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In der zweiten oder dritten Nacht nach der Entdeckung der unheilverkündenden Figuren erwachte ich und konnte nicht wieder einschlafen. Aus dem nahen Urwald klang lärmende Musik herüber, und vom Fluß her tönten die kreischenden Laute eines zweiten Orchesters, das zwar anders zusammengesetzt, doch nicht weniger geräuschvoll war. Auch in den Rohrwänden der Hütte huschte und knisterte es, hier waren kleine Eidechsen und anderes Gewürm am Werk. Da ich keinen Schlaf finden konnte, kreisten verschiedene Gedanken in meinem Kopf. Durch die unbegreifliche Feindschaft des Zauberers spitzte sich die Situation von Tag zu Tag zu. Ich mußte etwas Entscheidendes dagegen unternehmen. Aber was?

Plötzlich lauschte ich, alle Sinne angespannt. Mein Lager aus Zweigen, über die Felle gebreitet waren, befand sich unmittelbar an der Wand. Ich glaubte genau über mir ein Geräusch zu vernehmen, das sich von den üblichen unterschied. Es raschelte und

knisterte eigenartig, als ob das Rohr vorsichtig auseinandergeschoben würde. Nachdem ich eine Weile gehorcht hatte, war ich sicher, daß jemand von außen gewaltsam eine Öffnung in die Wand bohrte. Eben wollte ich aufstehen, um hinauszustürzen und den geheimnisvollen Besucher zu fassen, als etwas auf meinen Bauch herabfiel. Ich blieb ganz still liegen und machte keine Bewegung. Bald zeigte es sich, daß mir meine Beherrschung und Geistesgegenwart das Leben gerettet hatten, denn was auf meinem Bauch lag, war eine Schlange.

Sie war nicht groß, etwa zwei bis drei Fuß lang, und blieb zunächst regungslos liegen, als ob sie nicht wüßte, was sie tun solle. Mein Herz schlug zum Zerspringen, und ich getraute mich kaum zu atmen. Während der letzten Tage war ich mit der Natur dieser Wildnis eng vertraut geworden und wußte, daß die geringste Bewegung das gereizte Reptil veranlassen konnte, seinen Giftzahn in meinen Körper zu schlagen.

Nach einiger Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, rollte sich die Schlange auseinander und begann sich zu bewegen. Ich fühlte ihre schlüpfrige Haut und mußte meine ganze Willenskraft aufbieten, um ruhig zu bleiben. Sie glitt von meinem Bauch herunter, kroch langsam den Körper entlang, wand sich um meine Füße und verharrte einige Minuten so. Nachdem ich auch das ausgehalten hatte, spürte ich, daß sie langsam mein Lager verließ.

Schweißgebadet atmete ich auf. Es dauerte geraume Zeit, bis mein Blut wieder normal in den Adern kreiste und mein Denkvermögen zurückkehrte.

Das Ganze hatte sich in völliger Dunkelheit abgespielt, nicht einmal die Hand vor meinen Augen konnte ich sehen. Wenn mir auch keine unmittelbare Gefahr mehr drohte, so war diese noch nicht endgültig gebannt. Die Schlange befand sich immer noch in der Nähe, vielleicht lag sie nur wenige Zoll von mir entfernt auf der Lauer. Ich blieb daher weiterhin regungslos liegen und wagte es nicht, die Gefährten zu rufen.

So verbrachte ich noch einige Stunden, bis es endlich zu tagen begann. Als das durch die Ritzen der Wand einfallende Licht die Dunkelheit zerstreute, sah ich mich vorsichtig um. Die Schlange war nirgends zu entdecken. Gleich darauf erwachten die Gefährten, und ich teilte ihnen mit, was sich in der Nacht ereignet hatte.

Wir standen auf und suchten jeden Winkel der Hütte nach der Schlange ab. Schließlich fanden wir sie in den Zweigen unter meinem Lager. Sie gehörte zu einer sehr giftigen und als äußerst angriffslustig bekannten Art. Als sie sich umzingelt sah, kam sie auf uns zu. Schnell und treffsicher versetzte ihr Arnak einen tödlichen Schlag mit dem Stock.

Als beredte Spur klaffte in der Wand über meinem Lager eine Öffnung. Das war bereits ein ausgesprochener Anschlag auf mein Leben. Wir alle empfanden den Ernst des Augenblicks und die Notwendigkeit, uns wirksamer zu verteidigen als bisher. Nun war niemand mehr dagegen, daß wir nachts Wachen ausstellen und auf jeden Unberufenen, der sich unseren Hütten näherte, schießen sollten.

„Ich gehe auf Wache”, meldete sich Arasybo als erster. In seinen Augen funkelte Haß.

„Wir alle werden die Wache übernehmen, der Reihe nach”, erwiderte Arnak.

„Aber ich als erster! Gleich in dieser Nacht!” beharrte der Hinkende auf seinem Willen.

Arasybo schielte doch, und in der Nacht braucht man ein gutes Sehvermögen. Die Gefährten erklärten mir aber, daß er Augen habe wie eine Katze. Er bekam also am Abend eine Büchse von mir, die ich mit gehacktem Blei geladen hatte; außerdem wies ich ihn an, auf keine geringere Entfernung als dreißig Schritt zu schießen. Damit er nicht vielleicht einen von uns töte, sollte er jeden sich Nähernden anrufen und sich überzeugen, wer es sei.

„Ich werde schon feststellen, wer es ist’, brummte der Hinkende.

Am Abend hatten wir unsere nächsten Nachbarn gewarnt und ihnen eingeschärft, sie sollten sich des Nachts unserer Hütte nicht nähern und auch den von uns in den Wald führenden Pfad nicht betreten.

Gegen Mitternacht wurden wir durch einen Schuß aus dem Schlaf gerissen. Wir rannten aus der Hütte. Arasybo rief uns zu, daß er auf einen heranschleichenden Menschen geschossen habe. „Hast du ihn angerufen?’ fragte ich ihn.

„Wozu? Es war ein Feind!”

Wir entzündeten Fackeln und liefen zu der von Arasybo be-zeichneten Stelle. Es war niemand zu entdecken. Entweder hatte der Schütze gefehlt — oder er hatte auf ein Trugbild geschossen.

Als es ganz hell geworden war, untersuchten wir die Stelle noch einmal. Diesmal mit Erfolg, denn wir fanden zahlreiche Blutspuren. Arasybo triumphierte.

Eine Schlange, Wildschweine und ein Jaguar

Der Schuß Arasybos wirkte Wunder, die bösen Geister ^schienen abgeschreckt worden zu sein. Die jSchlangenplage hörte schnell ganz auf, und auch /des Nachts versuchte niemand mehr, unsere Ruhe zu stören. Da unser Wachen ergebnislos verlief, wollten es die Indianer nach einigen Tagen wieder einstellen, doch diesmal erklärte ich mich damit nicht einverstanden und setzte schließlich meinen Standpunkt durch. Inzwischen hatte die Trockenzeit, die Zeit der Raubzüge, endgültig im Urwald Einzug gehalten, und unsere Wachsamkeit galt nicht mehr nur einer Gefahr, sondern zweien: den Anschlägen des Zauberers und der Möglichkeit eines Überfalls durch die Akawois. Alle Männer unserer Sippe waren verpflichtet, am Wachdienst teilzunehmen. Der Natur der hiesigen Indianer widerstrebte diese Vorsicht, sie hatten nicht die Gabe, unangenehmen Überraschungen vorzubeugen. Da sie mich aber schätzten und mir keinen Ärger bereiten wollten, taten sie mir den Gefallen. 

Wen Arasybo durch seinen Schuß verwundet hatte, blieb ein Rätsel. Aus unserer Sippe war es niemand, und auch Karapana, Koneso, Pirokaj und Fujudi hatten keinerlei Verletzungen, wo-von ich mich in kurzer Zeit überzeugen konnte.

Da ich Unannehmlichkeiten durch die Akawois voraussah, wollte ich eine genaue Karte der Wälder, Berge, Flüsse und Pfade haben, die sich zwischen dem Unterlauf des Orinoko und dem Cuyuni befanden. Ich schickte deshalb Arnak und den gewandten Kartenzeichner Pedro zu allen Einwohnern Serimas, die genauere Angaben über diese Dinge machen konnten. Die Indianer gaben uns gern Auskunft, und so entstand eine schöne Karte, die mir sehr zustatten kam. Gleichzeitig hatte Arnak die Möglichkeit, vorsichtig Erkundungen über unseren nächtlichen Besucher einzuziehen. Der blieb jedoch verschwunden, als habe ihn die Erde verschluckt. Wenn dieser Mensch irgendwo lag und seine Wunden pflegte, so mußte er über ein entlegenes, gut verborgenes Versteck verfügen.