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 „Das ist ein Warraule”, erklärte plötzlich Aripaj, der kurz nach uns gekommen war. „Ich kenne sie doch gut, es ist ein Warraule.” Mir fielen Manduka und seine Leute ein, die in einer unserer Hütten untergebracht waren. Ein Verdacht stieg in mir auf. Ohne aber meine Gedanken zu verraten, sagte ich zu dem Spanier: „Wenn ich mich nicht irre, so hat gestern der Söldner, der so atemlos angerannt kam — Fernando war wohl sein Name —, irgend etwas von Gefangenen gefaselt, die sich angeblich befreit hätten.”

Don Esteban murmelte etwas von verfluchter Gegend und gab keine Antwort. Er mußte wohl zu der Überzeugung gelangt sein, daß die Warraulen den Überfall verübt hatten, denn er forderte, daß Koneso für den Rest der Nacht zahlreiche Wachen aufstelle, was dieser ihm dienstfertig und eilig versprach. Wir wünschten den wieder besänftigten Spaniern eine gute Nacht und verließen Serima.

Auf dem Rückweg teilte ich Arnak meinen Verdacht gegen die Warraulen mit.

„Bestimmt waren sie es. Sie sind einfach ausgerissen”, flüsterte Arnak betrübt. „Aripaj kann aber bezeugen, daß ich deinen Befehl richtig ausgeführt und ihnen eingeschärft habe, um nichts in der Welt ihr Versteck zu verlassen. Was machen wir mit ihnen?” „Zunächst gehen wir einmal hin.”

Ich nahm die ganze Gruppe mit, außerdem Aripaj als Dolmetscher. Wir hatten uns mit Fackeln versehen und setzten sie vor der Hütte der Warraulen, die sie nicht verlassen sollten, in Brand.

Als wir eintraten, lagen sie einer neben dem andern ausgestreckt da und taten so, als würden sie eben aus dem Schlafgeweckt. Gähnend rieben sie sich die Augen. Manduka, der dem Eingang am nächsten lag, erhob sich achtungsvoll.

Wir zählten sie. Es waren zehn statt elf.

„Wo ist der elfte?’ ließ ich Manduka durch Aripaj fragen.

Manduka mimte immer noch den Verschlafenen, riß die Augen auf, murmelte etwas, ohne auf unsere Frage zu antworten. „Er sitzt draußen und.. .”, rief einer mit frecher Stimme aus der dunkelsten Ecke.

„Komm nach vorn”, sagte ich zu ihm.

Sich streckend, erhob sich der vorlaute Rufer langsam und setzte eine etwas hochmütige Miene auf. Er hatte es nicht eilig, zu uns heranzutreten.

„Beweg dich schneller!” schrie ich so laut, daß die trockenen Palmblätter im Dach knisterten.

Immer noch mit verdrossenem Gesicht kam er heran. „Warum hast du nicht geschlafen, als wir hier eintraten?’ „Ich habe geschlafen.”

„Woher weißt du dann, daß der elfte hinausgegangen ist, um seine Notdurft zu verrichten?”

„Ich weiß es. Woher ich es weiß, das ist meine Sache!”

Ich faßte an seinen Lendenschurz, den er noch trug. Er war feucht.

„Du bist naß? Bist du in den Fluß gefallen?”

„Nein”, log er, ohne zu stottern. „Ich kann das Wasser nicht halten, weil ich krank bin.”

Nun konnte ich mich nicht mehr beherrschen und verabreichte dem Frechling eine kräftige Maulschelle. Während er ins Wanken geriet, packte ich ihn mit einer Hand unter der Achselhöhle und mit der andern am Bein und schleuderte ihn gegen die Wand. Die Zweige hielten dem Anprall nicht stand, sie brachen, und aus dem entstandenen Loch ragte der halbe Körper des kecken Burschen hervor.

„Ist noch einer hier, der lügen will?” Ich blickte in die Runde und sah dann Manduka streng in die Augen.

Der junge Krieger machte ein zerknirschtes Gesicht.

„Verzeih, Herr”, sprach er gehorsam. „Wir wollen die Wahrheit nicht verbergen. „Habt ihr den Überfall ausgeführt?”

„Ja, Herr.”

„Warum?’

Verlegen sah Manduka mich an; dann antwortete er: „Die Spanier haben uns schweres Unrecht zugefügt. Wir hassen sie. Wir haben uns hinreißen lassen.”

Zornig blickte ich die Warraulen der Reihe nach an.

„Ihr habt euch hinreißen lassen? Seid ihr Krieger oder dumme Jungen? Ihr hattet Befehl, nicht aus der Hütte zu gehen.” „Ja, Herr, wir haben schuld, ich leugne es nicht. Aber... wir hörten im Laufe des Tages so viele Schüsse, daß wir es hier nicht mehr aushielten. Wir wollten etwas tun ... ”

„Wie dumm, auf eigene Faust etwas zu unternehmen! Ist euch nicht der Gedanke gekommen, daß ihr mit eurer Unbesonnenheit uns alle, ganz Serima, ins Verderben reißen könntet?”

„Wir wissen es jetzt. Es wird nie wieder vorkommen, Herr.”

Trotz allem gefielen mir Manduka und seine Schar. Sie hatten mutige Herzen und fürchteten sich nicht, einen stärkeren Feind anzugreifen. Außerdem konnte man in den Augen des Warraulen lesen, daß er seinen Fehler aufrichtig bereute.

„Du kommst jetzt mit mir”, ordnete ich an, „und wirst so lange in Fesseln gelegt, bis die Spanier abgefahren sind. Ihr andern gebt sämtliche Waffen ab und bleibt hier in der Hütte. Wer sie ohne Erlaubnis verläßt, dem jagen wir eine Kugel in den Kopf.”

Ich ließ Manduka sofort die Hände binden, damit seine Leute sehen sollten, daß es keine leeren Worte waren. Nachdem die War-raulen ihre Waffen abgegeben hatten, was etwas unwillig und zögernd geschah, blieben zwei unserer Krieger sowie fünf Freiwillige aus den Reihen derer, die von Serima zu uns übergesiedelt waren, als Wache zurück. Wir andern waren zufrieden, daß der Vorfall schlecht und recht beigelegt war, und suchten unsere Hütten auf, um noch einige Stunden zu schlafen.

Der Rest der Nacht verlief ruhig. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang lagerten die Spanier immer noch in Serima. Als ich die Nachricht erhielt, daß sie keine Anstalten trafen, die auf ihre baldige Abfahrt schließen ließen, machte ich mich auf den Weg, um den Grund der Verzögerung zu erforschen. Da ich nicht wußte, in welcher Laune ich sie heute antreffen würde, nahm ich wie am Tag zuvor Arnak und die bewaffnete Gruppe Waguras mit.

In Serima war alles unverändert. Die Menschen schmausten wieder, lachten sich zu, lagen in Hängematten im Schatten der Hütten oder schlenderten untätig auf dem Dorfplatz umher. Bei Tageslicht hatten einige spanische Söldner und Tschaimas in dem getöteten Indianer einen der Warraulen wiedererkannt, die sie mitgeführt hatten. Darin lag wohl auch der Grund für das große Wohlwollen Don Estebans, mit dem er mir begegnete. Es war nun klar erwiesen, daß die Arawaken mit dem nächtlichen Überfall nichts zu tun hatten.

„Ich freue mich, ich bin sehr froh”, wiederholte der Spanier einigemal mit einem süßen Lächeln und rieb sich die Knie. „Und ich gestehe Euch, daß ich Serima nicht verlassen wollte, ohne Euch meine Zufriedenheit ausgesprochen zu haben. Meine freundschaftlichen Gefühle — wir sind doch Verbündete! — gebieten mir, Euch und Euren tüchtigen Leuten ein bescheidenes Geschenk zu überreichen.”

Diese Eröffnung erschien mir so außergewöhnlich, daß ich Don Esteban anstarrte wie ein Wundertier. Kannten doch die Spanier in dieser Gegend nur einen Grundsatz — zu nehmen und zu plündern, auf keinen Fall aber zu schenken! Doch hatte mich mein Gehör nicht getäuscht, der höfliche Spitzbart erläuterte mir seine ehrbaren Absichten.

„Ich möchte Euch einen Sack Decken schenken, die mir übriggeblieben sind. Bereitet mir das große Vergnügen und lehnt dieses bescheidene Andenken nicht ab.”

„Decken? Wollene Decken?”

„Ja, Decken.”

Decken waren in dem heißen Klima unserer Waldgegend eine so unnütze Sache, daß ich meiner Verwunderung deutlichen Aus-

druck verlieh. Uns genügten völlig die im Ort hergestellten, aus Pflanzenfasern geflochtenen Matten.

„Wenn Euer Wohlgeboren so freigebig sind”, erwiderte ich da-her lachend, „so schenkt uns einige Büchsen und etwas Pulver. Damit erweist Ihr uns einen besseren Dienst für den Kampf gegen die Akawois. Aber Decken?”

„Ich besitze weder überflüssige Büchsen noch Pulver”, antwortete er trocken, „deshalb gebe ich, was ich geben kann, und ich bitte, es anzunehmen.”