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Mein vielleicht nicht gerade höflicher, aber berechtigter Einwand hatte ihm so sehr die Laune verdorben, daß ich stutzig wurde. Der Nachdruck, mit dem er jenes „und ich bitte, es anzunehmen!” aussprach, brachte mich auf den Gedanken, daß ihm sichtlich sehr viel daran gelegen war, uns diese Decken zu schenken. Aber wozu? Warum drängte er mir sie geradezu auf? Ich betrachtete ihn forschend. In seinen Augen entdeckte ich wiederum so viel kalte Grausamkeit, ja feindliches Lauern, daß mich ein kalter Schauer überlief.

Was ist das für ein merkwürdiger Mensch? überlegte ich. Worauf will er hinaus?

Vielleicht bildete ich mir dies alles nur ein?

Während ich mit übergeschlagenem Bein und über dem Knie verschränkten Händen bequem auf meinem Schemel saß, behütet durch die Wachsamkeit Arnaks und beschirmt durch die Waffen der Gruppe Waguras, schweiften meine Gedanken zurück in die Vergangenheit, in die Jahre meiner Jugend. Vor meinen Augen wurde ein Ereignis lebendig, das damals in meiner Heimat im Norden großes Aufsehen erregt hatte.

Zu jener Zeit lebten unweit der Farm meines Vaters in einem der Täler der Alleghanies mehrere indianische Familien, die Überreste des vor einem halben Menschenalter ausgerotteten Stammes der Susquehannas. Sie lebten ruhig in ihrer Abgeschiedenheit, bereiteten den weißen Pionieren keine Schwierigkeiten, weshalb diese sie in Frieden ließen und ihnen manchmal sogar kleine Unterstützungen gewährten. So wurden ihnen eines Tages mehrere alte Decken geschickt. Zur größten Verwunderung der umliegenden Farmer brach kurz darauf bei den Indianern eine mörderische Epidemie aus, der nach einigen Wochen alle Angehörigen des Stammes bis zum letzten Kind zum Opfer fielen. Wir nannten diese Krankheit die Masern. Für uns war sie nicht weiter schrecklich, nur äußerst ansteckend; auf die Indianer, wie sich gezeigt hatte, wirkte sie vernichtend. Die Farmer erkannten, daß die Decken, die sie den Indianern geschenkt hatten, die Seuche dort eingeschleppt hatten; denn die stammten von Menschen, die kurz zuvor an Masern erkrankt waren.

Als diese Nachricht in den englischen Kolonien bekannt wurde, fanden sich viele, die diese Art für die Ausrottung der noch nicht unterjochten Indianerstämme empfahlen, die unseren Leuten in den westlichen Grenzbezirken arg zu schaffen machten.

Ich war begierig zu erfahren, ob diese Geschehnisse in den spanischen Kolonien bekannt seien, und wenn ja, ob die Menschen so gewissenlos waren, um mit derart höllischen Mitteln das Leben Unschuldiger zu vernichten? Die Augen Don Estebans glitzerten in beängstigender Kälte! Ich hatte das Gefühl, daß uns eine unbekannte Gefahr drohte, und beschloß, noch mehr als bisher auf der Hut zu sein.

„Mögen Euer Wohlgeboren mir verzeihen”, erklärte ich standhaft, „Eure Decken kann ich wirklich nicht gebrauchen und werde sie nicht annehmen.”

„Nicht doch”, widersetzte sich der Spanier genauso standhaft. „Ich bitte Euch, beraubt mich nicht des Vergnügens, Euch meine Freundschaft zu beweisen, und deshalb — verzeiht den Ausdruck — müßt Ihr dieses bescheidene Geschenk annehmen.”

Sein Mund sprach diese Worte so herzlich, daß ich bereit war, mich für einen Grobian zu halten; sobald ich jedoch in seine Schlangenaugen blickte, wurde mein Widerstand um so verbissener.

Der Spanier zuckte aber nur die Achseln und sprach: „Überlegt es Euch gut, Don Juan, bevor Ihr mich durch Eure unsinnige Weigerung verletzt und beleidigt. Warum wollt Ihr Eure Leute benachteiligen?”

Die letzten Worte Don Estebans waren weniger an mich als vielmehr an Koneso und die arawakischen Stammesältesten gerichtet, die sich in der Nähe aufhielten, und sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Die stets und nach allem gierenden Ältesten wunderten und ärgerten sich mächtig über meinen Widerstand, und Koneso stimmte dem Spanier zu, daß ich damit den Indianern ein Unrecht zufüge.

„Wenn du die Decken nicht willst, so überlasse sie mir”, verlangte der Oberhäuptling.

„Weiß du überhaupt, was wollene Decken sind?” fragte ich. Er wußte es nicht genau.

„Es sind Matten aus dickem Tuch, die man zu nichts gebrauchen kann”, erläuterte ich ihm.

„Ich werde sie mir ansehen”, erwiderte er und stand auf.

„Ich bitte dich um eins: Sei vorsichtig, berühre die Decken nicht!” rief ich ihm warnend nach.

Koneso warf den Kopf in den Nacken. „Meinst du, sie könnten beißen?”

„Ich meine, sie könnten Schaden anrichten.”

Koneso, Fujudi, Pirokaj und noch andere stiegen in das Boot der Spanier und kehrten bald voll kindlichen Entzückens zurück. Besonders Koneso sparte nicht mit Worten des Lobes, wie schön die Decken seien.

„Verfluchter Unsinn!” Ich sah, daß ich ihre Begeisterung nicht abzukühlen vermochte, und erklärte entschieden, daß ich die Decken nicht annehme. Um weiteren Belästigungen aus dem Wege zu gehen, wandte ich mich einfach um und ging davon, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

In den Nachmittagsstunden rüsteten die Spanier zur Abfahrt. Ich machte mich auf, um von Don Esteban, und vor allem von Pedro, Abschied zu nehmen. Zu meiner größten Verwunderung

mußte ich feststellen, daß der Sack mit den Decken ans Ufer gebracht worden war.

„Aber warum denn das? Ich kann sie nicht gebrauchen!” rief ich aus. „Ich habe doch erklärt.. .”

„Ich weiß, doch nehmt sie nur.” Don Esteban strahlte vor Gutmütigkeit. „Wenn Ihr selbst die Decken nicht verwenden könnt, dann gebt sie den tüchtigen Kriegern aus Eurer Abteilung. Die guten Schüsse sind eine Decke wert... Es sind fünfzehn Stück.” „Nimm sie, lehne sie nicht ab, Weißer Jaguar”, drängte mich Koneso. „Vielleicht sind die Matten doch zu etwas gut. . .”

Es blieb nichts anderes übrig. Zwei Boote hatten bereits abgestoßen, die letzten Spanier sprangen gerade in die dritte Itauba hinein, und gleich darauf steuerte auch sie der Mitte des Flusses zu.

Als sie unseren Augen entschwunden waren, wandten wir uns dem verdächtigen Bündel zu. Der große, geradezu aufdringliche Freigebigkeitsdrang Don Estebans hatte meinen Argwohn noch verstärkt, und ich teilte den Arawaken unverzüglich meine Vermutungen mit.

„Ich habe kein Vertrauen zu Don Esteban”, erklärte ich abschließend, „und bin überzeugt, daß in diesem Sack ein schrecklicher Kanaima der weißen Menschen lauert, der eine todbringende Krankheit verbreitet. Wer die Decken berührt, dem drohen Krankheit und Tod.”

Meine Worte blieben nicht ohne Eindruck, in den Augen der Indianer spiegelten sich Mißtrauen und Entsetzen. Nur vorsichtig wagten sie einen Blick in das Bündel zu werfen, konnten aber kaum etwas sehen. Der Sack war an einer Holzstange festgebunden. Die Träger hatten ihn an Land gebracht, indem sie nur die beiden Enden der Stange anhoben, ohne den Sack selbst zu berühren.

Mir kam es jedenfalls äußerst merkwürdig vor — der Teufel sollte die Bande holen!

Arasybo stieß mich an und sagte dann unerschrocken: „Weißer Jaguar, ich kenne Beschwörungen, die böse Zauber töten und Krankheiten vertreiben. . .”

„Arasybo, guter Freund!” Ich mußte lachen. „Gegen dieses Übel, das ich in dem Sack vermute, helfen keine Beschwörungen, hier kann nur dreierlei helfen: entweder den Sack in den Fluß zu werfen, damit er im Meer versinkt, oder ihn möglichst tief zu vergraben, oder — und das ist das allerbeste — ihn einfach zu verbrennen.”

In diesem Augenblick trat Pirokaj an mich heran, ließ seine durchtriebenen, beweglichen Mäuseaugen spielen und fragte: „Du sagst, daß du den Verdacht hegst, sicher bist du dir nicht?” „Natürlich weiß ich es nicht mit Sicherheit.”

„Aha, so ist das also!”

Koneso, der das Bündel mit traurigen Blicken geradezu verschlang, klagte: „Ein so ungewöhnliches Geschenk, und nun soll es vernichtet werden! Ist es nicht schade darum, wenn man nichts Genaues weiß? Vielleicht sitzt gar kein Kanaima darin.”

„Und wenn einer drinsitzt”, rief Pirokaj herausfordernd, „was hat das zu bedeuten? Ist Karapana nicht ein Zauberer, der jeden Kanaima austreibt? Karapana wird den Sack beschwören und den Zauber unschädlich machen.”