Выбрать главу

Und Jaki erzählte mir folgende Geschichte: „Vor langen, langen Zeiten war das Leben einfach, alle Vögel waren gleichmäßig grau gefärbt, und zwischen den Menschen und den Tieren herrschte brüderliche Eintracht. Alle lebten wie eine große Familie. Und doch gab es einen Feind, der dieses friedliche Leben bedrohte — eine riesengroße Wasserschlange, ein Untier mit wunderbar bunt gefärbtem Körper, das von einer unglaublichen Freßgier besessen war. Es verließ oft das Dunkel des Wassers, kroch auf das Land und richtete unter den Tieren und unter den Menschen schreckliche Verheerungen an, indem es alles auffraß, was ihm in den Weg kam.

Eines Tages war das Maß des Leides voll, und es entstand der verzweifelte Gedanke, das Scheusal zu töten. Doch, wie schon gesagt, war die Schlange riesengroß und von unüberwindlicher Kraft. Wer sollte also als erster dem allgewaltigen Beherrscher entgegentreten? Dem Verwegenen winkte als Lohn die schöne, schillernde Haut des Untiers, doch hatte jeder Angst um seine eigene Haut und zögerte. Die Menschen verließen sich auf die Tiere, die Tiere auf die Vögel; alle gaben sich gegenseitig gute Ratschläge und spornten einander an, doch wollte keiner als erster zuschlagen. Es war eine Schande, diese Mutlosigkeit zu sehen und alle die feigen Ausflüchte anzuhören.

Schließlich konnte der tapfere Arakanga die Schmach nicht mehr ertragen und meldete sich freiwillig.

,O Arakanga', kreischten die Adler und die Geier schmeichelnd, ,du hast einen starken Schnabel, dir wird es am ehesten gelingen, du bist ein Held!'

,Tapferer Arakanga', ließen sich die Menschen vernehmen, ,du erwirbst dir Ruhm für ewige Zeiten!'

Sie schmeichelten seinem Stolz, priesen ihn himmelhoch, lobten und feierten ihn, damit er als erster die Schlange angreifen solle. Er wäre aber auch ohne die schönen Worte gegangen, denn er besaß ein tapferes Herz.

Der Arakanga wartete einen Augenblick ab, in dem das Untier dicht unter der Oberfläche des Wassers schlief, nahm einen Pfeil in den Schnabel, der am Ende eines langen Strickes befestigt war, holte tief Luft, tauchte und stieß den Pfeil tief in den Körper des Würgers. Die am Ufer versammelte Menge begann aus allen Kräften an der Leine zu ziehen, und es gelang den Menschen tatsächlich, die Schlange ans Ufer zu bringen. Dort fielen sie in Haufen über den Feind her und töteten ihn.

Als das Ungetüm zu ihren Füßen lag, blinkte seine Haut in allen Farben des Regenbogens, als wäre sie mit Edelsteinen besetzt. Alle betrachteten sie mit begehrlichen Blicken, am gierigsten waren die Menschen. Sie waren es, die trotz der Abmachung die Schlangenhaut für sich gewinnen wollten, und als der Arakanga seinen Lohn verlangte, fuhren sie ihn an: ,Du, ein Vogel, willst die schwere Haut dieser großen Schlange emportragen? Die überlasse uns, den Starken, und mach, daß du wegkommst!'

Der Arakanga aber wollte nicht auf seinen Lohn verzichten. Er rief viele andere Vögel zu Hilfe, und mit vereinten Kräften konnten sie das tote Scheusal an eine entlegene Stelle entführen. Flüche und laute Racheschwüre der wütenden Menschen schollen hinter ihnen her.

Die Vögel, die bis dahin, wie bereits bekannt, alle das gleiche graue Gefieder trugen, zerlegten die erbeutete Haut in lauter kleine Stücke, die gerecht verteilt wurden. Jede Gattung erhielt ein oder mehrere Teile, um sich damit auszustatten. Daher haben die Vögel ihr buntes Kleid, und der farbenprächtigste ist der Arakanga, weil er, wie er es verdient hatte, die schönsten Stücke der Haut erhielt.

Die wütenden Menschen aber konnten ihren Zorn nicht vergessen und rächten sich lange Zeit an den Vögeln, indem sie diese auf Schritt und Tritt verfolgten. Auch heute noch, obwohl der Rachedurst inzwischen geschwunden ist, stellen die Jäger eifrig den Vögeln nach, und wenn sie einen erblicken, so ist ihr erster Gedanke, wie sie ihn erlegen können.

So verhält es sich”, schloß Jaki seine Erzählung, deutete auf die bunten Federgehänge, mit denen die Masken der Tanzenden überzogen waren, und fügte hinzu: „Und hier, Weißer Jaguar, hast du die Nachkommenschaft jener heldenhaften und traurigen Ereignisse vor Augen: Die Vögel besitzen ein buntes Gefieder, und die Menschen töten die Vögel, wo sie können. Wir von der Ara-kangasippe, die den Vögeln zugetan ist, sind leider nicht imstande, die Menschen davon abzubringen."

Jaki war ein guter Erzähler, und alle unter dem Toldo hörten ihm aufmerksam zu, obgleich ihnen die alte Fabel sicher nicht fremd war. Als er geendet hatte, fühlten wir uns angenehm belebt, und Manauri ließ Kaschiri bringen, um die Kehlen zu spülen. Das eigentliche Trinkgelage sollte erst am nächsten Tage beginnen, wenn der Mukuari vorüber war.

Immer öfter betrachtete Manauri Lasana und mich mit eigenartigen beredten Blicken, wobei ein schlaues Lächeln seine Lippenumspielte. Schließlich sprach er: „Heute erleben wir den Festtag unserer beiden Freunde hier. Lasana hat mich aber inständig gebeten, diesen Tag so bescheiden wie möglich, ohne die üblichen Feierlichkeiten, verlaufen zu lassen — und ich habe zugestimmt. War es richtig, daß ich dazu meine Zustimmung gegeben habe?”

„Du möchtest uns wohl gern der Ameisenprobe unterwerfen, wie?” rief Lasana spöttisch und herausfordernd.

„Wenn auch nicht der Ameisenprobe, so doch einigen kleinen Zeremonien.”

„Denke daran, Häuptling’, unterbrach sie ihn, „daß er fremd ist und unsere Zeremonien nicht für ihn geschaffen sind.”

„Hast du nicht gesehen, wie er vor einer Weile selbst aufsprang und wie schön er den Mukuari tanzte? Er soll fremd sein?”

Den Tanz hatte ich getanzt, fremd war ich nicht, das mußte sogar Lasana zugeben. Übrigens drängte Manauri nicht weiter und ging auf ein anderes Thema über. Er benahm sich etwas rätselhaft und erklärte, daß auch er uns mit einer Erzählung erfreuen möchte. Ohne Umschweife begann er:

„Der große Jäger und Urvater der Arawaken, Makanauro, stellte einmal voller Empörung fest, daß ein verwegener Geier ihm stets

das Wild aus den Netzen stahl. Da beschloß er, den Räuber zu bestrafen, und legte sich auf die Lauer. Als der junge Königsgeier wie gewöhnlich herbeigeflogen kam, um die sichere Beute zu fassen, sprang Makanauro aus seinem Versteck und ergriff ihn. Doch kaum hatte er den Vogel mit seiner Hand berührt, da verwandelte sich dieser in ein schönes Mädchen, das ihm liebreich zulächelte.

Freudestrahlend nahm der Jäger die Gefangene mit sich und machte sie zu seiner Frau. Beide entbrannten in Liebe zueinander und waren glücklich. Obwohl sich Makanauro wie im Paradies fühlte, mahnte ihn nach einiger Zeit sein Gewissen immer stärker, daß er mit dieser Frau ohne Wissen und ohne Einverständnis ihrer Eltern lebe — so groß war schon damals die Achtung der Arawaken von den geheiligten Bräuchen und Grundsätzen. Da auch die Frau von großer Sehnsucht nach den Ihren erfüllt war, machten sie sich eines Tages auf den Weg in ihre Heimat.

Die junge Frau des Jägers hatte nur noch die Mutter. Es war Akatu, die strenge Gebieterin über alle Königsgeier. Makanauro wurde an ihrem Hof nicht gerade freundlich empfangen und mußte schwer arbeiten, um sich das Herz der Schwiegermutter zu erkaufen. Er schaffte so viel Wild aus dem Wald herbei, daß alle Geier sich fettfraßen und ständig Gastmähler auf seine Kosten veranstalteten. Akatu genügte dies nicht, sie wollte den ihr widerwärtigen Schwiegersohn loswerden und forderte deshalb von ihm die Erfüllung mehrerer Aufgaben, die weit über die menschlichen Kräfte hinausgingen. Makanauro war aber nicht nur ein über alle Maßen geschickter und erfahrener Jäger, sondern auch ein Zauberer. So kam es, daß er auch den Auftrag erfüllte, in einem geflochtenen Korb Wasser aus dem Fluß herbeizutragen. Die Waldameisen eilten ihm zu Hilfe, verklebten die Öffnungen des Geflechts mit Lehm, so daß kein Tropfen Wasser herauslief Dann wurde ihm die Aufgabe gestellt, einen bestimmten Waldstreifen abzuholzen, und zwar in einer so kurzen Zeit, daß fünf starke Männer damit nicht fertig geworden wären. Er machte sich an die Arbeit, und da ihn wiederum verschiedene Tiere des Waldes unterstützten, die großen Käfer, die Igel, die flinken Spechte und viele Nagetiere, so erfüllte er auch diese Aufgabe. Schließlich befahl Akatu, er solle ein getreues Abbild ihres Kopfes schaffen, was unmöglich war, da sie in ihrer Hängematte lag und den Kopf ständig unter einer Decke verborgen hielt. Wiederum waren es die dem Jäger freundlich gesinnten Ameisen, die herbeieilten und Akatu am ganzen Körper fürchterlich zu beißen begannen. Als sie es nicht mehr aushielt und ungeduldig die Decke lüftete, konnte er ihr Gesicht erblicken und schnitzte es geschickt aus einem Stück Holz.