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Diese Töne, die wie unheilvolles Raunen von Dämonen die Luft durchdrangen, waren eindeutig. Mit unerbittlicher Beredsamkeit verkündeten sie den Tod.

Wir beide lauschten, und unsere Gedanken bewegten sich in der gleichen Richtung. Nach einiger Zeit stieß mich Arasybo an, hob langsam den Arm, deutete in die Richtung von Serima und murmelte spöttisch: „Dieser dumme Kanaholo!” „Welcher Kanaholo?”

„Ach!” Der Hinkende gähnte gelangweilt. „Der Lehrling des Zauberers. Er ist dumm.”

„Dumm ist er?”

„Ja, er ist dumm.”

Nach einer Weile begann er von neuem halblaut vor sich hin zu sprechen, seine Stimme klang verschlafen: „Der dumme Kanaholo glaubt, er schlage die Trommel zu deinem Verderben... Dabei trommelt er für einen anderen.”

„Wahrscheinlich gilt es dem Kind Lasanas.

Neben mir gluckerte es wie verhaltenes Kichern, dann vernahm ich die Worte Arasybos: „Nein, dem Kind Lasanas schadet es nichts. Kanaholos Trommelschläge bedeuten den Untergang Ka-rapanas, doch das weiß er nicht, der Trottel.”

„Du faselst, Arasybo.” Ich lächelte müde.

„Karapana wird heute sterben.., oder morgen . . .”

Er sprach dies so nachlässig aus, als sei er zu unpassenden Scherzen aufgelegt. Vielleicht hatte ich ihn auch schlecht verstanden.

„Was soll das, Arasybo?”

„Heute nacht... vielleicht auch morgen nacht... wird Karapana sterben.”

In seiner scheinbar nachlässigen Stimme schwang ein verborgener harter Unterton, der meine Aufmerksamkeit erregte. Erst jetzt betrachtete ich seinen Gesichtsausdruck. Die düstere Starrheit, die ihn die letzten Tage umfangen hatte, war völlig verschwunden. Der alte Haß züngelte wieder aus seinen Augen, doch unter dem Haß brach sich teuflische Freude Bahn.

„Was ist mit dir?” fragte ich verwundert.

Er weidete sich an meiner Verblüffung. Lachen verzerrte seine Züge. Offensichtlich hatte er etwas erfahren, doch er spreizte sich und hielt damit zurück.

„Sprich offen, Arasybo!”

„Wenn ein Jäger von uns auf Jagd geht, so sind seine Pfeile nicht

immer mit Kurare vergiftet, denn dieses ist in unserem Wald nicht zu finden. Man muß es bei den weit von hier lebenden Ma-kussis kaufen und diesen Lumpen viel dafür bezahlen. Doch wächst auch bei uns ein Gift, es heißt Kumarawa. Zwar ist es nicht so stark wie das Kurare, doch verwenden wir es für die Jagd, da es auch den Tod herbeiführt."

„Komm endlich zur Sache!”

„Spreche ich vielleicht nicht zur Sache? Ich habe eben gesagt, daß auch das Kumarawa den Tod herbeiführt, und zwar dessen Blätter. Wenn man sie unversehens mit der Hand berührt, bilden sich Geschwüre, und man fühlt sich wie betrunken. Kommt man öfter mit ihnen in Berührung, so stirbt man. Es sind hinterhältige Blätter... ”

„Zur Sache, Arasybo, zur Sache! Quäle mich nicht!”

Er betrachtete mich mit einem langen, anzüglichen Blick und konnte seine Freude über meine Ungeduld nicht verbergen. „Warum bist du so hitzig, Weißer Jaguar?” schnatterte er belustigt und rollte die schielenden Augen. „Ich weiß nicht, wie du dich fühlen würdest, Jaguar, wenn man dir Nacht für Nacht ein Kumarawablatt in dein Lager legen würde und du keine Ahnung davon hättest. Du würdest dich winden und wimmern vor Schmerzen, Geschwüre würden dich peinigen, dein Körper würde immer magerer, und schließlich würdest du sterben. Und alles wegen eines so kleinen Blättchens. Sieh dir es an.”

Er faltete einen alten Fetzen, den er bisher in der Hand gehalten hatte, auseinander und deutete auf das, was zum Vorschein kam. Es war ein kleines, halbvertrocknetes Blättchen von graugrüner Farbe.

„Rühr es nicht an.” Er spitzte die Lippen. „Kumarawa ist bösartiger als jeder Skorpion.”

Als sei er lange genug ausgelassen gewesen, wurde er plötzlich ernst und stieß in scharfem Ton hervor: „Ich habe es in der Matte von Lasanas Kind gefunden.” Arasybo fügte noch hinzu: „Jede Nacht wurde es ihm untergeschoben, es mußte krank werden.”

„Wer hat es dem Kind untergeschoben?” Diese Frage war sinnlos, denn ich hatte bereits alles begriffen.

„Er war es, Karapana.”

Mir wurde fast schwindlig. Das war eine Entdeckung! Ich hatte ihre Reichweite sofort erfaßt. Welch ein Triumph, wenn es gelingen sollte, den Zauberer auf frischer Tat zu ertappen! Ich wäre befreit von diesem schrecklichen Verdacht, und er wäre entlarvt als heimtückischer Verbrecher. In wahnsinniger Freude faßte ich Arasybo an den Schultern und schüttelte ihm fast die Seele aus dem Leibe.

Völlig außer Atem drang ich in ihn: „Arasybo, sage mir, wie hast du das entdeckt?”

„Ja. . . ich habe es gefunden. . . Ich habe nachgedacht, gesucht.” „Und das Kind? Ist es zu retten?”

„Das Kind ist zu retten.”

Fast hätte ich den lieben, häßlichen Freund zerdrückt. Immer wieder rief ich aus: „Du Zauberer! Du Schlaukopf! Du Wundertäter!

Als wir uns etwas beruhigt hatten und in die Wirklichkeit zurückgekehrt waren, fragten wir uns, was nun geschehen solle. Wir mußten sofort eine geheime Beratung der Freunde einberufen. Wer sollte daran teilnehmen? Manauri, Arnak und Wagura, sonst niemand. Der Neger Miguel? Nein, nur Indianer. Es ging um eine Angelegenheit des Stammes. Und Lasana? Natürlich, Lasana sollte auch dabeisein.

Die Freunde weilten am Fluß. Sie bereiteten den Schoner vor, um im Fall eines plötzlichen Angriffs von Serima her sofort abfahren zu können. Natürlich unterbrachen sie die Arbeit und eilten herbei. Als Lasana geholt worden war, versicherten wir uns, daß wir allein in der Hütte waren, dann berichtete Arasybo noch einmal von seiner Entdeckung. Den Gefährten erging es genau wie mir. Zunächst waren sie wie betäubt, dann aber erfaßte sie ein wilder Freudentaumel. Uns allen fiel ein schwerer Stein vom Herzen, gleichzeitig aber wurde uns bewußt, daß uns die schwerste Aufgabe noch bevorstand: die Auseinandersetzung mit dem Zauberer. Ein Kampf auf Leben und Tod.

„Auf den Tod! Auf seinen Tod!” wiederholte Manauri mit zusammengebissenen Zähnen.

Wir kamen zu dem Schluß, daß Karapana dem Kind jede zweite oder dritte Nacht ein frisches Kumarawablatt untergeschoben habe, und da das gefundene Blättchen schon vertrocknet war, erwarteten wir ihn in dieser Nacht. Daher beschlossen wir, zu zweit zu wachen und uns um Mitternacht abzulösen.

„Du bist davon ausgeschlossen, Jan”, ordnete Manauri an. „Deine Wunde ist noch nicht verheilt.”

Tatsächlich war ich noch nicht im vollen Besitz meiner Kräfte, doch konnte ich in diesem entscheidenden Augenblick nicht abseits stehen und wurde deshalb als dritter der ersten Wache zugeteilt, die Arnak und Arasybo übernommen hatten.

„Noch eines gilt es zu beschließen”, sagte der Häuptling nach längerem Überlegen. „Es ist eine einzigartige Gelegenheit, ihn umzubringen. Wir müssen ihn töten!”

„Wir müssen es”, zischte Arasybo.

„Ist jemand dagegen?” fragte Manauri und sandte einen unruhigen Blick zu mir herüber.

Arnak und Wagura schüttelten zum Zeichen ihres Einverständnisses schweigend den Kopf, ich tat das gleiche. Es blieb keine andere Wahl mehr als sein Tod.

„Erlaubt mir, daß auch ich mich an der Wache beteilige”, bat Lasana.

„Ja, auch du sollst wachen”, antwortete Manauri. „Aber nicht mit uns auf dem Hof, sondern in eurer Hütte, bei deinem Kinde.”

Niemand, auch nicht die nächsten Angehörigen, durfte von unserem Vorhaben erfahren. Lasana erhielt den Auftrag, die Matte des Kindes zu verbrennen und ihm an einer anderen Stelle der Hütte ein neues Lager zu bereiten, aber so, daß ihre Mutter nichts Absonderliches daran finde.

Gegen Abend ging ein kurzer, aber starker Regenguß nieder.

Als der Regen aufhörte, war der Himmel immer noch mit Wolken überzogen. Wir befürchteten, daß es in der Nacht sehr dunkel sein werde, als aber der Mond über den Wolken aufging, hellte sich das Dunkel etwas auf.