich abgesehen hat und nicht auf uns alle?”

„Sieh dorthin!”

Er deutete auf den Pfad, und ich entdeckte einige Schritte weiter noch eine einzelne Figur. Sie stellte ein Raubtier dar, und zwar einen Jaguar, der weiß angestrichen worden war; ohne Zweifel sollte es der Weiße Jaguar sein. Das ging allerdings mich an. Die Brust des Tieres war von einem Speer durchbohrt, welches Schicksal sichtlich auch mir beschieden sein sollte. Diese Drohungen ließen mich nur die Achseln zucken, und doch empfand ich diese verbissene Verfolgungswut des Zauberers als unheimlich. Sollte ich, ohne mir dessen bewußt zu sein, bereits seinen vernichtenden Einflüssen unterliegen?

Arnak ergriff plötzlich einen stärkeren Zweig und schlug damit so lange auf die Figuren ein, bis sie zu feinem Staub zerfallen waren, den er sorgfältig zur Seite fegte. Als er sich anschickte, auch den Jaguar auf die gleiche Weise zu zerschlagen, hielt ich ihn zurück, weil ich mir die Figur als Andenken aufheben wollte. Arnak schüttelte zwar den Kopf, doch schließlich gab er sich damit zufrieden.

„Berühre ihn aber nicht”, rief er mir warnend zu.

Wir schlangen eine dünne Liane um die Figur und hängten sie im Gebüsch auf, um sie auf dem Rückweg mitzunehmen.

Als wir nach einigen Stunden zurückkehrten, erwartete uns eine neue Überraschung: die Figur war weg. Während wir auf der Jagd waren, hatte sie jemand geholt. Von unserer Sippe hatte es bestimmt keiner getan, es mußte also ein Fremder in der Nähe unserer Hütten umherstreifen. Das Dickicht des Waldes, das uns wie eine Mauer umgab, verbarg ein düsteres Geheimnis.

„Den Weißen Jaguar mit dem durchbohrten Herzen hat nun dein Feind in der Hand”, erklärte Arnak. „Hüte dein Herz!” „Mein Herz ist gesund wie das eines Pferdes!” Ich lachte übermütig.

In der Tat fühlte ich mich ungewöhnlich wohl und strotzte geradezu vor Gesundheit, was eigentlich verwunderlich war, da in diesem feuchtschwülen Dunst bestimmt allerlei Krankheiten nisteten. Der beste Beweis dafür waren die Indianer selbst, von denen viele durch erschöpfende Fieberanfälle und andere heimtückische Krankheitserscheinungen geplagt wurden.