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zuelas am Herzen liegt, dann hört zu! Nehmt zur Kenntnis, daß ich die Absicht habe, gemeinsam mit diesen Indianern Eurem Land einen großen Dienst zu erweisen und seine Grenzen zu verteidigen — wenn euer Unverstand das nicht verhindern sollte.”

Ich schilderte ihm alles, was mir über die Akawois und ihren beabsichtigten Raubzug an den unteren Orinoko bekannt war. Es zeigte sich, daß auch Don Esteban bereits etwas davon gehört hatte, doch war ihm nicht bekannt, daß die Akawois nicht aus eigenem Antrieb zu diesem Überfall rüsteten, sondern durch die holländischen Plantagenbesitzer am Essequibo dazu angespornt wurden. Erst als ich Don Esteban des langen und breiten die Bedeutung dieser Pläne auseinandergesetzt und betont hatte, daß es sich dabei nicht um einen der üblichen Überfälle auf die venezolanischen Indianer handeln müsse, sondern daß die Holländer viel-leicht beabsichtigen könnten, Ländereien an der Mündung des Orinoko in Besitz zu nehmen, also Teile des Territoriums von Venezuela, blitzte es in den Augen des Spaniers auf: er hatte begriffen. Eine derartige Möglichkeit schien ihm durchaus gegeben, denn die Holländer, Engländer und Franzosen hatten es in der Vergangenheit schon einmal verstanden, in ein spanisches Land, in den südlichen Teil Guayanas, einzudringen und sich mit dem Recht des Eroberers dort festzusetzen. Und wer konnte dafür bürgen, daß die Holländer nicht das gleiche am Orinoko versuchen wollten?

„Wenn also die Akawois, die Abgesandten der Holländer, hier erscheinen sollten”, erläuterte ich dem Spanier meinen Vorschlag, „so werden wir selbstverständlich die Unantastbarkeit Venezuelas verteidigen. Wie sollen wir aber für Venezuela kämpfen, wenn ihr, die Spanier selbst, uns um fünfzig der besten Krieger schwächen wollt?”

„Das stimmt. Das ist wahr”, stimmte Don Esteban überraschend schnell zu und lachte über das ganze Gesicht. „Ich erkenne Euren Standpunkt an, er ist recht und billig.”

Da er mir so überaus schnell zustimmte, kamen mir Zweifel an

seiner Aufrichtigkeit. Dann aber durchschaute ich, warum Don Esteban so bereitwillig meinen Gedanken aufgegriffen hatte. Er sah ein, daß er umzingelt war und nachgeben mußte, und er entschloß sich für einen ehrenvollen Rückzug. Nicht einer Übermacht wich er, sondern er räumte das Feld nach sachlicher Erwägung der Umstände. Der Spanier war einfach froh, aus dieser mißlichen Situation herauszukommen, ohne etwas von seiner Würde einzubüßen. Deshalb nickte er mir zu, lächelte süß und schlug sich vor Freude mit den Händen auf die Knie.

„Wir sind also in dieser Hinsicht Verbündete der Spanier”, nahm ich das Gespräch wieder auf, „und. . .”

Meine Worte wurden durch kurze, schrille Schreie unterbrochen. Sie kamen von weither, aus der Richtung des Urwalds. Im ersten Augenblick konnte man nicht erkennen, wer sie ausstieß und warum, aber sie klangen wie spanische Wortfetzen. Ein Mann eilte auf uns zu und stieß warnende Rufe aus. Neugierig standen wir auf und blickten ihm entgegen.

„Es ist ein Spanier”, erklärte Arnak, der zur Seite getreten war, um besser sehen zu können.

„Nur einer?” fragte ich.

„Er ist allein und ohne Waffen.”

Befriedigt setzte ich mich wieder auf den Schemel und wartete, wie sich die Ereignisse weiter entwickeln würden. Im ersten Augenblick hatte ich mich gewundert, wer es so eilig habe, zu uns zu gelangen. Als ich dann aber den Gehetzten in seiner zerrissenen Kleidung wahrnahm, dem vor Angst und Anstrengung die Augen hervorquollen, und als Don Esteban entsetzt „Fernando!” murmelte, wurde mir alles klar: es war der Spanier, den ich in der vergangenen Nacht auf der Insel mit der Keule niedergeschlagen hatte.

„Ein Unglück!” schrie er schon von weitem und schnappte nach Luft. „Ein schreckliches Unglück ist geschehen!”

„Rede vernünftig”, herrschte ihn Don Esteban an.

„Die Gefangenen sind entflohen”, japste der Spanier.

„Entflohen? Das kann doch nicht sein! Wie war das möglich?” „Sie sind fort. . . Ihre Geister haben ihnen geholfen. . . Es ist eine Strafe Gottes!”

„Was für Geister? Fasle keinen Unsinn, du Halunke! Den Schädel müßte man dir abschlagen, du Tölpel! Sind alle geflohen?” „Alle, Senor.”

„Wohin?”

„Wir wissen es nicht. Sie haben die Boote mitgenommen.”

„Die Boote auch noch”, rief Don Esteban mit einer Stimme, als sei er am Ende seiner Kräfte. „Ihr Lumpen habt alle geschlafen, statt Wache zu halten!”

„Ich schwöre bei Gott, daß ich nicht geschlafen habe, ich habe gewacht!

„Der Senor Corregidor läßt euch die Knochen im Leibe brechen, so wahr ich hier stehe! Wie ist das geschehen?”

„Wir wissen es selbst nicht. Jeder von uns erhielt einen Schlag auf den Kopf und wurde sofort ohnmächtig. Als wir wieder zu uns kamen, lagen wir gefesselt im Gebüsch. Nach einiger Zeit gelang es uns, die Fesseln abzustreifen. Die Boote und die Warraulen waren weg. Böse Geister hatten ihre Hände mit im Spiel, Senor, das ging nicht mit rechten Dingen zu!”

„Idiot”, knurrte Don Esteban, warf einen wütenden, bedeutungsvollen Blick auf mich und fügte hinzu: „Ich kenne die Geister.” Fernando, der bisher keuchend und mit stockender Stimme berichtet hatte, wandte sich immer wieder in die Richtung, aus der er gekommen war, und stieß endlich hervor: „Senor comandante, der Wald wimmelt von feindlichen Indianern... sie waren hinter mir her! Sie haben Schußwaffen!”

„Haben sie auf dich geschossen?’

„Das weiß ich nicht. Aber sie besaßen Büchsen, das habe ich gesehen.”

„Waren es viele?”

„Der ganze Wald ist voll.”

Don Esteban wurde noch blasser. Er preßte die Lippen fest aufeinander und sah düster vor sich hin. Sichtlich bewegten ihn wenig erfreuliche Gedanken.

„Wir sind also in dieser Hinsicht Verbündete der Spanier”, setzte ich das Gespräch dort fort, wo ich es unterbrochen hatte. Dabei veränderte ich weder meine Stimme noch meinen Gesichtsausdruck und tat so, als habe es den Zwischenfall mit Fernando nicht gegeben. „Deshalb fordere ich, daß Ihr und der Corregidor in Angostura im eigenen Interesse meine Herrschaft über die Stämme der nördlichen Arawaken und der Warraulen anerkennt

„Auch über die Warraulen?” unterbrach mich Don Esteban und runzelte die Stirn.

„Auch über die Warraulen. Wir haben vor kurzem mit ihrem Oberhäuptling Oronapi ein Freundschaftsbündnis geschlossen und gehören zusammen wie ein Volk. Wer einem Warraulen ein Unrecht zufügt, den betrachten auch wir als Feind, gleichgültig, ob es sich dabei um einen Akawoi, einen Holländer oder — irgendeinen anderen handelt.”

Die letzten Worte sprach ich mit besonderem Nachdruck.

„Und wenn der Corregidor Eure Selbstherrschaft nicht anerkennen will?” wandte Don Esteban ein, dem die Galle überzulaufen schien.

„Dann werde ich die Herrschaft ohne sein Einverständnis ausüben!” Ich verlieh meiner Stimme einen scharfen Ton. „Und ich versichere Euch, daß von nun an — ob Ihr es wünscht oder nicht — alle Dörfer der Warraulen und der nördlichen Arawaken unter meinem persönlichen Schutz und unter dem meiner Musketen stehen.”

Als die umstehenden Indianer meine Worte vernahmen, gerieten sie in Bewegung. Sie kannten mich bereits so weit, um zu wissen, daß es kein leeres Gerede war, was ich da sagte; außerdem hatten sie im Verlauf der heutigen Ereignisse Gelegenheit gehabt, sich davon zu überzeugen, daß ich mir zu helfen wußte und, wenn es notwendig war, dem Feind meinen Willen aufzuzwingen verstand. In den Blicken, die von allen Seiten auf mich gerichtet

waren, konnte ich Achtung und große Dankbarkeit lesen. Sogar die Stammesältesten beehrten mich mit einem freundlicheren Gesicht, schielten aber gleichzeitig mit einem Auge zu Don Esteban und erwarteten, daß der hitzköpfige Spanier wütend aufspringen und auf mich losfahren werde wie ein Jaguar.