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„Wie viele haben in ihnen Platz?”

„Sechs, vielleicht sieben.”

„Ausgezeichnet! Wir werden sechs Mann sein und du, als unser Fährmann, der siebente. Sobald die Nacht hereinbricht, fahren wir los.

Katawi war ein zu wichtiges Glied bei unserem Vorhaben, als daß wir ihn auch nur einen Augenblick aus den Augen lassen konnten. Außerdem sollte er uns noch den Landeplatz genau beschreiben, da wir die uns unbekannte Insel im Dunkel der Nacht betreten wollten. Wir fragten daher nicht lange und nahmen ihn mit, wobei wir die fremden Hütten in weitem Bogen umgingen. Auf Umwegen, geschützt durch das Ufergebüsch, langten wir wohlbehalten in unserer Hütte an. Hier wiesen wir ihm einen Platz in der dunkelsten Ecke zu, und einer unserer Krieger leistete ihm Gesellschaft.

Es war sehr wichtig, daß sich jemand an dem Unternehmen

beteiligte, der die Sprache der Warraulen gut beherrschte. Wiederum war es Katawi, der uns hierbei einen guten Rat gab. Er nannte uns Aripaj, den Vater des unglücklichen Kanaholo. Dessen Frau war eine Warraulin, und er hatte von ihr diese Sprache er-lernt. Da uns Aripaj freundlich gesinnt war, schickte ich sofort einen Boten zu ihm, der ihn holen und gleichzeitig Manauri über die Lage in Kenntnis setzen sollte. Der Häuptling erhielt den Auf-trag, die Spanier, falls sie Serima verlassen wollten, mit allen Mitteln von dieser Absicht abzubringen.

Nach etwa zwei Stunden kamen Aripaj und der Bote zurück und überbrachten die Kunde, daß die Spanier nicht die Absicht hätten, heute von Serima abzufahren. Aripaj wurde in unseren Plan eingeweiht und erklärte sich sofort bereit, an dem nächtlichen Abenteuer teilzunehmen.

Als nach den fieberhaften Vorbereitungen etwas Ruhe und Entspannung eintrat, drängten sich mir eigenartige Gedanken auf. In den letzten Stunden jagte ein Ereignis das andere, Unruhe und Unsicherheit griffen immer weiter um sich. Der Stamm der Arawaken war in zwei Lager gespalten, und niemand wußte, mit welchen Niederträchtigkeiten die Gegner uns noch überraschen würden. In Serima saßen die Spanier; man mußte jederzeit damit rechnen, daß sie, einer Laune nachgebend, uns plötzlich ihre ganze Grausamkeit fühlen ließen. Der Zauberer Karapana brütete womöglich schon wieder einen neuen Anschlag auf mein Leben aus, und der wankelmütige, bestürzte Koneso faßte vielleicht gerade den Entschluß, uns an die Spanier zu verkaufen. War unser Schoner gut versteckt, und würde ihn Miguel gegen einen Angriff verteidigen können? Hinzu kam die neue Sorge mit den gefangenen Warraulen und dem nächtlichen Befreiungsversuch, der uns verteufelte Ungelegenheiten bringen mußte, wenn er nicht gelang.

Alle diese verworrenen Fäden liefen in meinen Händen zusammen, drehten und verhaspelten sich, und es blieb nur abzuwarten, welcher Faden als erster zerriß und das Unglück auf uns

niederstürzen ließ. Wie leicht konnte man straucheln und zu Boden stürzen! Mir drehte sich von all dem der Kopf, und die Sinne verloren den Halt, als aber mein Blick auf den Platz vor der Hütte fiel, faßte ich von neuem Zuversicht und Mut. Dort standen zehn Krieger unserer Sippe in vollem Waffenschmuck. In ihren versteinerten Gesichtern lag verbissene Bereitschaft, sie erwarteten den Befehl, und in ihrer Mitte erkannte ich die unerschütterlichen Freunde Arnak und Wagura. Wer würde den Sieg davontragen, die Spanier oder wir?

Die Ruhe währte nicht lange, den Gedanken war keine Erholung vergönnt. Einer der Späher aus dem Wäldchen stürmte herbei wie von Geistern gehetzt.

„Sieben Spanier sind im Anmarsch!” sprudelte er hervor. „Alle schwer bewaffnet!”

„Ob sie wirklich zu uns kommen?”

„Ja, gleich werden sie am Rande des Wäldchens erscheinen.”

Die Krieger nahmen die Nachricht mit bewundernswerter Ruhe auf. Ich befahl Arnak und Wagura, mit ihren Gruppen in der Nähe meiner Hütte bereitzustehen, aber in einem gewissen Abstand voneinander, und genau auf meine Zeichen zu achten.

„Und ich?” stellte mich Arasybo zur Rede. „Was soll ich tun?” „Geh in meine Hütte und bewache die Waffen, die wir dort gelagert haben. Und vergiß nicht, auf Katawi zu achten!”

Tatsächlich traten gleich darauf die Spanier aus dein Wäldchen ' heraus. Festen, gemessenen Schrittes kamen sie genau auf meine Hütte zu, die ihnen sichtlich beschrieben worden war. Die Musketen lagen auf ihren Schultern, wie Söldner sie auf dem Marsch zu tragen pflegen. Als sie bis auf zehn Schritt herangekommen waren, blieben sie stehen, stellten die Büchsen auf den Boden, der älteste von ihnen trat etwas vor und sprach erhaben und mit übertriebenem Ernst: „Senor capitano! Don Esteban, unser Oberst, hat befohlen, seinen aufrichtigen Dank für den Brief zu übermitteln. Er entbietet seinen herzlichen Gruß und bittet den Herrn Kapitän höflichst, als Gast bei ihm zu erscheinen.”

Der Abend war nicht mehr fern, in einer Stunde würde die Sonne untergehen. Sobald es Nacht geworden war, wollte ich aufbrechen. Es blieb also heute keine Zeit mehr für einen Besuch, der mich wer weiß wie lange in Serima aufhalten konnte.

„Ich danke Don Esteban für die Einladung. Sage ihm, daß es mir eine Ehre sein wird, ihn morgen vormittag zu besuchen.” „Er bittet, daß der Besuch noch heute stattfindet!”

„Und ich bitte, er möge sich bis morgen gedulden!”

Ein unmutiges Zucken huschte über das Gesicht des Spaniers, dessen Hand ungeduldig den Gürtel zurechtrückte.

„Ich habe den Befehl erhalten”, erwiderte er dann mit etwas härterer Stimme als bisher, „dem Herrn Kapitän alle gebührende Achtung zu erweisen und ihn noch heute in unser Lager zu begleiten.”

„Ihr sollt also mein Ehrengeleit sein?” fragte ich in lebhafterem Ton.

„So ist es, wir sind das Geleit.”

Zu seiner Verwunderung brach ich in Fröhlichkeit aus.

„Ich brauche aber euer Geleit nicht. Ich habe meine eigene Begleitung. Blickt hierhin und nun nach der anderen Seite!”

Ich deutete zunächst nach rechts und dann nach links auf die Gruppen von Arnak und Wagura. Die Krieger standen ungezwungen, hielten aber ihre Büchsen in der Hand und sahen ernst zu uns herüber.

Der Spanier verstand und lächelte mit saurer Miene.

„Es ist nicht meine Schuld”, sagte er dann, und seine Stimme klang wieder freundlicher, „daß ich meinen Befehl nicht ganz ausführen kann.”

„Nein, es ist nicht eure Schuld”, bestätigte ich ihm bereitwillig. Er salutierte und wollte sich entfernen, doch ich hielt ihn noch zurück.

„Ich möchte euch noch sagen, daß nach Sonnenuntergang kein Fremder diese Lichtung betreten darf. Die Wachen haben strengen Befehl, auf jeden zu schießen. Die Indianer in Serima wissen es, und nun habe ich auch euch, den Gästen, diese Anordnung zur Kenntnis gebracht.”

„Jawohl, Herr Kapitän!”

Sie zogen ab, wandten sich aber nicht gegen Serima, sondern nahmen Richtung auf den Fluß, und zwar genau auf jene Stelle des Flusses, an der bis vor kurzem unser Schoner gelegen hatte. Koneso mußte ihnen also doch verraten haben, daß wir ein Schiff besaßen! Nach kurzer Zeit kehrten die Spanier vom Fluß zurück. Sie gingen viel schneller und waren sichtlich erregt. Ich gab Arnak und Wagura ein Zeichen, worauf sie mit ihren Gruppen zu mir herankamen.

„Senor, dort hat ein spanisches Schiff gelegen!” rief der Anführer der Gruppe. „Wo ist es?”

„Es ist nicht da”, antwortete ich trocken.

„Wieso ist es nicht da?”

„Habt ihr nicht gesehen, daß es nicht da ist? Wieso kommt ihr übrigens auf den Gedanken, daß es ein spanisches Schiff wäre? Es gehört mir.”

„Vorher aber hat es Spaniern gehört.”

„Weder früher noch jetzt!”

„Senor!” Der Spanier fühlte sich beleidigt. „Wir sind nicht hergekommen, damit andere sich über uns lustig machen!” „Inwiefern?” fragte ich mit unschuldiger Miene und zog die Augenbrauen hoch.

„Wegen des Schiffes. Der Kommandant hat uns befohlen, es zu besetzen.”