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„Erzähl dem Jaguar, was sie damals gemacht haben”, forderte ein anderer Indianer den Sprecher auf.

„Was sie gemacht haben?” Der Indianer lachte. „Sie haben Ko-neso eine ganze Menge verschiedener Sachen übergeben. Nicht als Geschenke, o nein! Sie erklärten, daß sie wiederkämen und daß wir ihnen dann die Sachen bezahlen müßten. Vielleicht ist das der Grund, warum sie heute wieder aufgetaucht sind?”

„Was waren es denn für Sachen?”

„Ganz verschiedene! Hemden und Hosen, wie sie die Spanier tragen, aber schon sehr alte und zerrissene. Auch Schuhe ließen sie uns hier, die hatten aber Löcher, und getrocknetes Fleisch von ihren Kühen. Das Fleisch stank fürchterlich und wimmelte von Würmern, unsere Hunde sind dick und fett geworden davon. Außerdem gaben sie uns einige ganz komische Messer. Auch du besitzt so ein Messer, Weißer Jaguar! Am Morgen kratzt du dir damit vor der Hütte das Kinn.”

„Das ist ein Rasiermesser. Rasiermesser haben sie euch gegeben? Euch wächst doch gar kein Bart!”

Der Indianer blickte mich verwundert an, als ob ich eine ganz außergewöhnliche Entdeckung gemacht hätte, und brach dann in kindliche Fröhlichkeit aus.

„Wer sagt denn”, seine Mundwinkel zuckten spöttisch, „wer sagt denn, daß uns die Messer die Haare vom Gesicht nehmen sollten?” „Wozu hätten sie sonst dienen sollen?”

„Wir konnten sie zu nichts gebrauchen. Sie waren abgenutzt, schartig und verrostet, nicht einmal weiches Holz schnitten sie. Sie zerbrachen schon, wenn man sie in die Finger nahm.” „Warum habt ihr sie dann angenommen?”

„Wir mußten sie nehmen. Die Spanier zwangen uns dazu und drohten, daß sie uns sonst in die Sklaverei mitnehmen würden.” „In die Sklaverei wollten sie euch verschleppen?”

„Ja. Es waren keine Händler. Der Corregidor, der spanische Kommandant in Angostura, hatte sie geschickt und ihnen Söldner mit vielen Schußwaffen mitgegeben.”

Die Auskunft des Indianers erschien mir unglaubwürdig und phantastisch; doch Pedro, der bereits etwas Arawakisch verstand, erklärte mir, daß alles durchaus so gewesen sein konnte, wie der Indianer es eben erzählt hatte.

Eine der Methoden, mit denen die Spanier die Indianer in Schach hielten, waren die sogenannten Repartimientos. Sie beruhten darauf, daß die Corregidoren oder Bezirkspräfekten die Stämme nötigten, von ihnen zu übertrieben hohen Preisen verschiedene Waren zu kaufen, für die diese kaum Verwendung hatten oder die bereits völlig unbrauchbar waren. Die Indianer

brauchten diese Waren nicht gleich zu bezahlen, sondern erst nach ein oder zwei Jahren, und zwar forderten die Spanier Naturalien dafür, Waldfrüchte, Produkte des Ackerbaus oder auch Erzeugnisse des Handwerks. Konnten die Indianer die Schuld nicht bezahlen oder erregten sie auf andere Weise den Unwillen der Ab-gesandten des Corregidors, so wurde zur Strafe eine bestimmte Anzahl junger Männer mitgenommen, die auf den Haziendas oder in den Bergwerken arbeiten mußten.

„In der Regel sind sie verpflichtet, diese Arbeit eine bestimmte Zeit zu leisten, zwei, drei oder fünf Jahre”, fügte Pedro noch hinzu; „doch kehrt in Wirklichkeit keiner von ihnen jemals in sein Heimatdorf zurück. Die meisten sterben in der Fremde vor Entkräftung und Heimweh, da sie ihr Herr bis zum Ende ihres Lebens nicht freigibt. Ich habe es öfter gesehen. Es sind unglückliche arme Teufel.”

„Du meinst also, es könnten Abgesandte des Corregidors sein, die die Schuld eintreiben wollen?”

„Das ist möglich.”

Manauri hatte sofort zwei Späher an den Rand des Urwaldes entsandt, die die Bewegungen der Spanier verfolgen und uns ein Zeichen geben sollten, falls diese sich uns nähern würden. Am Ufer lag unser Schoner, eine willkommene Beute für die habgierigen Spanier. Von Serima aus konnte er nicht gesehen werden. Die Ankömmlinge sollten weder unseren Segler noch unsere Freunde, die Neger, entdecken.

Ich bedeutete Manauri, Arnak und dem Neger Miguel unauffällig, mir in die Hütte zu folgen. Als wir allein waren, setzte ich ihnen meinen Plan auseinander. Miguel und seine vier Gefährten sollten sofort den Schoner flußaufwärts schleppen. Das war nicht allzuschwer, weil die Flut das Wasser vom Orinoko in den Itamaka drückte. Etwa eine Meile oberhalb unserer Siedlung bildete das alte Flußbett im Urwald eine schmale, langgezogene Bucht, dort würde das Schiff vor den Augen jedes Spähers sicher sein. „Alle Neger bewaffnen sich mit Büchsen, Pistolen und Keulen, ver-

bleiben mit der Negerin Dolores auf dem Schoner und werden abwechselnd Wache halten.”

Die Freunde waren mit diesem Vorschlag einverstanden, nur Manauri äußerte den Wunsch, die Neger mögen den Segler weiter flußaufwärts bringen. Drei Meilen von hier befinde sich eine zweite Bucht, die Potaro genannt werde, dort könne das Schiff noch besser verborgen werden.

„Gut so”, entgegnete ich und wandte mich an Migueclass="underline" „Die Hauptsache ist, daß niemand eure Abfahrt bemerkt, verstehst du? Das ist durchaus möglich, weil die Aufmerksamkeit aller auf Serima gerichtet ist und der Fluß in der Niederung hinter dem Hügel dahinfließt.”

Die verbleibenden Krieger unserer Sippe teilte ich in zwei Gruppen, die unter dem Kommando Arnaks und Waguras stehen sollten. Ich wollte gerade mit Manauri und Pedro auf Erkundung gehen, als einer unserer Späher im Laufschritt zurückkehrte und berichtete, daß Koneso zu uns gelaufen komme.

„Er läuft?” fragte ich verwundert. „Der Oberhäuptling läuft?” „Und wie!”

Koneso lief tatsächlich. Zwar rannte er nicht so schnell wie die beiden Indianer, die uns das Eintreffen der Spanier in Serima gemeldet hatten, schließlich war er ja viel dicker und auch älter als sie, aber er lief, er hatte es sehr eilig, mit uns zu sprechen. Er eilte geradewegs auf Manauri zu. Im Gesicht des Oberhäuptlings war keine Spur mehr von Hochmut, seine Aufgeblasenheit war völlig verschwunden. Das hier war nur noch ein schnaufender Dicker in großer Verlegenheit.

„Manauri”, keuchte er. „Ich brauche dich! Schnell, schnell! Du mußt mir helfen!”

„Gut, aber wie soll ich dir helfen?” Manauri tat überrascht.

„Ich kann mich nicht mit ihnen verständigen. Du sprichst doch Spanisch.”

„Allerdings.”

„Du mußt ihnen sagen, daß ich keine Reichtümer besitze. Sie verlangen so viel, als hätten sie den Verstand verloren. Das ist ausgeschlossen. Wir sind arm, das können wir unmöglich. Das muß man ihnen sagen.”

„Was fordern sie denn eigentlich?”

„Alles, alles! Frage lieber, was sie nicht verlangen! Wenn wir ihre Gier befriedigen wollten, so müßte der ganze Stamm mindestens ein Jahr lang auf dem Feld, im Wald und auf dem Fluß schuften. Und dann wäre es noch zuwenig. Ersticken sollen sie! Ich weiß nicht, womit ich zahlen soll, und sie fordern und fordern.”

Ich mischte mich in das Gespräch: „Wieviel sind es denn?” Koneso verstummte, um sich zu sammeln.

„Zehn oder zwölf Spanier sind es. An ihrer Spitze steht Don Esteban, der Abgesandte des Corregidors in Angostura. Alle sind schwer bewaffnet.”

„Und wieviel Indianer?”

„Bestimmt fünf mal zehn. Es sind die Ruderer, tragen aber alle indianische Waffen bei sich. Sie sind vom Stamm der Tschaimas.” „Was sind das für Indianer? Wo leben sie?”

„In der Nähe von Angostura. Sie sind aus der Dominikanermission.”

„Sind es die gleichen Spanier, die vor zwei Trockenzeiten hier waren und die euch damals die verdorbenen Sachen aufgenötigt haben?”