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Doch nichts dergleichen geschah. Wohl bleckte er die Zähne, verzog die Lippen aber zu einem breiten Lächeln. Er erhob sich und streckte mir seinen Arm entgegen. Wir schüttelten uns die Hände.

„Wie der Corregidor darüber denkt”, rief der Spanier lebhaft, „das ist seine Sache. Ich für meine Person erkenne die Berechtigung Eurer Forderung und Eure Herrschaft über die beiden Stämme an. Ich wiederhole noch einmaclass="underline" Ihr seid ein Satan, Don Juan! Es ist nicht gut, Euch zum Feind zu haben. Möge Freundschaft zwischen uns bestehen, und laßt uns ein Bündnis schließen. Verteidigt das Land gegen die Akawois, Gott sei mit Euch! Ich habe keine weitere Forderung an den Stamm!”

Er war voll überströmender Höflichkeit, schüttelte mir freundschaftlich die Hand und sah mir lachend in die Augen. Sein Blick aber blieb unergründlich fremd und ließ einen bis ins Mark erschauern.

Zum Teufel, dachte ich bei mir, sollte hinter diesen starren Pupillen bereits ein neuer Verrat geboren werden? Der Schlag soll ihn treffen mit seinem doppelten Gesicht!

Als Manauri seine Worte übersetzt hatte, gerieten die Arawaken in einen Freudentaumel. Fröhliche Rufe wurden laut und drangen bis in die letzte Hütte. Immer wieder erscholl das eine Wort: „Chu-an! Chu-an!” In rhythmischem Gleichmaß lief es durch die Reihen der Menschen. Es war mein Name, wie er im Spanischen ausgesprochen wird. Bis in den Urwald war bereits die Kunde gedrungen, daß das Unheil abgewendet war, daß die Spanier niemand nach Angostura verschleppen würden. Die dreiundzwanzig Gefangenen waren schon längst in ihre Hütten zurückgekehrt, rafften eilig ihre Waffen und die gesamte Habe zu-

sammen und machten sich mit ihren Familien auf den Weg zu unserer kleinen Siedlung.

Währenddessen ließ Koneso, der über die günstige Wendung der Dinge höchst erfreut war, für die Spanier und für unsere Sippe ein festliches Gastmahl bereiten. Ich sprach aber dem Kaschiri nur sehr mäßig zu und forderte auch die Freunde auf, wachsam zu bleiben. Es wurde getanzt und gesungen, und immer wieder rollte laut und freudig jenes „Chu-an” über den Dorfplatz. Die Mädchen Serimas gaben sich die größte Mühe. den Spaniern und den Tschaimas zu gefallen.

Koneso und Fujudi, die bereits etwas angetrunken waren, kamen auf mich zu, um mir in plumper, unbeholfener Art ihren Dank auszusprechen. Koneso deutete an, daß er den Spaniern gern etwas schenken möchte, und fragte mich, ob ich erlaube, daß er ihnen das Pferd überreiche. Ich war sofort einverstanden, denn unser Pferdchen wurde in dieser Urwaldwildnis immer unansehnlicher und magerer, und es war vorauszusehen, daß es bald ein-gehen würde. So sollte das einst von den Spaniern erbeutete Tier wieder in die Llanos zurückkehren.

Als in den Nachmittagsstunden das Fest auf dem Dorfplatz seinen Höhepunkt erreichte und immer geräuschvoller wurde, herrschte in anderen Teilen Serimas emsige, wenn auch gedämpfte Geschäftigkeit. Dort vollzog sich etwas, was der Stamm noch nicht erlebt hatte und was die Zusammensetzung der Sippen von Grund auf verändern sollte. Alle Familien, die von der ränkevollen Herrschaft des Zauberers Karapana und des nichtswürdigen Koneso bedroht gewesen waren, packten ihren Hausrat und zogen in unser Dorf, in den Schutz der Sippe des Weißen Jaguar. Niemand durfte sie daran hindern, denn in diesem Augenblick achteten alle unsere Stärke.

Kurz darauf verließ unsere Sippe das Gelage und kehrte in ihre Siedlung zurück. Ohne einen Tropfen Blutvergießen hatte uns dieser Tag einen schönen Sieg beschert, was uns mit unermeßlicher Freude erfüllte. Allen unseren Kriegern dankte ich aus ganzem Herzen, denn sie hatten sich hervorragend gehalten. Am längsten drückte ich den Prachtschützen die Hände, die mit großem Glück und Geschick die Kürbisse getroffen hatten. Auch die drei, die im Urwald so wacker geknallt hatten, lobte ich. Als wir genügend darüber gelacht hatten, daß es uns gelungen war, den Spaniern einen so gewaltigen Schrecken einzujagen, machten wir uns sofort an die Arbeit. Arnak verteilte in Vertretung des abwesenden Manauri die neu Angekommenen auf die einzelnen Hütten, und ich ließ Wagura mit mehreren Kriegern die Wachposten beziehen. Der Rest der Krieger blieb in Reserve, denn solange noch ein Spanier am Ufer des Itamaka weilte, durfte man der Ruhe nicht trauen.

Es ereignete sich aber nichts Beunruhigendes. Das Fest in Serima währte bis in die Dämmerung, worauf sich die Menschen zur Ruhe begaben, die Spanier und die Tschaimas am Flußufer neben ihren Booten, die Arawaken in den Hütten. Alle waren ermattet, übersättigt und betrunken. Als sich die Dunkelheit herniedersenkte, war alles still, bis auf die Stimmen im Urwald und im Ufergebüsch, die wie gewöhnlich zu nächtlichem Leben erwachten.

Die rote Pest

Die Hälfte der Nacht verlief ohne Störung, dann aber riß uns das Krachen mehrerer Schüsse, die in kurzen, unregelmäßigen Abständen auf dem Dorfplatz in Serima abgegeben wurden, aus dem Schlaf. Dort mußte ein Kampf ausgebrochen sein. Wir ergriffen die Waffen, stürzten aus den Hütten und rannten, so schnell uns die Beine trugen, auf den Schauplatz des Geschehens zu.

Schon von weitem erkannten wir, daß auf dem Lagerplatz der Spanier alles in Bewegung war. Einige schnell entfachte Feuer erhellten das Flußufer, in ihrem flackernden Schein wimmelten die Menschen wie in einem aufgescheuchten Ameisenhaufen durcheinander. Etwa hundert Schritt vom Lager entfernt befahl ich der Gruppe, sich in der Dunkelheit zu verbergen, und ging selbst mit Arnak auf die Spanier zu.

„Man hat uns überfallen!” schrie mir Don Esteban aufgeregt entgegen, sobald ich in den Lichtschein des Feuers getreten war. „Verrat! Schande!”

Mir wollte das nicht in den Kopf.

„Wer sollte es gewagt haben, Euch anzugreifen?”

„Wer sollte es gewesen sein!” äffte mich der Spanier wütend nach. „Wißt Ihr es wirklich nicht, oder wollt Ihr mich nur täuschen?”

„Ich schwöre bei allem, was mir teuer ist: Ich weiß es nicht!” „Wer soll es schon gewesen sein?” wiederholte der Spanier giftig. „Eure roten Schoßkinder, Eure arawakischen Schützlinge.” „Das kann nicht sein. Ihr müßt Euch getäuscht haben.” „Schwört nur, daß es nicht sein kann, schwört, daß es eine Täuschung ist, und dann seht dorthin!”

Er deutete auf das Ufer, wo dicht neben dem Wasser die Leiche eines Indianers lag.

„Wer ist das?” fragte ich verblüfft.

„Einer Eurer Mordbuben. Wir haben ihn uns herausgepickt, aber leider nur den einen.”

„Wieviel waren es?”

„Ein ganzer Haufen.”

„Woher kamen sie? Aus dem Dorf?”

„Der Teufel soll es wissen! Sie kamen vom Fluß her.”

„Haben sie jemand getötet?’

„Nein. Das ist auch Euer Glück! Nur zwei Weiße trugen Messerstiche davon. Diesen Verrat bezahlt Ihr mir teuer!”

Dieser rätselhafte Vorfall traf mich wie ein Blitzschlag. Ich war nicht weniger wütend als Don Esteban und so bestürzt, daß ich eine ganze Weile keinen klaren Gedanken fassen konnte. Alles ging so fürchterlich durcheinander. Welche Unfügsamen und Verrückten hatten uns diesen Wirrwarr eingebrockt? Ich ließ die Leiche näher ans Feuer heranbringen und betrachtete das Gesicht des Toten. Der Indianer war mir fremd, auch Arnak kannte ihn nicht.

Mit herabhängendem Unterkiefer kam Koneso herbei, der noch nicht ganz nüchtern war, und blickte mit überraschter und dummer Miene um sich. Lange sah er dem Toten ins Gesicht, drehte ihn auf die eine und auf die andere Seite; endlich erhob er die Augen zu Don Esteban und versicherte mit giftig verzogenem Mund und gereizter Stimme: „Der ist nicht von uns. Es ist ein Fremder.”

Der Spanier wollte sich auf den Häuptling stürzen, da er glaubte, Koneso wolle ihn täuschen, doch bestätigten mehrere Einwohner Serimas dessen Worte so nachdrücklich, daß Don Esteban zögerte.