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„Um zu beweisen. . .”, sie schwieg einen Augenblick und suchte nach den geeigneten Worten, „daß du mit Leib und Seele zu uns gehörst.”

Ein Murmeln der Anerkennung lief durch die Reihen der Ältesten, und einer sprach die lobenden Worte: „Eine kluge Frau!” „Also gut!” Ich war einverstanden und forderte Lasana auf, das Jaguarfell herbeizubringen.

Nachdem sie zurückgekehrt war, streifte ich das Fell über und band mir eine Liane um die Hüfte, damit sich die Hülle während des Tanzens nicht vom Körper löse. Mein Kopf verschwand im Schädel des Jaguars, nur vorn verblieb eine kleine Öffnung für die Augen und den Mund. Man reichte mir eine starke Gerte, doch verlangte ich noch eine zweite für die linke Hand.

„Gleich zwei ist auch gut’, willigte Manauri ein und belehrte mich: „Denke daran, je fühlbarer du einen triffst, um so besser und schützender ist es für ihn.”

Die Tänzer wünschten mir sichtlich den „allergrößten Schutz”, denn kaum hatten sie am Fell des Jaguars erkannt, wer in ihren Kreis getreten war, als mich mehrere zugleich umsprangen. Ich hielt sie mir vom Leibe, so gut ich konnte, und bedachte diesen und jenen ärgerlich mit einem derben Streich. Dennoch empfing ich selbst genügend Prügel. Das Fell reichte mir nur bis zu den Waden, die Füße waren nackt. Die Indianer hatten meine schwache Seite bald entdeckt und vereinigten ihre Bemühungen nun auf diese Stelle. Um wenigstens einigen Hieben zu entgehen, sprang ich wie rasend nach allen Seiten, ohne dabei aus dem von den Trommeln angezeigten Takt zu fallen.

Trotz des scheinbaren Durcheinanders verlief der Tanz in einer festen Ordnung. Die Tänzer bewegten sich in einem Kreis von etwa dreißig Schritt Durchmesser. Wer den Kreis einmal um-tanzt hatte, war seiner zeremoniellen Pflicht nachgekommen. Als ich daher wieder vor dem Toldo angelangt war, teilte ich wütend links und rechts die letzten Hiebe aus und brachte mich dann mit einigen großen Sprüngen in Sicherheit.

Als wollten mir die Trommeln danken, verstärkten sie für kurze Zeit ihr Dröhnen und steigerten sich zu einem wahnsinnigen Tempo; dann kehrten sie zu dem gewohnten Rhythmus zurück, und ich nahm wieder meinen Platz unter dem Toldo ein. Alle spendeten mir Lob.

Am glücklichsten war Lasana, sie war zutiefst bewegt. Meine Füße waren an vielen Stellen aufgerissen, auch auf der Wange klafften zwei tiefe Schnitte. Während die Risse an den Füßen von selbst zu bluten aufhörten, entfernte Lasana mit der Zunge so oft das Blut von meiner Wange, bis die Wunden eintrockneten. Als ich sie so betrachtete, wie sie sich besorgt zu mir herabneigte, schweiften meine Gedanken um einige Wochen zurück. Damals hatte sie das Schlangengift aus meiner Wunde gesaugt und mir das Leben gerettet. Plötzlich überkam mich ein so starkes Zärtlichkeitsgefühl für diese Frau, daß ich mich gewaltsam zurückhalten mußte, um sie nicht in den Arm zu nehmen und an mich zu pressen.

In diesem Augenblick traten mehrere Indianer zu uns heran und fragten die Ältesten, wer nun die Stelle des Zauberers einnehmen solle.

„Sobald der Mukuari beendet ist’, antwortete Manauri, „rufen wir alle Bewohner Kumakas zur Beratung und beschließen, wen wir als Zauberer haben wollen.”

„Wir wissen bereits, wen wir haben wollen”, brüsteten sich die Krieger. „Wir wollen Arasybo.”

„Wir müssen auch die Einwohner Serimas fragen”, gab der Oberhäuptling zu bedenken.

„Es gibt niemand in Serima, der sich dafür so eignen würde wie Arasybo”, entgegneten die Männer überzeugt. „Wir wollen Ara-sybo. Oder hast du etwas gegen ihn, Manauri?’

Der Tanz hatte die Indianer erregt, sie waren erhitzt und eigensinnig. Manauri warf mir einen fragenden Blick zu.

„Muß denn überhaupt ein neuer Zauberer gewählt werden?” fragte ich mit biederer Miene.

„Auf jeden Fall, er muß gewählt werden”, versicherten alle. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, daß der Stamm keinen Zauberer haben solle.

„Ich bin überzeugt, daß für uns, für die Sippe des Weißen Jaguars, ein Zauberer überflüssig ist”, sagte ich laut.

„Ja, für unsere Sippe”, entgegnete Manauri und spitzte ein wenig die Lippen.

Die Häuptlinge der übrigen Sippen nahmen diese Worte mit gemischten Gefühlen auf. Sie empfanden sie als überheblich, und Mabukuli, der Häuptling der Schildkrötensippe, sonst ein enger Freund Manauris, stellte diesem aufgeregt und angriffslustig die Frage: „Du bist also der Meinung, die anderen Sippen sind schlechter als eure?”

„Nein, Mabukuli, sie sind nicht schlechter, aber unsere Sippe hat größere Erfahrungen. Sie mußte in der Sklaverei schwere Prüfungen bestehen und ist zu einer festen Gemeinschaft geworden, das kannst du nicht leugnen.”

„Ich habe nicht die Absicht, das zu leugnen”, lenkte Mabukuli knurrend ein.

Manauri sah wieder zu mir herüber und fragte mich dann: „Was meinst du also, Weißer Jaguar?”

„Wenn der Stamm einen Zauberer haben muß, wie alle hier behaupten, dann kommt Arasybo als erster dafür in Frage, erklärte ich zur allgemeinen Befriedigung der Krieger.

„Auch ich bin dieser Ansicht”, pflichtete mir Manauri bei.

Froh, ihren Wunsch erfüllt zu sehen, liefen die Indianer auseinander, und kurz darauf wußte bereits ganz Kumaka, daß Arasybo der neue Zauberer des Stammes sein werde.

Unter dem Toldo herrschte Schweigen. Aus dem Gesicht Ma-nauris war die Fröhlichkeit verschwunden, er machte einen müden Eindruck. Während er mit den Augen die Bewegungen der Mukuaritänzer verfolgte, schienen seine Gedanken sich mit Dingen zu beschäftigen, die weitab von dem Geschehen im Palmenhain lagen. Er verspürte einen Vorgeschmack von den Schwierigkeiten, die er auf dem dornigen Pfad des Stammeshäuptlings zu erwarten hatte. Nach einiger Zeit beugte er sich zu mir herüber und flüsterte: „Es hat schon begonnen. Arasybo lenkt die Menschen, wie er sie haben will.” Ich hörte das Klagende aus seiner Stimme heraus.

„Arasybo bleibt dir treu”, erwiderte ich überzeugt.

„Wie lange?” Um seine Mundwinkel spielte ein bitteres Lächeln. Wie ich schon einmal erwähnte, hinterließ der Mukuari bei allen, die diesem Tanz längere Zeit zusahen, einen tiefen Eindruck. Die Menschen unterlagen einer Art Betäubung und versanken in einen traumähnlichen Zustand des Nichtstuns, der süß und quälend zugleich war. Ich versuchte, die Ursache dafür zu er-gründen, und erkannte, daß der Mukuari auch ein berauschendes, zügelloses Spiel der prachtvollsten Farben darstellte. Masken und Gewänder der Tanzenden waren größtenteils aus Vogelfedern geflochten. Der ganze bunte Reichtum der Natur war auf diesem Tanzplatz eingefangen. Eine unbeschreibliche Fülle funkelnder Farbtöne wogte auf und ab und bezauberte Auge und Sinne der Menschen.

Als ich meine Gefährten darauf hinwies und nicht mit bitteren Vorwürfen sparte, daß zur Versöhnung des toten Schuftes Kara-pana so viele schöne Vögel des Waldes ihr Leben lassen mußten, gaben mir die Ältesten mit aufrichtigem Bedauern recht, breiteten aber zum Zeichen der Ratlosigkeit die Hände aus, und Jaki, der Häuptling der Arakangasippe, erwiderte halb scherzend, halb ernst: „Wie du siehst, ist es eben das Los der Vögel, die Menschen zu Feinden zu haben.”

„Die Menschen Feinde der Vögel?” rief ich verwundert aus.

„So ist es.” Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Die Vögel haben sich schwer vergangen an den Menschen.”

„Es ist sonderbar, was du da behauptest, Jaki!”

„Es ist auch eine sonderbare Geschichte. Wenn du Lust hast, will ich sie dir gern erzählen.”

Er kam näher heran und ließ sich unmittelbar vor Lasana nieder. Die Gedanken sammelnd, strich er sich mit der Hand über Mund und Kinn. Endlich begann er: „Wie du weißt, leitet sich unsere Sippe von den Arakangas ab, und du hast schon mehr als einen dieser Vögel gesehen und deren schönes Gewand bewundert. Es sind die größten unter unseren Papageien, ihr Gefieder ist scharlachrot wie frisches Blut, und ihre Flügel sind blau wie der strahlend weite Himmel. Dieser Vogel, das Zeichen unserer Sippe, gilt als der kühnste, und wie er seine Kühnheit bewies, das sollst du nun hören.”