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Nachdem der Rest der Warraulen aufgebrochen war, machten auch wir uns auf den Rückweg. Einer unserer Krieger blieb bei dem jungen Fischer zurück, um das Boot mit den Vorräten zu bewachen.

Das Gelingen der nächtlichen Expedition, besonders aber die Tatsache, daß die Gegner nicht wußten, wer sie überwältigt hatte, versetzten uns in fröhliche Stimmung, und als wir um Mitternacht bei unseren Hütten anlangten,    strahlen    unsere

Gesichter. Arnak erwartete uns vor den Hütten.

„Wir bringen Verbündete mit.” Wagura warf sich in die Brust. „Elf Warraulen, die kämpfen wollen!”

„Wirklich?” fragte Arnak und blickte mich an.

„Es stimmt’, gab ich zur Antwort. „Sie warten    am    Waldrand.

Kümmere dich um sie. Sie sollen in einer abgelegenen Hütte über-nachten. Morgen früh händigst du ihnen Waffen aus, Bogen, Keulen, Speere und einige Messer. Im übrigen sollen sie warten, bis sie weitere Befehle erhalten.”

Als Wagura Arnak den Verlauf unseres Abenteuers erzählt hatte, wurde dieser nachdenklich und fragte schließlich besorgt: „Ihr habt die vier Gefesselten im Gebüsch liegenlassen? Sollen sie dort zugrunde gehen?”

„Sei unbesorgt”, erwiderte ich. „Wenn die Spanier aus Serima zurückkehren, werden sie die vier bestimmt finden.”

Noch jemand hatte unsere Rückkehr abgewartet — Lasana. Sie brachte uns aus ihrer Hütte warmes Essen, aus Früchten der Buritipalme zubereitet, und forderte uns auf, den Hunger zu stillen. Ich drückte das liebe Wesen herzlich an meine Brust.

Vier Schüsse auf dem Dorfplatz

Den Rest der Nacht verbrachte ich in festem, kräftigen-dem Schlaf. Sobald aber die Sonne aufging, begannen mich Alpträume zu quälen. Sie legten sich immer drückender auf meine Sinne, als wolle die vorausschauende Natur mir nicht gestatten, mich dem trügerischen Gefühl der Sicherheit hinzugeben, und rufe mir eine Warnung zu. Ein Tag schwerer Entscheidungen brach an, die Auseinandersetzung mit dem Gegner stand bevor, mit einem sehr ernst zu nehmenden Gegner, wie die Ereignisse der letzten Nacht gezeigt hatten. Wer könnte an einem solchen Tag ruhig schlafen?

Das, was mich schließlich erwachen ließ, war kein Traumbild, sondern eine schreckerfüllte, eindringliche, bekannte Stimme. „Weißer Jaguar! Weißer Jaguar!”

Als ich die Augen öffnete, stand Aripaj vor mir. Der Ausdruck seines Gesichts ließ mich sofort ganz munter werden.

„Aripaj, du bist es? Was ist geschehen?”

„Es steht schlecht, Herr!”

Es mußte wirklich schlecht stehen, denn gestern war ich für ihn noch kein Herr gewesen.

„Was ist denn geschehen, Freund? Sprich schon, zum Donnerwetter!”

„Verrat, Herr! Verrat liegt in der Luft! Ich bin aus Serima geflohen.”

„Was?” Ich sprang auf die Beine. „Haben sie herausbekommen, daß du gestern nacht. . .?” „Nein, das nicht. Koneso plant einen großen Verrat.”

„Koneso? Der Schlag soll ihn treffen! Was hat er getan?”

„Noch nichts, er will es erst tun. Er hat vor, uns an die Spanier auszuliefern.”

„Euch? Wen meinst du damit?”

„Alle, die mit eurer Sippe Serima verlassen möchten. Du weißt doch, nach dem Tode Kanaholos...”

„Ah, dann hat sicher auch der Zauberer seine Hand im Spiel?” „Ich weiß nicht, Herr. Das weiß ich nicht. Schütze uns, Herr. Wir fürchten die spanische Sklaverei.”

„Gut, Aripaj, bleibe hier! Ist dir bekannt, wieviel Arawaken Koneso den Spaniern ausliefern will?”

„Sehr viele, Weißer Jaguar. Alle, die ihm nicht ergeben sind. Ich habe gehört, daß es fünf mal zehn sein sollen, vielleicht auch mehr.”

„Ganze Familien?”

„Nein, nur Männer, die Spanier wollen keine Frauen haben.” „Wurden sie schon festgenommen?”

„Noch nicht. Viele haben sich mit ihren Angehörigen rechtzeitig in den Urwald gerettet. Einige Familien sind hierhergekommen, zu dir. Meine Frau und die Kinder sind auch dabei. Doch konnten nicht alle fliehen. Für die Zurückgebliebenen gibt es keine Rettung mehr. Die Spanier und die Tschaimas haben sie umstellt, auch viele Anhänger des Häuptlings passen auf sie auf. Obgleich sich Koneso bisher noch nicht öffentlich geäußert hat, wissen wir genau, was er im Schilde führt.”

„Wissen die Umzingelten, was sie bei den Spaniern erwartet?” „Natürlich wissen sie es.”

„Und sie wehren sich nicht?’

Aripaj zögerte mit der Antwort, sein Gesicht wurde noch fn-sterer.

„Die Übermacht ist zu groß”, antwortete er schließlich unsicher. „Stell dir vor, Herr: Die Spanier sind zwölf und besitzen sämtlich Feuerwaffen. Die Tschaimas, die Ruderer, stehen ihnen zur Seite

und dann noch die Leute Konesos. .. Wie sollen die Unseren sich da wehren?”

„Sind denn alle Leute Konesos Verräter, die die eigenen Brüder der spanischen Sklaverei überliefern wollen?”

„Ob alle so sind, das weiß ich nicht, Herr, doch wenn es um die eigene Freiheit geht, ist sich jeder selbst der nächste.”

Es waren traurige Worte, die er aussprach, Schmach und Verzagtheit klangen aus ihnen. Ein schrecklicher Abgrund öffnete sich vor mir. Die Arawaken waren sonst weder niederträchtig noch feige, davon vermochte ich mich auf Schritt und Tritt bei den Anhängern unserer Sippe zu überzeugen. Ihr Herz verfluchte den Verrat, man konnte ihnen vertrauen. Wenn die in Serima einer solchen Schändlichkeit fähig waren und ihr eigenes Wohl durch schweres Unrecht an den nächsten Stammesbrüdern erkaufen wollten, dann mußte die Schuld allein bei den verkommenen Stammesältesten liegen. Der erbärmliche und geistesschwache Koneso, der wahnbesessene Verbrecher Karapana, Pirokaj, der Bruder Manauris — solche Menschen mußten einen schlechten Einfluß auf ihre Umgebung ausüben. Und diese Menschen hatten allen Grund, die Anwesenheit unserer Sippe zu fürchten, mit vollem Recht! Ich fühlte, wie der Zorn in mir emporstieg.

Während des Gesprächs mit Aripaj hatten Arnak und Wagura die Hütte betreten. Ihr Schweigen bekräftigte die Worte des Alten: Konesos Leute waren bereit zum Verrat.

„Im nächsten Jahr kommen die Spanier wieder und nehmen sie selbst mit!” rief ich empört.

Aripaj zuckte die Achseln und murmelte: „Dagegen kann man nichts machen, Herr.”

„Und wenn unsere Sippe den Spaniern entgegentritt? Was meinst du, Aripaj?”

Die Augen des Indianers begannen zu sprühen: „Du wirst siegen, Herr, der Weiße Jaguar ist unüberwindlich!”

„Nicht darum geht es”, erklärte ich. „Wissen möchte ich, ob dann die Arawaken, die Koneso für die spanische Sklaverei bestimmt hat, zu den Waffen greifen werden?”

„Ja, Herr. Sie werden Widerstand leisten und kämpfen”, versicherte Aripaj eilig.

„Und ihr? Wie denkt ihr darüber?’ fragte ich.

„Wenn ihnen nicht die Waffen abgenommen werden, bevor wir losschlagen, dann werden sie sicher nicht zurückstehen”, sagte Arnak vorsichtig.

„So ist es, wenn man ihnen nicht die Waffen abgenommen hat’, pflichtete ihm Wagura bei.

„Ob wir uns darauf verlassen können?” fragte ich. „Gibt es neue Nachrichten von Manauri? Ist der Bote gekommen?”

„Er ist da. Sie wollten ihn nicht herauslassen aus Serima. Er mußte sich mit Gewalt losreißen. Was Aripaj sagt, stimmt. Wir müssen schnell handeln, Jan.”

„Wie steht es bei den Warraulen?”

„Sie haben Waffen erhalten und sitzen in ihrer Hütte. Jetzt warten sie auf deinen Befehl.”

„Sie sollen sich weiterhin ruhig verhalten. Und unsere Krieger, sind sie bereit?”

„Sie sind bereit.”

Wir traten vor die Hütte. Hier standen sie alle. Kühne Gestalten mit zusammengepreßten Lippen. Selbstbewußt und unerschrocken blickten ihre Augen. Sie waren wie zu einem großen Kriegszug gerüstet: nicht nur Büchsen, Pistolen und Messer hatten sie mitgenommen, sondern auch Bogen, Keulen und Speere. Das Häuflein machte einen achtunggebietenden Eindruck, und meine Miene mußte wohl Anerkennung ausdrücken, denn die Krieger begrüßten mich äußerst herzlich. Aber wie wenige waren es! Kaum eine Handvoll!