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„Und wenn er sich verstellt?’ fragte Koneso zweifelnd.

„Auch dann wird er nicht mehr lange leben, du kannst beruhigt sein”, wiederholte Karapana, der seiner Sache sehr sicher schien.

Bisher hatte ich alles, was sich um mich herum abspielte, mit äußerster Spannung verfolgt. Der Griff der Pistole, den ich in meiner Hand fühlte, wirkte beruhigend. Bei den letzten Worten des Zauberers, die eine geheimnisvolle Drohung enthielten, wurde ich unruhig, und mein Herz begann wild zu schlagen. Von welcher Seite drohte die Gefahr?

„Lasana”, wandte sich der Zauberer an die Frau, „zeige uns die Wunde.”

„Wir wollen ihn nicht berühren”, ergänzte der Häuptling, „das könnte schlecht ausgelegt werden.”

„Die Wunde ist mit Blättern überklebt’, wehrte Lasana ab. „Das macht nichts! Hast du ihn gepflegt?”

„Nein, meine Mutter.”

„Rufe die Mutter herbei!”

Sie zögerte einen Augenblick, ob sie mich mit den beiden allein, lassen solle, doch dann erkannte sie wohl, daß mir gegenwärtig keine Gefahr drohe. Übrigens entfernte sie sich nur zwei Schritt vom Eingang und rief ihrer Mutter einige Worte zu, die sich in der nahe gelegenen Hütte befand; dann kehrte sie sofort zurück.

In dieser kurzen Zeit geschah etwas Geheimnisvolles in der Nähe meines Lagers. Karapana huschte hinter mich, beugte sich nieder, als ob er etwas suche, doch konnte ich nicht bemerken, was er tat, da ich den Kopf nicht bewegen wollte. Ein feines,

eigenartiges Geräusch drang an mein Ohr, aber so schwach, daß ich nur schwer erraten konnte, was es verursacht hatte. Es hörte sich an wie ein leises Gluckern oder Klingen, es konnte aber auch ein Rascheln gewesen sein. Es blieb mir nur ganz kurze Zeit gegenwärtig, denn schon trat Lasana ein und betrachtete die beiden Männer und das Innere der Hütte mit mißtrauischem Blick. Als sie nichts Verdächtiges wahrnehmen konnte, erklärte sie, daß ihre Mutter gleich kommen werde.

Als die alte Frau erschien, entblößte sie meine Wunde; zum Glück schlug sie die Matte nur auf der linken Seite zurück, so daß die Pistole unentdeckt blieb. Karapana lobte die Behandlung und übergab den Frauen einige von seinen Kräutern, die er als äußerst wirkungsvoll bezeichnete. Gleichzeitig fügte er jedoch hinzu, daß es fraglich wäre, ob sie in diesem Fall noch Hilfe bringen könnten, denn nach seiner Meinung sei dem Kranken doch nicht mehr zu

helfen. „Warum sollten sie nicht heIfen?” fragte die Alte verwundert. „Es geht ihm doch schon besser.”

„Das habe ich nicht feststellen können”, erklärte der Zauberer barsch. „Liegt er bereits. lange so starr?”

„Schon eine ganze Zeit, zuvor aber hat er sich bewegt.”

„Der Tod ist nicht mehr fern, deshalb ist er so starr. Bis zum Abend wird er sterben.”

Die Frau war anderer Meinung, doch sie durfte dem Zauberer nicht widersprechen, und seine Eröffnung versetzte sie in Schrecken.

„Er wird sterben”, wiederholte Karapana und schwelgte in dieser Vorstellung. „Er stirbt, weil ihn eine ganz besondere Schlange gebissen hat.”

„Eine besondere Schlange?’

„Ja, er wurde von einer beschworenen Schlange gebissen.” „Wir wissen, wer sie beschworen und an dem Zweig festgebunden hat!” brauste Lasana zornig auf.

„Du überkluges Mädchen”, wies sie der Zauberer mit düsterer

Miene zurecht. „Du, in deiner Dummheit, würdest nie darauf kommen, wer die Schlange beschworen hat.”

„Wer hat sie denn beschworen?”

„Er selbst.”

„Wer? Der Weiße Jaguar?”

„Er selbst war es!”

In dem folgenden Schweigen gaben die Gesichter der Frauen ihrem Zweifel beredten Ausdruck.

„Ja, er selbst, es ist so”, versicherte Karapana. „Du, Lasana, bist jung und dumm, aber deine Mutter kann dir erzählen, daß Ka-naima in verschiedenen Gestalten auftritt. Die schlimmsten sind solche, die den Eindruck erwecken, daß sie gute Menschen sind.

Vielleicht sind sie wirklich gute Menschen, nur wissen sie nicht, daß ihr Körper die verderbenbringende Seele Kanaimas beherbergt. Während ihr Körper im Schlaf liegt, trennt sich die Seele von ihm und fügt Menschen und Tieren viel Böses zu; sie tötet, vergiftet das Blut und hetzt Schlangen auf die Menschen. — Sage ihr, ob es solche Menschen gibt.” Er wandte sich der Alten zu.

„Die gibt es!” bestätigte diese verängstigt.

„Und nun sagt mir, ihr Dummköpfe, was wißt ihr schon von eurem Weißen Jaguar? Was wißt ihr von seinen Untaten und Freveln, die er im Schlaf begeht, wenn er wahrscheinlich selbst: nichts davon ahnt, wenn er selbst nicht weiß, daß die verbrecherische Seele Kanaimas in ihm steckt?”

„Und du, woran erkennst du denn, daß er eine solche Seele hat?’ fragte Lasana.

„Sieh mich an, Mädchen! Betrachte mein Gesicht und zähle die Jahre, die es .zeigt — so viele Jahre, so viele Erfahrungen. Wenn du zu sehen vermagst, dann wirst du es verstehen!”

„Meine Augen sind gut’, antwortete sie stolz, „und gerade deshalb sehe ich in ihm nichts von Kanaima, in dir aber sehe ich Wut und maßlosen Haß, obgleich du ein großer Zauberer bist!”

Einen Augenblick trat Schweigen ein. Ich war entschlossen, dem Zauberer eine Kugel in den Schädel zu jagen, wenn er sich auf Lasana stürzen sollte. Aber er rührte sich nicht. Er schluckte seine Wut hinunter, zwang sich, ruhig zu bleiben, und zischte mit heiserer Stimme:

„Er wird jetzt krepieren. Und du, böses Weib, nimm dich in acht, daß du ihm nicht bald nachfolgst.”

Nach diesen Worten drehte er sich um und ging dem Ausgang zu. Koneso aber packte Lasana an den Schultern und begann sie wild zu schütteln.

„Wenn du Verstand hast und am Leben bleiben willst”, sprudelte er hervor und schluckte, da ihm vor Begierde und Wut der Speichel aus dem Munde floß, „wenn du am Leben bleiben willst, so weißt du, was du zu tun hast! Ich allein, nur ich kann dich vor dem Tode bewahren. Ich befehle dir, sofort in meine Hütte zu gehen!”

„Rühr mich nicht an, du ekliges Scheusal”, vernahm ich Lasanas kalte Stimme.

„Ich will, daß du am Leben bleibst”, lallte der Häuptling mit fast flehender Stimme. „Ich befehle dir. . .”

Plötzlich ließ er von ihr ab und eilte Karapana nach, der die Hütte bereits verlassen hatte.

Nachdem die beiden gegangen waren, deutete die Mutter auf mich und fragte ihre Tochter: „Haben sie ihn berührt?”

„Nein.”

Das beruhigte die Alte, zerstreute aber ihre Bedenken nicht.

Ihr Gesicht verriet Unwillen, und die Blicke, mit denen sie mich betrachtete, waren nicht sehr freundlich. Sollte das lächerliche Gefasel des Zauberers über meine unheilbringende Seele doch einen Eindruck hinterlassen haben? Vielleicht nahm sie mir auch die Scherereien übel, die sie meinetwegen in Kauf nehmen mußte? Ich lächelte ihr zu, doch sie rührte sich nicht. Erst als ich die Pistole unter der Matte hervorzog, heiterten sich die Gesichter der Frauen auf, da sie erkannten, daß wir Koneso und Karapana nicht wehrlos gegenübergestanden hatten, und die Alte wurde wieder freundlicher zu mir.

Sie machten sich beide daran, die von Karapana überbrachten Kräuter genau zu untersuchen, ob er nichts Giftiges daruntergemischt habe. Ich selbst durchforschte die Umgebung meines Lagers, wo sich der Zauberer so geheimnisvoll zu schaffen gemacht hatte. Hier befand sich aber nur der Krug mit dem für mich bestimmten Trinkwasser.

Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke, bei dem es mich heiß überlief. Es konnte gar nicht anders sein: Das Gluckern und Scharren mußte dadurch entstanden sein, daß das Wasser im Krug um-gerührt worden war, umgerührt aber wurde es, um darin etwas aufzulösen. Sollte es ein Gift gewesen sein? Es mußte wohl so sein, sonst hätte Karapana nicht mit solcher Sicherheit behauptet, daß ich noch heute das Zeitliche segnen würde. Meiner Wachsamkeit war es zu verdanken, daß wir die Absicht dieses schlauen Lumpen entdeckten, bevor es zu spät war.