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Als die Sonne, die gerade über dem jenseitigen Seeufer aufgegangen war, die anmutige Gestalt Lasanas in rosiges Licht tauchte, empfand ich deutlich, daß die Indianerin nie so schön gewesen war wie am heutigen Morgen.

Obgleich ich kein Wort sprach, konnte es einem Beobachter nicht schwerfallen, mein freudiges Entzücken zu bemerken. Lasana hatte die breitrandigen Blätter mit dem Frühstück niedergelegt, ging aber nicht hinaus. Mit erhobenem Haupt stand sie in der Mitte der Hütte und freute sich schweigend über den Eindruck, den sie auf mich machte.

Ich brachte kein Wort heraus und fragte nur mit den Augen nach dem Grund dieser ungewöhnlichen Pracht. Sie hielt es nicht mehr aus und unterbrach das Schweigen.

„Heute ist ein großer Tag für mich”, flüsterte sie.

„Für dich auch?” platzte ich heraus. „Das ist schon der zweite Fall an diesem Morgen.”

„Heute ist mein Festtag”, wiederholte sie ernst.

„Doch nicht etwa wegen des Mukuari? Soviel ich weiß, nehmen keine Frauen daran teil, sondern nur die Männer.”

„Nein.. . Ich ziehe um.”

„Wohin, Lasana?”

„In deine Hütte.”

Ich sah ihr in die Augen. Es war keine Spur von Spott darin zu entdecken. Sie hatte es so ruhig und sicher ausgesprochen, als handle es sich um eine Kleinigkeit.

„Gut. Das ist gut so.” Ich fiel in den gleichen sachlichen Ton. „Meine Hütte ist geräumiger als eure, sie bietet. . .”

„Das ist es nicht’, unterbrach sie mich und schüttelte den Kopf. „Von heute abend an bin ich deine Frau.”

„Hoho, sieh einmal an! So ganz im geheimen hast du die Anordnungen getroffen und niemand um die Zustimmung gefragt?” „Doch, ich habe gefragt.”

„Wen, mich?”

„Ich habe mit Manauri gesprochen. Er ist einverstanden.”

„So, er ist einverstanden! Und ich? Mich braucht man nicht zu fragen, wie?”

„Dich. . . Du hast doch . . . Ich dachte, Jan. . .”

Sie war ratlos und geriet völlig aus der Fassung. Nun führte ich sie an der Nase herum und tat, als habe mich ihre Absicht äußerst überrascht. Mein verwundertes Gehaben mußte fast beleidigend wirken. Sie wußte sich dieses Benehmen nicht zu erklären. Allerdings war es nicht zum erstenmal, daß sie ihre ge-

wohnte Sicherheit verlor. In ihren Augen zeigten sich Fünkchen aufsteigender Empörung. Endlich sprach sie: „Wenn du mir deine Hütte verweigerst, so kann ich ...”

„Aber nein, ich bitte dich!” Ich heuchelte erbarmungslosen Spott. „Natürlich kommst du zu mir. Du kannst dann das Essen hier zubereiten und brauchst es nicht von draußen hereinzutragen. Das ist besser so.

Eine senkrechte Falte auf der Stirn der jungen Frau zeigte an, daß ein Gewitter im Anzug war. Der ehrliche Zorn und das schmerzliche Empfinden, das ihr braunes Gesicht widerspiegelte, ließen sie nicht weniger schön erscheinen.

„Mein Essen wird dir immer schmecken, du sollst bei mir nicht hungern”, erwiderte sie mit beleidigter Stimme, fügte jedoch angriffslustig und mit blitzenden Augen hinzu: „Und deine Söhne, Weißer Jaguar, die werde ich so füttern, daß stattliche Krieger aus ihnen werden. Wenn du es nicht glaubst, dann sieh her!”

Sie schob die Blumengewinde zur Seite, die von ihrem Hals herabhingen, und deutete mit einer erregten Gebärde, die in ihrer Natürlichkeit und unschuldigen Anmut ergreifend wirkte, auf ihre gesunden, vollen Brüste.

Ich brachte es nicht über mich, den Bogen noch weiter zu spannen. Mit einem Sprung war ich an ihrer Seite, lachte ihr zu und fuhr mit der linken Hand in ihr lockiges Haar. Ich schüttelte sie leicht und drückte ihre Wange an die meine.

„Nicht erst heute abend wirst du meine Frau werden”, flüsterte ich. „Jetzt, von diesem Augenblick an will ich dein Mann sein!”

Als ich sah, mit welcher unbeschreiblichen Erleichterung sie meine Worte aufnahm, fügte ich scherzend hinzu: „Aber eines mußt du mir versprechen: Über ernste Dinge werden wir stets gemeinsam entscheiden.”

Im Palmenhain wurde für die Ältesten ein Toldo aufgebaut. Von hier aus konnte man, im Schatten des breiten Daches sitzend, den Verlauf der Festlichkeit gut verfolgen. Gegen Mittag machte ich mich in Gesellschaft Lasanas auf, um das Schauspiel zu ge-

nießen. Nach den Gesetzen des Brauches war es Frauen nicht gestattet, sich dem Schauplatz zu nähern, doch ihr, die außergewöhnliches Ansehen genoß, standen auch außergewöhnliche Rechte zu. Jeder in Kumaka wußte bereits, daß heute „ihr” Tag war, und alle bedachten sie mit wohlwollenden und achtungsvollen Blicken.

Der Mukuari war seit Stunden in vollem Gange. Dieser Tanz hatte nur wenig mit den üblichen Tanzzeremonien gemeinsam, und wenn auch die Teilnehmer nach dem dröhnenden Takt der Trommeln tänzerische Bewegungen ausführten, so bestand doch das eigentliche Wesen des Tanzes in etwas anderem, nämlich im

gegenseitigen Austeilen von Schlägen. Die Tänzer trugen mannigfaltige Masken und schlugen während des Tanzens mit dornenbesetzten Ruten aufeinander ein. Das Ziel der Festlichkeit war klar: Einmal sollte die Seele des Toten besänftigt werden, indem ihr vor Augen geführt wurde, welch großes Leid dessen Hinscheiden Lebenden bereitet habe, zum andern — und das war das Hauptanliegen — sollten die ständigen Schläge die Seele von den Menschen fernhalten, falls sie diesen gegenüber böse Absichten hegte. Alle erwachsenen Männer mußten an dem Tanz teilnehmen der ohne Unterbrechung den ganzen Tag währte.

Die sich windenden und schlagenden Ungeheuer vor Augen, den keinen Augenblick verstummenden aufpeitschenden Rhythmus der Trommeln im Ohr, war niemand fähig, sich dem Eindruck entziehen, den das Schauspiel hervorrief. Es riß alle Anwesenden mit wie ein Wirbel, beherrschte die Seelen und rief eigenartige Stimmungen wach. Die Menschen standen völlig im Banne des Geschehens.

Nachdem ich lange den Tänzen zugesehen hatte, fragte ich Ma nauri, der neben mir saß: „Alle müssen den Mukuari tanzen? Gibt es keine Ausnahme?”

"Nein! Alle, die dem Knabenalter entwachsen sind, müssen daran teilnehmen. Ich habe am frühen Morgen getanzt, gleich zu Beginn"

„Und ich?”

„Du, Jan?” Er überlegte.

Unter dem Toldo saßen noch mehrere Älteste, Mabukuli, das Haupt der Schildkrötensippe, Jaki, der Häuptling der Arakangas, und Konauro, der Älteste der Kaimansippe. Sie begannen die Frage zu erörtern, ob ich verpflichtet sei, am Tanz teilzunehmen, oder nicht. Sie konnten zu keinem klaren Urteil gelangen. Zwar war die Seele des toten Zauberers mächtig gewesen, und er hatte alle Böswilligkeiten aufgeboten, um mich zu vernichten, doch hatten sich eben meine Zauber als die stärkeren erwiesen und ihn schließlich überwunden. Sollte mir die Seele des Zauberers jetzt noch gefährlich werden können?

„Sie kann ihm nichts anhaben”, antworteten einige der Ältesten, die von meiner Macht überzeugt waren, andere wiegten den Kopf hin und her.

Lasana, die hinter mir saß, verfolgte das Gespräch sehr aufmerksam, ohne selbst ein Wort zu sagen. Ich drehte mich um und richtete die Frage an sie: „Und du, was meinst du dazu?”

„Es ist deine Pflicht, zu tanzen”, erwiderte sie ohne Zögern. „Du glaubst, daß seine Seele mir Schaden zufügen könnte?’ „Das glaube ich nicht. Seine schmutzige Seele kann dem Weißen Jaguar nichts anhaben”, erklärte sie mit Bestimmtheit. „Warum soll ich also tanzen?”