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Arasybo befand sich in ausgezeichneter Laune.

„Worüber freust du dich so?” sprach ich ihn an.

„Ich habe Grund zur Freude”, antwortete er mit geheimnisvoller Miene und stolz erhobenem Haupt, gleichzeitig deutete er mit dem Daumen auf den Jaguarschädel. „Die Saat ist aufgegangen!” „Welche Saat?”

„Karapana ist rasend! Hörst du die Maraka?”

Einige Nachbarn traten aus ihren Hütten und kamen zu uns. Sie waren alle erregt und bestätigten, daß sich der Zauberer wie rasend gebärde. Als Arasybo gestern den Schädel aufgestellt hatte, wurde dies durch Späher Karapana hinterbracht, und dieser hatte sofort begonnen, aus allen Kräften dem Zauber entgegenzuwirken und das böse Auge unschädlich zu machen. Er verfiel in Raserei. Wie ein Verrückter umkreiste er tanzend seine Zeremonienhütte und tat es immer noch, ohne in der Nacht ein Auge geschlossen zu haben. Er stieß entsetzliche Verwünschungen aus, wurde von Zuckungen und Krämpfen befallen und hatte Schaum vor dem Mund.

Tatsächlich war im ganzen Ort ein ununterbrochenes Raunen und Rasseln zu vernehmen, begleitet vom Dröhnen der Trommel des Zauberers. Die Menschen in Serima befanden sich in großer Angst.

„Was ist das, die Maraka?”

„Sie ist das wichtigste Gerät des Zauberers.”

Wie ich erfuhr, war es eine hohle, harte Frucht, in der sich kleine Steinchen befanden, also eine simple Klapper, der aber eine große Zauberkraft innewohnen sollte.

„Es hilft ihm alles nichts.” Arasybo kicherte, und sein ganzes Gesicht strahlte Grausamkeit, Haß und eine an Wahnsinn grenzende Befriedigung aus. „Wir haben ihn, Weißer Jaguar, wir haben ihn! Und wir lassen ihn nicht mehr entkommen.”

„Ob das wirklich von uns abhängt?” äußerte ich zweifelnd.

„Das Auge des Jaguars verfolgt ihn!” schrie er triumphierend. „Er ist in der Gewalt des Auges!”

„Vielleicht kann er sich daraus frei machen?”

„Nein, das gelingt ihm nicht! Er wird tanzen, bis er die Besinnung verliert und umfällt wie ein krepierender Hund; dann wird er sich von neuem erheben, tanzen und wieder umfallen; so geht es weiter bis zum Ende. . .” „Wird er zugrunde gehen?”

„Er ist dem Tode verfallen. Er verliert den Verstand, das Herz wird ihm zerreißen, und er wird sterben. . .”

Arasybo schwelgte in einer geradezu lasterhaften Wollust, er fühlte sich als Rächer einstmals erlittenen Unrechts. Die übrigen Mitglieder unserer Sippe aber teilten seine Gefühle nicht. Ihnen war es schwer ums Herz, denn sie befürchteten, daß der schreckliche Zauberer, wenn er auch schließlich umkommen würde, in seiner Raserei entsetzlicher Verbrechen fähig sei. Wie allgemein bekannt, ist ein tollwütiger Hund äußerst gefährlich, um wieviel gefährlicher war erst ein rasender Zauberer! Sie hatten Angst, Arasybo aber triumphierte.

„Wir haben ihn!” Er knirschte mit den Zähnen. „Der Schädel bringt ihn um!”

Als mich Lasanas Mutter draußen auf dem Platz entdeckte, kam sie herbeigelaufen, schalt mich aus und jagte mich zurück auf mein Lager. Nachdem ich einige Stunden geruht hatte, hielt ich es nicht mehr aus und stand gegen Abend wiederum auf.

„Oh, du fühlst dich ja sehr stark”, hänselte mich Lasana, ihre Augen aber drückten Anerkennung aus. „Du bist ein richtiger Jaguar, du hast das Gift überwunden!”

„Das habe ich dir zu verdanken, Zauberpalme.”

„Du wirst zusehends kräftiger.” Sie maß mich von oben bis unten mit frohlockenden Augen, aus denen der Spott völlig verschwunden war.

Beide mußten wir lachen, es war ein glückliches Lachen. Ich fühlte, daß ich bald gesund sein würde.

Von weit her, aus der Richtung von Serima, ertönte ununterbrochen das dumpfe Dröhnen der Trommel. Arnak, Arasybo und ich unternahmen einen Erkundungsgang. Wir gingen gemächlichen Schrittes, damit es mir nicht schade. Ich hatte das Fernrohr mitgenommen, die beiden Gefährten waren mit Büchsen bewaffnet.

Wir durchquerten nun den schmalen Waldstreifen, der unsere Hütten von Serima trennte, und hielten uns am Dickichtrand, um von den Bewohnern der Siedlung nicht gesehen zu werden. Die Hütte Karapanas stand etwas abseits, fast am Rande des Urwalds. Wir waren ungefähr dreihundert Schritt von ihr entfernt und konnten sie gut beobachten, da sie von einem breiten Wiesenstreifen umgeben war.

Plötzlich entdeckten wir den Zauberer. Tanzend umkreiste er die Hütte, dabei vollführte er eigenartige Bewegungen, die denen eines Betrunkenen ähnelten. Er stieß wilde Beschwörungsformeln aus, rief Rachegeister an, schwenkte geistesabwesend die Arme und stampfte mit den Füßen. Seine beiden Hände schüttelten unablässig je eine Maraka, deren schnarrende Töne bis zum Fluß zu hören waren. Etwas seitlich saß Karapanas Lehrling auf der Erde und schlug auf der Trommel den Takt.

Es hatte ihn gewaltig gepackt! Länger als vierundzwanzig Stunden tobte er bereits ohne Unterbrechung, und doch konnten wir keine Anzeichen von Ermüdung an ihm bemerken. Sicher hatte er ein stark wirkendes Kräftigungsmittel eingenommen. Zwar schleuderte er abscheuliche Verwünschungen nach allen Seiten, doch sah man ihm an, daß ein mächtiger Fluch, der ihn wie ein unsichtbares Netz umspannte, seine Bewegungen beeinflußte und ihn zwang, Sprünge und Drehungen zu vollführen wie ein Raubtier an der Kette. Ob es ihm gelang, sich frei zu machen?

„Er ist verloren”, rief Arasybo mit sonderbar gurgelnder Stimme. „Sein Verstand verwirrt sich!”

Dieser erschütternde Anblick erweckte Widerwillen und zugleich eine gewisse Befriedigung. Hier hatte das Schicksal in grausamer Weise Gerechtigkeit walten lassen. Dort drüben geschahen geheimnisvolle, abstoßende Dinge; doch was ich auch immer von ihnen halten mochte, eines war sicher: Karapana war in eine Schlinge geraten, der er wohl kaum noch entrinnen konnte.

„Die Leute sagen, er wäre fähig, in seiner Raserei Schaden anzurichten”, warf ich ein.

„Das kann eintreten”, bestätigte Arnak.

„Dazu kommt er nicht, er stirbt bald!” brauste Arasybo auf.

Das aufgeregte Wesen des Hinkenden tat seiner Wachsamkeit keinen Abbruch, argwöhnisch hielt er die Augen stets offen. Da er wußte, welchen verderblichen Einfluß der Schädel des Jaguars auf den Zauberer ausgeübt hatte, hütete er ihn wie seinen Augapfel. In der Nacht verbarg er ihn in einem Versteck, das nur ihm bekannt war.

Indessen ging Karapana doch nicht den Weg seines unausbleiblichen Verderbens, wie Arasybo es sich vorgestellt und wir es ihm geglaubt hatten. Vielleicht war er seines Wahnsinns Herr geworden. Er tanzte nicht mehr um die Hütte, kurz darauf verstummte auch das Schnarren der Marakas, nur die dumpfen Trommelschläge hallten noch herüber. Die Trommel aber bediente nicht der Zauberer, sondern der junge Lehrling.

„Er selbst liegt in der Hütte, es geht zu Ende mit ihm”, frohlockte Arasybo.

Die Krankheit des Kindes

Aber mit Karapana war es nicht zu Ende gegangen. Man sah ihn wieder in Serima mit den Leuten Gespräche führen. Angeblich lag in seinen Augen Funkeln wie bei einer rasenden Bestie; doch die Furcht und die Achtung vor ihm waren noch größer als zuvor. Sichtlich war er weder gewillt, den Kampf aufzugeben, noch zurückzuweichen. Im Gegenteil, in diesen Tagen entstand in seinem schlauen Kopf ein satanischer Plan. Von Serima her war eine neue große Gefahr für mich im Anzug.

Das fast einundeinhalb Jahre alte Kind Lasanas — ein Sohn des auf der Insel der Verwegenen ums Leben gekommenen Negers Mateo — wurde von einer rätselhaften Krankheit befallen. Der Knabe begann zu fiebern, an seinem Körper bildeten sich Geschwüre, er schrie vor Schmerzen und nahm zusehends ab. Lasanas Mutter, deren heilkräftige Mittel mir so schnell die Gesundheit zurückgegeben hatten, ließ nichts unversucht, um den Enkel gesunden zu lassen. Doch war alles vergebens. Weder Kräuter noch andere Maßnahmen zeigten eine Wirkung, das Kind wurde von Tag zu Tag schwächer.