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„Mit einem Zauber?’ Zweifel erklangen in der Stimme des Häuptlings, als er die Worte langsam wiederholte.

Ich wollte sie nicht weiter auf die Folter spannen und begann ihnen meinen Plan zu erläutern: „Du, Arnak, überbringst mit zwei Freunden Karapana das Jaguarfell und eröffnest ihm feierlich, daß es ein Geschenk von mir ist. Dann erklärst du ihm, daß das Auge, durch welches ich das Tier getötet habe, über magische Kräfte verfügt, daß es alles sieht, was der Zauberer im Schilde führt, und es dem Schädel des Jaguars mitteilt, den ich zurückbehalte. Der Schädel aber setzt im gleichen Augenblick mich davon in Kenntnis. Er habe mir auch verraten, daß mein Trinkwasser vergiftet worden war, und Konesos Hund habe es mit dem Leben bezahlen müssen. Außerdem sagst du ihm, daß es sinnlos sei, das Fell beiseite zu schaffen oder zu vernichten, denn das Zauberauge werde trotzdem alles sehen und den Schädel und mich unterrichten. Dann fügst du noch hinzu, daß mich das Jaguarfell vor allen Gefahren schütze, daß es jeden gegen mich gerichteten Anschlag abwende und auf den Urheber selbst zurückfallen lasse. Genauso, wie es Konesos Hund ergangen sei, würde es auch jedem Menschen ergehen; es gebe keine Zauber, die ihn davor bewahren könnten. Willst du das tun, Arnak?”

„Ich gehe.”

„Ob das Karapana bezähmen wird?’ warf Manauri ein.

„Ich glaube, ja”, versicherte ich, obgleich ich nicht fest davon überzeugt war.

Das alles war vielleicht etwas primitiv, doch rechnete ich mit der krankhaften Einbildungskraft und dem abergläubischen Wahn Karapanas und seiner Anhänger.

„Das wirkt, das macht ihn zahm!” schrie Arasybo in einem plötzlichen Ausbruch haßerfüllter Begeisterung. „Der Schreck wird in ihn fahren. Das Auge des Jaguars wird ihn in seinen Zauberbann zwingen!”

Manauri warf ihm einen unfreundlichen Blick zu und fuhr ihn an: „Was schreist du so? Dummkopf!”

„Arasybo ist gar nicht so dumm”, nahm Arnak den Hinkenden in Schutz und fügte belustigt hinzu: „Er ist doch selbst ein halber Zauberer. Er kennt die Kniffe von dem dort!”

Der Häuptling zuckte die Achseln, Arasybo aber rief mit mächtiger Stimme: „Ich sage euch, Karapana bekommt einen gewaltigen Schreck! Er wird das Auge des Jaguars fürchten!”

Das Fell war bereits mit dem Absud einer giftigen Liane bearbeitet worden, um es vor der Zerstörung durch Parasiten zu schützen; und konnte daher gleich überbracht werden. Die Gesandten trafen Karapana in seiner Zeremonienhütte, die mehrere hundert Schritt von der eigentlichen Siedlung Konesos entfernt lag. Der Zauberer begrüßte Arnak mit einem spöttischen Kichern. Gelassen hörte er sich die Botschaft an, zeigte weder Verblüffung noch Schrecken, sondern gab lediglich seiner Freude darüber Ausdruck, daß er ein so schönes Fell besitzen dürfe.

„Das linke Auge ist verzaubert’, wiederholte Arnak noch ein-mal mit einem drohenden Unterton, als hätte Karapana seine Worte vorher nicht richtig vernommen. „Das Auge gehorcht dem Weißen Jaguar und unterrichtet ihn über alles.”

„Der Weiße Jaguar hat also das linke Auge herausgeschossen?” fragte der Zauberer.

„So ist es.”

„Und das rechte Auge hat er nicht verletzt?”

„Nein.”

„Er hat es nicht verletzt, sagst du?”

Karapana ließ ein unmenschliches Lachen hören. Es dröhnte wie grollendes Bellen, gleich darauf wie brüllendes Wiehern, daß Arnak und seinen beiden Gefährten vor Schreck das Herz im Leibe stockte.

„Er hat das rechte Auge nicht verletzt”, krächzte der Zauberer. „So gehorcht nur das linke Auge dem Weißen Jaguar! Und das rechte Auge? Gehorcht es ihm auch? Sprich!”

„Das weiß ich nicht’, stotterte der junge Indianer.

„Über das rechte Auge hat der Weiße Jaguar nichts gesagt?’ „Nein.”

„So, darüber hat er nichts gesagt?’ knurrte der Alte. „Dann werde ich es dir sagen! Weißt du, wem das rechte Auge des Tieres gehorsam sein wird?”

„So sage es!”

„Das linke Auge dient dem Weißen Jaguar, aber das rechte Auge wird mir gehorchen.”

Er wurde von einem unaufhörlichen häßlichen Lachen geschüttelt und stieß immer öfter schrille Schreie und fürchterliche Beschwörungen aus, die er wie Keulenschläge auf die Köpfe der drei herabsausen ließ. Dabei wiederholte er von Zeit zu Zeit: „Mir gehorcht es! Mir wird es dienen!”

Eine halbe Stunde später vernahmen wir in der Hütte den Bericht Arnaks und verharrten in düsterem Schweigen.

„Ich habe es gleich gesagt’, äußerte Manauri vorwurfsvoll. „Karapana ist ein großer Zauberer, er ist unüberwindlich. Er hat sich über dich lustig gemacht, Jan! Er hat deinem Zauber standgehalten! Ihm kann man so nicht beikommen. Es gibt nur ein Ding, mit dem an ihn unschädlich machen kann..

„Wir wissen, wir wissen es”, entgegnete ich ungeduldig. „Eine Kugel in den Schädel!”

„Sehr richtig: eine Bleikugel in seinen Schädel!”

„Nein”, widersetzte ich mich. „Daraus wird nichts!”

„Für deinen Zauber hatte er nur Spott”, bohrte der Häuptling hartnäckig und bissig weiter. „Das rechte Auge wird ihm gehorsam sein. Ausgerechnet ihm! Wir haben nicht daran gedacht, an dieses Auge..

Plötzlich trat Arasybo an mein Lager heran. Sein Gesicht mit den schielenden Augen war durch wütenden Jähzorn noch mehr entstellt.

„Das stimmt nicht’, krächzte der Hinkende. „Das rechte Auge des Jaguars wird ihm nicht gehorsam sein!”

„Pah!” schnaubte Manauri höhnisch. „Nein, es wird ihm nicht gehorchen! Du bist ja so mächtig, du bringst das bestimmt zuwege!”

„Ja, das werde ich!” Arasybos Worte klangen wie ein Schlag mit der Axt.

Alle Blicke wandten sich dem Krüppel zu, der äußerst erregt war. Seine Augen schossen flammende Blitze. Mit vor Aufregung gedämpfter Stimme setzte er uns sein Vorhaben auseinander: „Der Weiße Jaguar kann ruhig schlafen und seiner Genesung entgegengehen. Karapana wird ihm keinen Schaden zufügen. Er ist zwar ein großer Zauberer und ein böser Mensch, aber über das Auge des Tieres wird er keine Macht gewinnen. Wie der Weiße Jaguar erklärt hat, wirken die Augen des Jaguars nur über den Schädel. Ich werde die rechte Augenhöhle mit Lehm verschmieren, dann kann Karapana über dieses Auge nichts mehr wahrnehmen und niemandem Schaden zufügen. Den Schädel aber bringe ich vor der Hütte an, damit es alle sehen können, daß ein Auge mit einer Kruste überzogen, also machtlos ist.. .”

„Und wenn den Schädel jemand stiehlt?” Manauri verzog den Mund und schnaubte verächtlich.

„Das soll er versuchen!” In den schielenden Augen glimmte Haß auf. „Ich werde den Schädel Tag und Nacht bewachen. Wer versuchen sollte, ihn zu stehlen, der ist des Todes!”

Die Freunde versanken in Nachsinnen. Mir wurde plötzlich unwohl. Alles um mich herum begann sich zu drehen, die gequälten Sinne versagten den Dienst, und beklemmende Hitze erschwerte mir das Atmen. Vielleicht war es eine Folge des Schlangengiftes,

daß mich ein geradezu schmerzhaftes Gefühl der Verlassenheit überkam. Wer waren diese Menschen dort? Waren es wirklich Freunde? In dem Halbdunkel konnte ich ihre bronzefarbenen Gesichter nicht mehr unterscheiden, und auch das legte sich drückend auf mich wie eine Last. Gewaltige Angst vor der Fremdheit jener Menschen schnürte mir die Kehle zu, ich befürchtete, daß weder ich sie noch sie mich jemals wirklich verstehen würden.

Wie war das doch gewesen? Ich hatte den Streich mit dem Zauberkraft besitzenden Auge des Jaguars mehr in spielerischer Absicht ersonnen, um diesem Haßbesessenen einen Schreck einzujagen, um ihn in die Enge zu treiben und durch diese Posse zur Besinnung zu rufen. Ich konnte doch nur aus Scherz auf so eine Idee verfallen sein, ebenso meine Freunde, anders war es gar nicht möglich! Und nun war dieser spielerische Scherz wie ein Ball an der Hütte Karapanas abgeprallt und in veränderter Gestalt zu uns zurückgekehrt. Er hatte aufgehört, Scherz zu sein; Auge, Fell und Schädel des Jaguars waren tatsächlich zu Merkmalen magischer Kräfte geworden. Arasybo, dieser ehrliche, ergebene Bursche, sprach bereits begeistert und mit ungewöhnlichem Ernst von diesem Zauber, und auch die Freunde nahmen seine Worte ernst und hörten ihm nachdenklich zu!