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Er erfüllte alle Verpflichtungen, die ihm als Schwiegersohn aufgetragen wurden, und er tat es gern, da er der Schwiegermutter das Recht zuerkannte, für die Tochter einen bestimmten Kaufpreis zu verlangen. Nun war den Gesetzen des Brauches Genüge getan. Akatu aber, die keine Möglichkeit mehr hatte; ihm die Tochter zu verwehren, konnte sich damit nicht abfinden und beschloß, ihn zu töten. Durch eine List lockten ihre Geier den Jäger in eine hohe Einfriedung, um ihn mit ihren Schnäbeln zu zerfleischen. Nur weil er sich im letzten Augenblick in eine Fliege verwandelte und unbemerkt davonfliegen konnte, kam er mit dem Leben davon."

„Und seine schöne Frau? Konnte er sie mitnehmen?’ fragte ich. „Nein”, antwortete Manauri, „die war für ihn verloren. . . Diese Geschichte ist sehr lehrreich, denn sie führt uns nachdrücklich vor Augen, welche großen und ernsten Verpflichtungen ein Neuvermählter bei uns den Eltern des erwählten Mädchens gegenüber besaß und auch heute noch besitzt. . . und auch gegenüber den Ältesten ihres Stammes”, fügte er mit schalkhaftem Augenaufschlag hinzu.

Es bedurfte keiner weiteren Anspielung, ich hatte den Sinn der Geschichte verstanden, und mir war klargeworden, daß ich verpflichtet sei, den Ältesten für Lasana ein Geschenk zu überreichen. Aber was für ein Geschenk? Was war das Wertvollste, das

ich besaß? Mein Blick fiel auf die silberne, mit Edelsteinen ausgelegte Pistole, die in meinem Gürtel steckte. Ich zog sie heraus, überreichte sie Manauri und sagte: „Ich bitte dich, nimm sie! Leider besitze ich nichts Wertvolleres und wüßte nicht, was mir teurer wäre. Ich schenke sie dir gern.”

Die Häuptlinge waren so überrascht, daß sie mit der Zunge schnalzten. Die Pistole war ein ungewöhnlich schönes Stück handwerklicher Kunst und von unschätzbarem Wert. Selbst Manauri war bestürzt, sein schalkhaftes Lächeln erstarb, sein Gesicht färbte sich dunkel vor Verlegenheit. Mit einer abwehrenden Bewegung wich er zurück.

„Die Hand soll mir abfallen, wenn ich das von dir annehme!” rief er aus.

„Und der arawakische Brauch? Die Pflicht des Neuvermählten?” erwiderte ich starrsinnig.

Manauri richtete sich auf. Stolz, tadelnd und etwas aufgeregt erklärte er streng: „Du hast deine Verpflichtung schon lange erfüllt, und zwar mit Zinsen und Zinseszinsen! Du hast den Arawaken mehr gegeben als den hundertfachen Wert dieser prachtvollen Pistole.”

„So viel?” Ich mußte lachen.

„Du hast uns deine Freundschaft geschenkt.”

„Und deinen weisen Rat und deinen starken führenden Arm”, beeilte sich Konauro zu versichern.

„Nicht du schuldest uns etwas, sondern wir sind dir verpflichtet’, ergänzte Mabukuli.

„Vielleicht werdet ihr noch behaupten, daß ein Mädchen zuwenig ist für mich”, rief ich scherzend.

„Jawohl, ein Mädchen ist zuwenig”, pflichtete Manauri lebhaft bei.

„Halt, halt!” widersetzte sich Lasana. „Ein schöner Oberhäuptling, der solchen Unsinn redet!”

Wir lachten und waren alle guter Dinge. Ich schob die Pistole wieder in den Gürtel.

Jaki gab zu erkennen, daß auch er etwas sagen wolle. Wir wandten uns ihm zu. Er maß den Oberhäuptling mit einem kritischen Blick und begann: „Alles ist richtig, was Manauri erzählt hat, nur das Ende dieser Ehe war ein wenig anders.”

„Hat sich der Jäger nicht in eine Fliege verwandelt? Gelang es ihm nicht, zu entkommen?”

„Doch, er hat sich verwandelt und ist auch entkommen. Aber etwas sehr Ernstes hat uns Manauri verschwiegen.”

„So sag es schon, Jaki, was er verschwiegen hat!”

„Die Sage berichtet, daß die schöne Frau den Jäger schändlich verraten hat. Sie unterlag den Einflüsterungen der Mutter und der übrigen Geier und war mit ihnen einig, daß er getötet werde. Oder war es nicht so?”

„Es stimmt. Genauso war es”, bekannte Manauri.

„Und erst hat sie ihn geliebt! So eine niederträchtige Schlange!” entrüstete ich mich zum Scherz. „So sind eure Frauen also?”

„Ja, auch solche gibt es”, bemerkten die Häuptlinge bissig, und wieder herrschte übermütige Heiterkeit in der Runde.

Lasana antwortete nicht gleich, die anzüglichen Sticheleien schienen sie beleidigt zu haben. Erst nach geraumer Zeit legte sie zart die Hand auf meine Schulter und sagte so laut, daß es die Häuptlinge hören mußten: „Jan, höre nicht auf ihre Worte, es sind quakende Frösche, die selbst ausschweifende und schmutzige Gedanken im Kopf haben. Sie haben dir Stammesgeschichten erzählt, die von ebenso übermütigen Nichtsnutzen ersonnen wurden, wie sie selbst es sind. Wieviel Wahres kann daran schon sein? Ich könnte dir eine ganze Reihe von Begebenheiten erzählen über Frauen, die bis in den Tod treu waren, und von ehrbaren liebenden Mädchen, die einer Liebe fähig waren, von der die kaltblütigen Kröten dort überhaupt keine Ahnung haben.”

Die Häuptlinge nahmen die abfälligen Äußerungen Lasanas mit wohlwollendem Verständnis auf und baten sie selbst, sie möge doch etwa Schönes und Liebes erzählen.

„Möchtest du die Geschichte von der Tochter des Zauberers

hören, die einmal in einen Jäger verliebt war?” wandte sie sich an mich.

„Recht gern.”

Und Lasana begann mit ihrer wohlklingenden, tiefen Stimme: „Wawaja, die liebliche Tochter des Zauberers, besaß, obgleich sie noch ein halbes Kind war, ein leidenschaftliches Herz. Sie hatte sich über alle Maßen in einen jungen, tapferen Jäger verliebt, war aber so verschämt, daß sie ihm ihre Liebe in keiner Weise zu verstehen gab und er nichts davon ahnte. Junge Mädchen verlieben sich leicht, doch verlieren sie ihre Gefühle auch schnell. Bei Wawaja aber war es anders. Je länger ihre Neigung währte, um so stärker wurde sie. Wawaja verzehrte sich in Sehn-sucht, und als diese unerträglich wurde, gingen ihr allerlei unsinnige Gedanken durch den Kopf. Um der Trennung ein Ende zu setzen, um den Geliebten ständig sehen und ihm dienen zu können, kam sie schließlich zu einem ungewöhnlichen Entschluß: Sie bat ihren Vater, den Zauberer, er möge sie in einen Hund verwandeln, um immer an der Seite des Jägers sein zu können. Der. Vater schalt sie und suchte sie davon abzubringen, doch als er nach einiger Zeit gewahrte, daß sie vor Sehnsucht dahinsiechte, erfüllte er ihr den Wunsch und verwandelte sie in einen Hund.

Sie schloß sich der Koppel des Jägers an. Da sie verständiger war als die anderen Hunde und jede Absicht ihres Herrn sofort erriet, gewann dieser sie sehr bald lieb und streichelte sie oft. Wenn der Jäger nach der Rückkehr von der Jagd in der Hütte ausruhte, legte sie den Kopf auf sein Knie und konnte ihm stundenlang in die Augen schauen. Sie hatte nur einen Fehler: sie war unfolgsam und hatte eigenartige Angewohnheiten. Einige Stunden vor dem Ende des Streifzuges verschwand sie regelmäßig wie der Blitz im dichten Gebüsch und kam nicht wieder zum Vor-schein.

Im Urwald, der voller Dämonen steckt, geschieht manches Verwunderliche, und auch in der Hütte des Jägers ereigneten sich jetzt absonderliche Dinge. Wenn er aus dem Wald zurückkehrte, war die Hütte sauber ausgefegt, das Feuer loderte, und noch heiße, frisch gebackene Maniokafladen lagen bereit. Kurz darauf tauchte auch der Hund wieder auf, und obgleich er für seinen Ungehorsam jedesmal eine Tracht Prügel erhielt, bezeigte er außerordentliche Freude und sprang an seinem Herrn empor.