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„Sobald es Tag wird.”

Das waren erfreuliche Nachrichten, die eine friedliche Zukunft ohne Zwistigkeiten verhießen, falls es uns gelang, die von den Akawois drohende Gefahr, wenn sie wirklich vorhanden war, glücklich abzuwenden.

„Sind die Bewohner Serimas über das Auftauchen der Akawois unterrichtet?”

„Ja. Sie werden äußerst wachsam sein.”

Ich sagte Fujudi, er solle noch einige Stunden schlafen, und kontrollierte die Wachen. Alle waren auf ihrem Posten. Auch dem Palmenhain stattete ich einen Besuch ab. Ein Teil der Krieger tanzte noch immer den Mukuari, und die Trommeln schickten ihr rhythmisches Dröhnen in die Dunkelheit. Die Nacht verging ohne besondere Vorfälle.

Als der Morgen graute, war ganz Kumaka auf den Beinen. Ich stellte die Wachen so weit wie möglich vor der Siedlung auf und sandte Gruppen besonders gewandter Jäger und Fischer auf Erkundung in den Urwald und den Itamaka flußaufwärts.

Bald herrschte vor den Hütten der acht Akawois lebhaftes Treiben. Es war ein heiterer Morgen, und die Händler legten den Inhalt ihrer Säcke auf der Erde aus, daneben stießen sie ihre Speere und Keulen in den Boden. Die Keulen waren eigenartig geformt, sie glichen riesigen Dolchen.

Was gab es da nicht alles! Kleine Töpfe mit dem wertvollen Gift Urari, das von den am Fuße der Pacaraimaberge lebenden Makuschis stammte, dahinter lagen verschiedene Halsketten und andere aus Jaguar-, Kaiman- und Affenzähnen hergestellte Schmucksachen sowie eine Anzahl seltener Früchte. Es war die reinste Augenweide. Dabaro erläuterte unseren Männern und Frauen bereitwillig, woher die einzelnen Dinge kamen: diese von den Karibisen, jene von den Wipisanas, andere von den Arekunas und einige Sachen sogar von den Arawaken, die am Essequibo lebten.

Besonders ins Auge fielen blinkende, bunte Glasperlen verschiedener Größe, die sichtlich europäischen Ursprungs waren; an ihnen konnten sich die Leute aus Kumaka gar nicht satt sehen. Ferner gab es holländische Tücher aus Baumwolle, Äxte, die gleichfalls aus Holland stammten, und viele Arten von Messern, große und kleine, darunter auch solche, die mir bekannt vorkamen. Als ich eins davon in die Hand nahm, um es näher zu betrachten, entdeckte ich den eingestanzten Namen Liverpool. Ich hatte das Gefühl, als striche ein heimatlicher Wind um meine Wangen und lasse mein Herz freudig erbeben.

Dabaro — er trug als auffälligsten Schmuck ein silbernes Plättchen, das von seiner durchlöcherten Unterlippe herabbaumelte und etwa die Größe eines Talers hatte — bemerkte mein Interesse für die englischen Erzeugnisse. Er trat zu mir heran, deutete auf das Messer und erklärte mir: „Das stammt aus den Faktoreien deiner Landsleute am Essequibo, von den Paranakedis — den Engländern.”

„Woher weißt du denn, daß ich ein Engländer bin, wenn es dir hier niemand erzählt hat?” stellte ich ihn zur Rede.

Auf dem bisher verschlossenen und düsteren Gesicht des Aka-wois erschien ein breites Lächeln.

„Zwischen dem Orinoko, dem Essequibo und dem Cuyuni gibt es zwar viele Berge und mächtigen, dichten Urwald, doch erreichen uns Nachrichten und Neuigkeiten mit der Geschwindigkeit des Sturmes, Weißer Jaguar.”

„Auch mein Beiname ist dir also bekannt?”

„Wie du hörst, ja.”

„Und was weißt du sonst noch über uns?”

„Alles”, antwortete er ernst, mit unbeweglicher Miene.

Während ich den Akawois zusah, die ihre Waren mit dem Geschick erfahrener Händler zur Schau stellten, und meinen Blick über die Vielfalt der mitgebrachten Gegenstände gleiten ließ, stiegen unwillkürlich Zweifel an unserem Verdacht in mir empor. Zwischen den Stämmen bestand ein lebhafter Tauschhandel, und möglicherweise waren diese acht wirklich Händler und keine Krieger, die feindliche Absichten hegten.

Plötzlich erhob sich im Norden eine schwarze Rauchsäule gegen den Himmel. In Serima wurden also die verseuchten Hütten verbrannt. Die nacheinander an verschiedenen Stellen aufsteigenden und sich über dem Urwald zu einer mächtigen Wolke vereinigenden Rauchschwaden boten einen überwältigenden Anblick. Da die Leute in Kumaka nichts von dem Auftrag der Ältesten wußten, wurden sie unruhig. Die Waren der Akawois fanden keine Beachtung mehr. Bald wurde die Vermutung laut, daß Serima überfallen worden sei, und obwohl der Name des Angreifers nicht genannt wurde, fiel heimlich mancher zornige Blick auf die acht Akawois. Einige rannten in panikartiger Hast zu ihren Hütten, um sich zu bewaffnen.

Die Akawois hatten gleichfalls die Rauchwolken bemerkt, und Dabaro verstand auch die unzweideutigen Vermutungen und Bemerkungen unserer Leute. Sie waren sichtlich verblüfft, ja mehr

noch, ihre Mienen schienen Zorn gegen die vermeintlichen Urheber des Überfalls auszudrücken; jedenfalls deutete ich den Aus-druck als Zorn. Sie begannen hastig ein halblautes Gespräch, und Fujudi, der sich in der Nähe aufhielt, spitzte unauffällig die Ohren.

Viel konnte er nicht hören, denn die Akawois tauschten nur einige kurze Erwägungen aus und verstummten wieder. Gleich darauf entfernte sich Fujudi, ein Weilchen später folgte ich ihm. An einer sicheren Stelle zwischen den Hütten holte ich ihn ein. „Hast du etwas gehört?” fragte ich.

„Kaum hatte Dabaro den Rauch erblickt, rief er den andern zu: ,Die Dummköpfe konnten es nicht erwarten, nun haben sie sich vorzeitig verraten.' Ein anderer antwortete ihm: ,Sie haben unseren ganzen Plan verdorben.”

„Dabaro war also der Meinung, daß Akawois Serima überfallen hätten?”

„So ist es. Sie flüsterten dann noch, daß sie sofort fliehen und sich zu unseren Booten am Seeufer durchschlagen müßten.”

„Das müssen wir auf jeden Fall verhindern! Lauf sofort zurück und gib laut bekannt, daß sich die Sache mit dem Rauch geklärt habe; in Serima werden die verseuchten Hütten niedergebrannt.” Er eilte zurück, erfüllte seinen Auftrag, und bald hatten die Einwohner Kumakas und die Akawois ihre Ruhe wiedergefunden.

Ich selbst schritt in Gedanken versunken auf die Hütte Ma-nauris zu. Nun gab es keine Zweifel mehr! Die Akawois waren mit einer größeren Abteilung gekommen, die sich irgendwo in der Nähe versteckt hielt. Auch war es sicher, daß sie böse Absichten hegten. Unausweichlich mußte es zu einer entscheidenden Auseinandersetzung kommen, das machte ich einige Minuten später auch Manauri und den übrigen Häuptlingen klar.

„Nur Wachsamkeit, offene Augen für alles und noch einmal Wachsamkeit können uns retten”, prägte ich ihnen ein. „Die Hütten Kumakas liegen verstreut und zu weit auseinander, sie lassen sich schlecht verteidigen. Alle Bewohner müssen daher in der Mitte des Dorfes zusammengezogen werden und hier verbleiben. Vergeßt nicht, Aripaj zurückzuholen!"

Währenddessen wurde weiter gehandelt, doch kamen die Geschäfte nicht recht vom Fleck, da die Akawois ihre Waren sehr hoch und die Tauschartikel der Arawaken, insbesondere die bunten Gewebe, allzu niedrig bewerteten. Die Händler wollten auch größere Vorräte an Lebensmitteln einkaufen, wir aber hatten nicht die Absicht, davon etwas abzugeben. Als gegen Mittag wegen der großen Hitze das Feilschen für einige Stunden unterbrochen wurde, hatten daher nur wenige Dinge ihren Besitzer gewechselt. Mir wurde klar, daß die Akawois ein Interesse daran hatten, sich so lange wie möglich in Kumaka aufzuhalten.

Um die Mittagszeit hatte auch die heimliche Übersiedlung der Einwohner in die Mitte des Dorfes ihren Abschluß gefunden. In den Hütten gegenüber dem Schoner wimmelte es von Menschen, während die Behausungen am Rande Kumakas einsam und verlassen dalagen. Zwar bemerkten die Akawois das lebhafter werdende Treiben, doch konnten sie keine richtige Erklärung dafür finden und blieben — wie Fujudi berichtete — im ungewissen.

Im Laufe des Nachmittags kehrten die Kundschafterguppen vom Fluß und aus dem Urwald zurück. Sie hatten nichts bemerkt, was auf die Anwesenheit eines Feindes schließen ließ, und waren im Umkreis von zehn Meilen auf keine verdächtigen Spuren gestoßen. Man mußte also annehmen, daß die Akawois entweder noch weiter ab von Kumaka lagerten oder ein ausgezeichnetes Versteck gefunden hatten, das nur schwer aufzuspüren war.