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„Es hat ihn erwischt, es hat ihn erwischt!” schrie Lasana aus Leibeskräften, ergriff mich vor lauter Freude an den Schultern und zog mich zu sich.

„Gib acht, sonst fallen wir hinunter!” Ich wehrte mich, während wir beide in lautes Lachen ausbrachen. Dieses Lachen überkam uns plötzlich und verschaffte uns Erleichterung nach der unmenschlichen Anspannung der letzten Minuten.

Langsam beruhigten wir uns und suchten zunächst einmal den Schauplatz des Kampfes mit den Augen ab. Der Jaguar war im Dschungel verschwunden, er war nicht mehr gefährlich, wahrscheinlich saß ihm die Kugel im Kopf. Überall lagen Wildschweine, fürwahr eine stattliche und schöne Beute. Mit diesem Fleisch konnten wir alle Freunde und Nachbarn für einige Zeit mit Nahrung versorgen. Das Glück war uns wirklich hold gewesen. Ich war ganz trunken und außer mir vor Freude. Zu allem Überfluß strahlte die Sonne wieder vom Himmel herab und tauchte die Welt in zauberhaftes Licht, dessen Strahlen auch den Weg in die

Gründe des Waldes fanden und wie goldene Schnüre in der Luft hingen.

Bevor ich vom Baum hinunterstieg, lud ich zur Vorsicht Büchse und Pistole.

Von unten blickte ich in das freudestrahlende Gesicht Lasanas, und noch nie war sie mir so reizend und so liebenswert erschienen. Ich legte Waffen und Jagdgerät neben den Stamm auf die Erde, streckte die Arme empor und deutete ihr an, sie solle herunter-springen. Sie tat es mit der Anmut eines flatternden Kolibris und fiel mir in den Arm wie eine reife Frucht. Ich war wie betäubt. Wie Raubtiere erwachten plötzlich die begehrenden Sinne.

Ich ergriff mit der linken Hand ihre Nackenhaare und zog ihren Kopf zu mir heran. Mit dem harten Blick eines Menschen, der entschlossen ist zu besitzen, sättigte ich mich an jedem Zug ihres reizvollen Gesichts und trank erregendes Lustgefühl aus ihren Augen. Diese Augen, die eben noch lustig dreingeschaut hatten, überzogen sich mit einem feuchten Schleier.

Ich hielt ihre Haare fest, als hätte ich die unsinnige Befürchtung, daß sie mir entwischen könnte, umschlang mit dem rechten Arm ihre Taille und preßte sie an mich. Sie wehrte sich nicht. Mit beiden Armen umspannte sie meinen Hals.

Wir waren im Begriff, auf die Erde zu gleiten, als wir von weitem die Stimme Waguras hörten, der fröhliche Rufe ausstieß und schnell auf uns zukam. Das brachte uns in die Wirklichkeit zurück. Ich ließ Lasana los und trat zurück. Sie schüttelte den Kopf, damit sich die Haare ordneten, griff sich in die Nackengegend, wo ich sie festgehalten hatte, und drohte mir lächelnd: „Das tat weh!”

„Sehr?”

Sie verneinte schnell und lachte schelmisch.

Wir töteten die verwundeten Wildschweine, trugen sie alle an einer Stelle zusammen und machten uns an die zeitraubende Arbeit des Ausweidens. Sie nahm einige Stunden in Anspruch. Dann hängten wir die Beute an den Ästen der umstehenden Bäume auf;

die Indianer aus dem Dorf sollten sie später holen. Zwei Schweine banden wir zusammen, hängten sie über einen Stock und nahmen sie mit. Im ganzen hatten wir mehr als zwanzig Wildschweine er-legt, einige davon waren das Opfer von Waguras Blasrohr geworden. Den Jaguar fanden wir nicht, allerdings suchten wir auch nicht lange.

Zwischen Leben und Tod

Als wir uns der Siedlung näherten, hatte die Sonne gerade erst ihren höchsten Punkt überschritten. Da das Fleisch der Wildschweine sehr leicht averdarb, eilten wir ohne zu rasten den Pfad entlang. Ein Vorfall, der mich fast das Leben gekostet hätte, ereignete sich nicht mehr weit von unseren Hütten, viel-leicht hundert Schritt, bevor wir den Rand des Urwaldes erreichten.

Ich ging voran und trug das eine Ende des Stockes, an dem die Schweine hingen, auf meiner Schulter. Der Pfad war schmal, so daß uns öfter Zweige ins Gesicht schlugen. Wieder einmal verspürte ich einen Schlag an der linken Schulter, weder schmerzhaft noch außergewöhnlich. Als ich zur Seite blickte, schien es mir, als bewege sich etwas im Gebüsch. Ich sah genauer hin und erkannte, daß es eine Schlange war. Noch lag sie auf dem Zweig auf der Lauer. Sie mochte an die drei Fuß lang sein, und die Form ihres Kopfes verriet mir sofort, daß sie giftig war.

„Vorsicht!” rief ich und gab mir Mühe, meiner Stimme einen möglichst ruhigen Klang zu verleihen. „Eben hat mich eine Schlange gebissen!”

„Wo?” rief Wagura aus, als schräke er aus einem Traum hoch. »Wo?*

„An der linken Schulter”, antwortete ich und trat schnell auf die rechte Seite des Pfades. „Dort auf dem Ast liegt sie!”

Lasana, die hinter uns ging, war der Schlange am nächsten. Sie tat einen Sprung und führte einen so mächtigen Schlag mit dem

Bogen, daß der Schlange das Rückgrat brach. Das getroffene Reptil glitt von dem Zweig herunter, fiel aber nicht zur Erde, sondern blieb in der Luft hängen.

„Sie ist angebunden!” rief Wagura verwundert aus.

Wirklich, die Schlange war mit dem Schwanz an dem Ast festgebunden. Irgend jemand mußte sie über dem Pfad befestigt haben, damit sie Vorüberkommende beiße, und sie hatte ein Opfer gefunden!

Beide Gefährten eilten zu mir. Ich zeigte ihnen die Stelle, an der ich den Biß verspürt hatte. Es waren nur zwei winzige Pünktchen zu sehen; niemand hätte vermutet, daß dies ein Schlangenbiß sei. Auf den Gesichtern der Freunde malte sich große Bestürzung.

„Ein Messer!” stieß Lasana heiser hervor; ihre Stimme klang völlig fremd.

Sie riß das Messer aus meinem Gürtel; doch Wagura nahm es ihr aus der Hand und erklärte, daß er das besser verstände. Beide verlangten, ich solle mich schnell niedersetzen.

Der junge Indianer hielt meine Schulter fest und begann an der Stelle des Bisses mit schnellen Schnitten die Haut zu öffnen. Die tiefe Wunde blutete stark, doch er schenkte dem keine Beachtung und schnitt immer weiter. Gleichzeitig knetete er die Schulter, um möglichst viel Blut herauszupressen. Ich verbiß den Schmerz, denn ich war mir bewußt, was auf dem Spiel stand.

Endlich legte Wagura das Messer beiseite und neigte sich über die Wunde, um Blut aus ihr zu saugen.

Lasana aber stieß ihn gewaltsam zur Seite und herrschte ihn an: „Nein, das darfst du nicht tun! Du hast eine Wunde an der Lippe!”

Dann beugte sie sich über mich und begann kräftig Blut zu saugen, das sie seitwärts ausspie. Sie saugte nicht nur, sondern biß in das Fleisch der Wunde, als wolle sie die Öffnung noch vergrößern. In kurzer Zeit waren ihre Hände, das Gesicht und die Brust mit Blut beschmiert.

Das alles geschah blitzschnell, viel schneller, als man es beschreiben kann. Seit dem Biß der Schlange mochte kaum eine Minute vergangen sein, als sich Lasana, vor Anstrengung nach Atem ringend, einen Augenblick aufrichtete.

Kaum gewahrte sie den untätig zuschauenden Wagura, da fauchte sie ihn auch schon an: „Lauf zu meiner Mutter! Erzähl ihr, was geschehen ist!”

„Und was weiter?”

„Sie soll sofort mit der Medizin hierherkommen. Los, lauf schon!” Und Wagura raste davon; erjagte dahin wie ein Hirschbock. Wie hatten mich die beiden doch in ihr Herz geschlossen!

Ich selbst saß da wie ein Götzenbild und versuchte der Verblüffung über die Bestürzung und wahnsinnige Hast meiner Begleiter Herr zu werden. Obgleich ich mich noch gut an den Hund erinnerte, der nach einem Schlangenbiß so schnell verendet war, und manche anderen traurigen Ereignisse hatte erzählen hören, wollte mir der Ernst des Augenblicks und die Bestürzung der Freunde nicht in den Sinn, da ich weder Schmerz verspürte — außer dem, den das Messer Waguras verursacht hatte — noch unter Krämpfen litt. Lediglich ein leichtes Schwindelgefühl machte sich manchmal bemerkbar.